"Manuel hat eine unglaubliche Ausstrahlung"

AZ-Interview mit Jörg Butt. Der 41-Jährige spielte als Torwart unter anderem für den Hamburger SV, Bayer Leverkusen, Benfica Lissabon und den FC Bayern. 2010 gewann er mit Bayern die Meisterschaft und den DFB-Pokal. Er stand dreimal im Finale der Champions League.
AZ: Herr Butt, Sie wissen bestimmt schon, weshalb wir anrufen: Es geht um Benfica Lissabon – den Gegner des FC Bayern im Viertelfinale der Champions League. 2007 haben Sie nur ein Spiel für Benfica gemacht. Eine Zeit, an die Sie sicher nicht nur gute Erinnerungen haben.
HANS-JÖRG BUTT: Das Positive überwiegt, es war eine super Erfahrung im Ausland. Natürlich war es für mich eine sportlich schwierige Zeit, für den Verein damals ebenso. Wir hatten in dieser Saison drei Trainer. Aber es ging damals mit einem neuen Präsidenten eine positive Entwicklung los. Benfica war zuletzt mehrmals international dabei und ist in Portugal als Tabellenführer wieder dort, wo sie hingehören.
Trotzdem: ein machbares Los für Bayern? Oder wird es doch schwerer, als man glaubt?
Die Gefahr ist, dass man Benfica unterschätzt. Sie sind in Deutschland nicht so in den Köpfen wie Juventus Turin, Manchester United, Mailand oder der FC Barcelona. Aber der Verein hat sich gut entwickelt und hat auch durch die guten Kontakte nach Südamerika immer wieder sehr, sehr gute Spieler. Ich habe damals mit Ángel Di María und Fábio Coentrão gespielt, die später zu Real Madrid gingen und Topkarrieren starteten. Benfica ist nicht umsonst im Viertelfinale der Champions League, das kommt nicht von ungefähr. Es ist einer der größten Vereine der Welt, auch wenn sie in den vergangenen Jahren international nicht besonders erfolgreich waren. Klar, Bayern ist der Favorit und ich glaube, dass sie weiterkommen. Aber es wird kein Spaziergang Richtung Halbfinale.
Nicht dabei bei Benfica ist der verletzte Torwart Julio Cesar, gegen den Sie 2010 mit Bayern im Finale der Champions League gegen Inter Mailand 0:2 verloren. Auf der anderen Seite spielt natürlich Manuel Neuer. Wie verfolgen Sie seine Entwicklung?
Das war damals schon vorherzusehen, er hat bei Schalke schon sehr, sehr gut gespielt und bei Bayern noch einen Riesenschritt nach vorne gemacht. Wir haben ja in seinem ersten Jahr beim FC Bayern noch eine Saison zusammengespielt. Er war damals noch nicht so weit wie jetzt, aber er hat sich an die Spielweise angepasst. Er hatte bei Schalke viel mehr zu tun, konnte sich viel mehr auszeichnen. Er ist ja ein sehr aktiver Torhüter, in seinen jungen Jahren war das noch ausgeprägter. Mittlerweile hat er eine unglaubliche Ausstrahlung, zusätzlich die nötige Ruhe. Außerdem nimmt er großen Einfluss auf das Spiel, auch wenn er nicht viele Aktionen hat. Er gibt durch seine Ausstrahlung der Mannschaft einen großen Rückhalt.
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Gibt es denn etwas, was er verbessern könnte? Vielleicht Elfmeterschießen, wie Sie damals?
Das kann er auch ganz gut, so viel Gelegenheit hat er dazu aber nicht gehabt. Bayern hat unter anderem mit Thomas Müller ja sehr gute Schützen. Aber klar, verbessern kann man sich immer. Aber er ist ein sehr ausgeglichener Torhüter, in allen Bereichen.
Verfolgen Sie ihn und den FC Bayern noch intensiv?
Ich bin regelmäßig im Stadion, wie die Zeit es eben zulässt. Klar, nach 20 Jahren im Profifußball verfolge ich den Fußball nach wie vor. Nicht mehr so intensiv wie zu aktiven Zeiten, aber ich war gegen Juventus Turin im Stadion – und auch am Dienstag gehe ich.
Beruflich sind Sie dagegen weg vom Rasen und in das Familienunternehmen eingestiegen. Sie sind für Vertrieb und Marketing der Münchner Niederlassung der Firma Butt verantwortlich, die Verladerampen und Industrietore herstellt. Vermissen Sie den Fußball manchmal?
Nein, das nicht. Ich hatte eine erfolgreiche, überragende Zeit mit Momenten, die man im normalen Berufsleben nicht hat. Andererseits bin ich mit unserem Unternehmen großgeworden. Mein Vater hat es vor über 40 Jahren gegründet. Man wächst damit und hängt natürlich daran. Durch die intensive Zeit im Fußball habe ich das Tagesgeschäft nicht so mitbekommen. Das hat mich immer gereizt. Deshalb habe ich mich vor drei Jahren dazu entschieden, miteinzusteigen.
Und, wie läuft es?
Es macht mittlerweile immer mehr Spaß. Zu Anfang war ich häufig im Betrieb im Norden, um mich einzuarbeiten. Mittlerweile mache ich das von München aus und bin für den süddeutschen Raum, Österreich und die Schweiz zuständig. Das ist auch super-interessant. Man hat vielleicht nicht solche Highlights wie als Fußballprofi in der Champions League am Dienstag- oder Mittwochabend, oder Samstag um 15.30 Uhr. Das verteilt sich jetzt auf die normale Woche. Unsere Verladesysteme kommen überall zum Einsatz, in der Industrie oder in mittelständischen Unternehmen. Da hat man mit vielen interessanten Menschen zu tun, sieht viel, lernt viel. Ich war immer technikinteressiert, das macht mir sehr viel Spaß.
Denken Sie denn an eine Rückkehr ins Fußballgeschäft? Sie waren ja 2012 eine kurze Zeit lang Leiter des Jugendleistungszentrums beim FC Bayern.
Im Moment nicht, nein. Man kann nicht alles machen. Klar, der Fußball reizt immer. Ich konzentriere mich auf den Job, ausschließen für die Zukunft kann man aber nie etwas. Wer weiß, was in zehn Jahren ist.