Mario Götze: Seine Saison des Schicksals

Mario Götze geht in seine dritte Spielzeit beim FC Bayern – und steht am Scheideweg. Überzeugt der WM-Finaltorschütze endgültig oder wird er das ewige Fußball-Jahrhundertalent bleiben?
von  Julian Buhl
Hat noch einen Vertrag bis 2017 beim FC Bayern: Mario Götze.
Hat noch einen Vertrag bis 2017 beim FC Bayern: Mario Götze. © dpa

Mario Götze geht in seine dritte Spielzeit beim FC Bayern – und steht am Scheideweg. Überzeugt der WM-Finaltorschütze endgültig oder wird er das ewige Fußball-Jahrhundertalent bleiben?

München
– Mario Götze breitet seine Arme aus. Den Kopf leicht nach hinten geneigt, richtet er seinen Blick in den Himmel. Dabei sieht der Nationalspieler stets so aus, als ob er mit seinen Augen irgendetwas da oben suchen würde: Gedankenverloren und für diesen Moment in seiner ganz eigenen Welt. Selbst dann, wenn ihm bei einem Torjubel die gesamte dabei zusieht – so wie am 13. Juli 2014 in Brasilien, nach Götzes entscheidendem Treffer für Deutschland im WM-Finale gegen Argentinien.

In der vergangenen Woche führte Götze sein Jubelritual mal wieder vor. Diesmal nicht im ehrwürdigen Estádio Maracanã in Rio, sondern in der Arena in Köln, nachdem er dort den Führungstreffer gegen die USA (1:2) erzielt hatte. Damit kehrte er zum Abschluss seiner Spielzeit zumindest symbolisch wieder an deren Ausgangspunkt in Brasilien zurück. Zu jener Ballannahme in der 113. Minute und dem folgenden Schuss, der ihm den Aufstieg in den Fußball-Olymp gesichert hatte.

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Alle warten auf den Durchbruch

Ein Jahr ist das nun bald her, seine Karriere ist seitdem allerdings nicht unbedingt so verlaufen, wie man es von einem WM-Helden erwarten könnte. Die Nationalelf diente Götze aber weiter als Wohlfühloase. Als Einziger absolvierte er alle zehn Länderspiele, sammelte die meisten Einsatzminuten (741) und erzielte die drittmeisten Tore (3).

Bei seinem Verein konnte er den Erwartungen aber noch immer nicht gerecht werden. Mit herausragenden fußballerischen Fähigkeiten gesegnet, galt er schon in seiner Zeit bei Borussia Dortmund als eines der größten Versprechen des deutschen Fußballs. Dem FC Bayern war die Hoffnung, dass er es in München einlösen würde, im Sommer 2013 37 Millionen Euro wert.

„Manchmal hat er gute Spiele, dann sind seine Leistungen wieder sehr schwankend und Spiele dabei, in denen er untertaucht“, sagte der frühere Bayern-Profi Thomas Helmer der AZ. Nach zwei soliden Jahren mit 14 Pflichtspieltoren und zwölf Assists in der ersten Saison sowie 15 Toren und sieben Vorlagen in der zweiten, steht Götze nun vor einer entscheidenden Spielzeit.

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Denn die Geduld beim FC Bayern ist endlich. „Klar, erwartet man mehr von ihm. Aber mit Gewalt wird das nicht gehen“, sagt Helmer.

In den wichtigen Spielen nicht im Mittelpunkt

Götze ist mit seiner Bilanz „relativ zufrieden“. Vor allem hätte er aber „gern das ein oder andere Spiel gemacht“. Zwar hatten nur Juan Bernat und Robert Lewandowski (49) mehr Einsätze als Götze (48). In den Partien, in denen es darauf ankam, entzog sein Trainer Pep Guardiola ihm aber das Vertrauen. In den Halbfinalspielen des Pokals und der Champions League wurde Götze jeweils nur kurz vor Schluss eingewechselt, ganz ohne Pathos. Stattdessen zeigte Barcelonas Lionel Messi, dass er immer noch der Beste ist. Ein magischer Götze-Moment blieb aus und das Zutrauen in seine Fähigkeiten schwand weiter. Oft scheute er Eins-gegen-Eins-Situationen. Seinen letzten Treffer im Bayern-Dress erzielte er im März beim 7:0 gegen Donezk. Ganz schön lange her.

Droht Götze etwa das Schicksal als ewiges Jahrhunderttalent? „Manchmal kommt er mir in seinen Bewegungen wie ein Jugendspieler vor, der Zweikämpfe verliert und stehen bleibt“, sagte Ehrenpräsident Franz Beckenbauer: „Das passt natürlich nicht zum FC Bayern. Es wird Zeit, dass er langsam erwachsen wird.“ Auch Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge ließ Unzufriedenheit durchklingen: „Wir sind alle hilfsbereit, aber am Ende des Tages ist es auch der Spieler, der die Verantwortung für sich selbst übernehmen muss.“

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Jahrhunderttalent mit schwerer Bürde

Joachim Löw nahm seinen Nationalspieler dagegen in Schutz: „Vor kurzem war Mario noch der beste Götze aller Zeiten, unser aller WM-Held – und jetzt ist alles schlecht. Das ist mir zu einfach.“ Doch möglicherweise hat auch er seinen Anteil an dem Dilemma, in dem sich Götze befindet. „Zeig der Welt, dass du besser bist als Messi“, hatte der Bundestrainer vor dessen Einwechslung im WM-Endspiel in der 88. Minute zu Götze gesagt. „Mit dem Satz hat der Bundestrainer die Messlatte sehr hoch gelegt“, gab der 23-Jährige kürzlich zu, auch wenn er es damals noch als „die richtigen Worte, um mich zu pushen“ empfunden hatte.

Es folgte ein Moment für die Ewigkeit – aber eben nur einer. Den Final-Treffer erzielt zu haben, war für ihn dennoch ein „Segen“, sagte er nun der „Bild“: „Das Tor als Fluch zu bezeichnen, käme mir niemals in den Sinn.“ Zumindest nicht in jenen glückseligen Momenten, in denen er seinen suchenden Blick in den Himmel richtet, gedankenverloren und in seiner ganz eigenen Welt. Der eines WM-Helden auf der Suche nach sich selbst.

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