Marcell Jansen: "Wenn der HSV eine Chance hat, dann jetzt"

Im AZ-Interview spricht Marcell Jansen über den Rückrundenauftakt seiner beiden Ex-Klubs, Bayerns Übermacht und sein Karriereende: „Ich will nur für Dinge aufstehen, hinter denen ich auch stehe."
von  Interview: Maximilian Koch
Auf seiner Homepage erklärt der ehemalige Nationalspieler, weshalb er mit 23 Jahren die "Marcell Jansen GmbH" gegründet hat. "Ich möchte auch meinen Kopf nutzen und Projekte in Eigenregie verwirklichen."
Auf seiner Homepage erklärt der ehemalige Nationalspieler, weshalb er mit 23 Jahren die "Marcell Jansen GmbH" gegründet hat. "Ich möchte auch meinen Kopf nutzen und Projekte in Eigenregie verwirklichen." © dpa

Der ehemalige Nationalspieler (45 Einsätze zwischen 2005 und 2014) bekam für die laufende Saison keinen Vertrag vom Hamburger SV angeboten und beendete seine Karriere beendet. "Ich habe das Glück gehabt, in elf Jahren Bundesliga gutes Geld zu verdienen und nun frei entscheiden zu können", sagt der 29-Jährige.

AZ: Herr Jansen, heute trifft Ihr Ex-Klub HSV auf Ihren Ex-Klub FC Bayern. Ihre Sympathien dürften dabei klar verteilt sein, oder?

MARCELL JANSEN: Ja, das ist richtig. Wenn man sieben Jahre für den HSV gespielt hat, in der Stadt gelebt und viel erlebt hat, ist es klar, dass mein Herz mehr für den HSV schlägt.

Sie haben nur für drei Vereine gespielt. Gladbach, dann beim FC Bayern, schließlich beim HSV mit dem Fast-Abstieg im vergangenen Jahr. Sie haben gesagt, Sie sind Fan von Gladbach und dem HSV. Der FC Bayern fehlt in dieser Liste.

In Gladbach bin ich geboren, habe dort den Sprung zu den Profis geschafft. In Hamburg habe ich jetzt so lange gelebt. Ich konnte mich mit beiden Vereinen total identifizieren. Aber es ist schon so, dass nach diesen Vereinen der FC Bayern an dritter Stelle kommt. Ich hatte dort ein sehr gutes Jahr. Ich bin also auch Bayern-Fan, vor allem, wenn es darum geht, wie der Verein Deutschland nach außen vertritt. Aber es wäre jetzt nicht authentisch, wenn ich sagen würde: Bayern liegt mir genauso am Herzen wie Gladbach oder Hamburg. Das geht nicht, weil ich dort so viele emotionale Momente hatte.

Im Rückblick: Wären Sie gern länger beim FC Bayern geblieben als nur ein Jahr?

Ich bin damals unter einer anderen Voraussetzung gewechselt, bei Bayern kam ja dann auch ein neuer Trainer (Klinsmann für Hitzfeld, d. Red.). Trotzdem war die Zeit super für meine Entwicklung.

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Ihr Karriereende im vergangenen Sommer mit 29 Jahren hat viele überrascht. Sie haben gesagt, dass Sie das Fußballgeschäft nie geliebt haben.

Der Beruf Profifußballer ist geil, die Fans: Hammer. Fußball ist etwas Tolles, und das wird auch immer so bleiben. Ich habe viel gelernt und natürlich auch gutes Geld verdient. Aber ich habe meine Entscheidung getroffen, um diese Seifenblase nicht mehr weiter nach hinten zu schieben.

Wie meinen Sie das?

Ich hatte gute Angebote aus dem Ausland, hätte dort noch einiges an Geld mitnehmen können. Aber das wollte ich nicht, Fußball hat für mich auch mit Identifikation zu tun. Ich will nur für solche Dinge morgens aufstehen, hinter denen ich auch stehe. Ich bin nicht käuflich.

Das öffentliche Leben als Fußballstar war also nicht das, was Sie gestört hat?

Nein, es ging gar nicht um Medien oder Öffentlichkeit. Es ging um die Dinge, die man nicht so mitbekommt, um das, was drumherum passiert. Manche Spieler denken vielleicht, sie haben viele Freunde, aber das ist nicht so. Es gibt keine Streitkultur. Man wird gar nicht auf das Leben nach der Karriere vorbereitet. Und es geht alles so schnell: Nach einem Jahr interessiert keinen mehr, ob du Weltmeister warst. Jeder ist austauschbar.

Trotzdem: Gibt es Dinge, die Sie vermissen?

Wenn der Fußball mir fehlt, fehlt mir die Pille. Dann rufe ich meine Jungs an oder spiele ein Turnier.

Sie haben sich schon während Ihrer Karriere mit Dingen abseits des Fußballs beschäftigt, ein Modelabel für Fitnessartikel gegründet. Was machen Sie denn sonst im Moment?

Bei Sky habe ich meine Experteneinsätze und meine Show „Heimspiel“, bei der ich andere Bundesliga-Profis treffe und mit ihnen über Dinge spreche, die auch mal über den Fußball hinausgehen. Dazu das Modelabel. Und in Mönchengladbach haben wir ein Sanitätshaus gegründet. Es wird mir also nicht langweilig.

Kommen wir zum Spiel am Freitag. Ist es gut oder schlecht für den HSV, dass er direkt nach der Winterpause auf die Bayern trifft?

Bayern bleibt Bayern. Es ist dennoch besser, jetzt am Anfang gegen sie zu spielen, bevor sie richtig im Rhythmus sind und Fahrt aufgenommen haben. Wenn es eine Chance für den HSV gibt, dann jetzt.

Was haben Sie für einen Eindruck: Ist beim HSV jetzt endlich mal Ruhe eingekehrt?

Ja, das merkt man. Bruno Labbadia hat für Stabilität gesorgt. Und was mir gefällt: Labbadia ist sehr realistisch, schätzt die Sachen gut ein. Ich habe Labbadia zweimal beim HSV erlebt. Über die Jahre hat man bei ihm auch eine Weiterentwicklung gesehen, er ist lockerer geworden. Das habe ich gerade in den Extremsituationen letzte Saison erlebt, als es gegen den Abstieg ging.

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Ist den Bayern der Titel bei acht Punkten Vorsprung denn noch zu nehmen?

Es wäre fatal, wenn es Dortmund nicht nochmal probiert. Aber man muss schon sagen: Die Tabelle sieht so aus, dass Bayern es macht. Sie haben eine Riesenentwicklung hinter sich, können ihren Stil jetzt auch ohne Robben und Ribéry durchziehen. Kingsley Coman und Douglas Costa sind zwei sensationelle Verstärkungen. Hier stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis: Für andere Spieler wird das Dreifache ausgegeben.

Sehen Sie denn einen Spieler, den der FC Bayern besser nicht abgeben sollte?

Thomas Müller ist jemand, den kann ich mir bei keinem anderen Verein vorstellen. Und Bayern nicht ohne Thomas Müller. Er ist ein kompletter Exot im heutigen Fußball, das ist unfassbar. So einen frechen Spielertypen hat es noch nicht gegeben. Aber ich habe auch gedacht, es gibt Ribéry und Robben nicht nochmal. Und dann kamen Costa und Coman.

 

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