Mario Gomez: Plötzlich Fan-Liebling
Der Stürmer trifft zum 2:0 – und die Anhänger feiern ihn erstmals mit Sprechchören. Balsam für die Seele des Mannes, der sonst nur Nummer zwei im Angriff ist. Gibt es doch noch ein Happy End?
München - Claudio Pizarro flippte völlig aus an der Seitenlinie. Der Peruaner ballte seine Hände zu Fäusten, umarmte Robben, Schweinsteiger, Müller. Wie von Sinnen. Fast riss er sich sein Dress vom Leib, sein lila Leibchen. Das für die Ersatzspieler, denn dort machte er sich warm.
Die 49. Minute: Soeben hatte Mario Gomez das 2:0 erzielt. Gomez, der statt Pizarro die Aufgabe des Stellvertreters für den gesperrten Mario Mandzukic übernehmen durfte. Beide hatten sich ein wahres Ballerduell geliefert, offen bis zum letzten Tag. Immer wieder hatte einer der beiden einen draufgesetzt. Wie beim Karteln. Sticht! Nein, ich. Sticht.
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Den Ball hatte Gomez, leicht abseitsverdächtig, aus kurzer Distanz reingedrückt an Barcelonas Torhüter Victor Valdés vorbei. Mittelstürmeralltag. Mittelstürmerglückstag. Und Gomez flippte völlig aus, rannte Richtung Gegentribüne, die Arme weit ausgebreitet. Ein Tor gegen Barcelona ist nicht einfach nur ein Tor. Es ist ein Statement, eine Hormonwallung. Und so freute sich Gomez auch wie lange nicht. Es war das vierte Spiel in Folge, in dem er traf. In all den Partien zuvor hatte er mäßig glücklich ausgesehen nach getaner (Torjäger-)Arbeit. Einmal traf er beim 4:0 gegen Nürnberg, seine erste Bewerbung. Im Pokal-Halbfinale gegen Wolfsburg vor einer Woche kam Gomez als Joker, eine gute Viertelstunde Spielpraxis beim Stand von 3:1. Am Ende hieß es 6:1. Gomez wurde Triple-Joker, doch der Sechs-Minuten-Hattrick schien den 27-Jährigen nicht glücklich zu machen. Status: unsicher. Zukunft: vage. In Hannover traf er wieder doppelt, Pizarro legte nach.
Und Gomez durfte gegen Barcelona ran. Keine leichte Aufgabe, so oft geschmäht als nicht gut genug, weil er nicht so flüssig mitspielt wie ein Pizarro, wie ein Lewandowski aus Dortmund. Und weil er nicht so bissig attackiert und beharrlich presst wie Mandzukic. Limitiert sei er, hieß es. Er habe einen Wettbewerbsnachteil, sei kein Guardiola-Spieler. Keiner vom Spielertypus auf den der künftige Bayern-Trainer stehen soll. Geäußert hat sich Guardiola freilich noch nicht.
Doch Gomez fightete sich durch das Tal der Vermutungen und Spekulationen, durch teils deutliches Desinteresse der Vereinsbosse was dessen Zukunft anbelangt. Gomez motzte nie, Gomez moserte nie. Er traf einfach. Gestern lächelte er auch mal wieder.
Und das an dem Tag, als der Verein die Verpflichtung von Mario Götze von Borussia Dortmund bekannt gab. Ein Pep-Stürmer. Klein, schnell, wendig, trickreich. Der Anti-Gomez. Noch ein Magenschwinger muss das gewesen sein für den Ibero-Schwaben, als er dies im Mannschaftshotel der Bayern erfuhr. Doch auch das steckte er weg. Körperlich überzeugte er gegen Barcelona. Einmal checkte er Messi mit seiner ganzen Masse zu Boden, sah Gelb (37.).
Nach 71 Minuten wurde Gomez ausgewechselt. Die Leute standen auf, es gab „Maaa-ri-o Go-mez“-Sprechchöre. Das hatte es in München noch nie gegeben. Verrückte Tage für Gomez.
Die späte Liebe der Fans – und vielleicht sogar das Triple.