"Liebe solche Spieler": Bayern-Coach Nagelsmann schwärmt von Roca - und gesteht Fehler ein
München/Stuttgart - Marc Roca hatte keine Chance. Ewigkeiten lang, so schien es. Sein Trainer Julian Nagelsmann ließ ihn einfach nicht los. Er drückte und herzte ihn, klopfte ihm auf den Rücken.
Der Spanier konnte sich nicht aus der Umklammerung befreien, er drückte und klopfte zurück, bis er seinem Coach dabei unabsichtlich den Hintern tätschelte. Mit so viel plötzlicher Liebe und Zuneigung muss man erstmal umgehen können...
Es lief die 75. Minute bei der 5:0-Abfuhr der Bayern für den VfB Stuttgart, als Roca erstmals in dieser Saison ausgewechselt wurde. Was für andere Profis Grund zur Empörung sein würde, hatte einen einfachen Grund: Es war der erste Startelf-Einsatz des 25-jährigen Spaniers in dieser Spielzeit.
Roca in Bayerns Sechser-Hierarchie ganz unten
Zuvor standen lediglich 78 Pflichtspielminuten bei drei Einwechslungen seit Ende November auf Rocas Konto – was auch mit seinem Außenbandriss im Sprunggelenk während der Vorbereitung zu tun hat, aber dennoch viel zu wenig ist für die Ansprüche des U21-Europameisters von 2019. Im Oktober letzten Jahres war er mit großen Hoffnungen und Zielen von Espanyol Barcelona nach München gewechselt. Er kostete neun Millionen Euro Ablöse.
Unter Hansi Flick kam der zentrale Mittelfeldspieler in seiner Münchner Debüt-Saison zu 13 Pflichtspieleinsätzen, davon jedoch lediglich sechs in der Startelf – davon zwei über die volle Spielzeit. Ein Fehleinkauf, der sich angesichts der immensen Konkurrenz im Mittelfeld der Bayern (auf der Sechser-Position ist Roca hinter Kimmich, Goretzka, Tolisso, Sabitzer, die in Stuttgart alle fehlten, sowie Sechser-Neuentdeckung Musiala die Nummer sechs) nicht durchsetzt – so das Urteil.
Starke Leistung in Stuttgart: Roca erhält Sonderlob
Nun Rocas Auftritt in Stuttgart: zweikampfstark, ballsicher, mit guter Übersicht. "Ich lobe selten einen Einzelspieler vor der Mannschaft, aber Marc hat es verdient", meinte Nagelsmann: "Hier reinzukommen und mit der Art und Weise zu spielen – wie er gekämpft hat, wie er Gas gegeben hat, damit hatte er einen extrem großen Einfluss auf das Spiel."
Mit gut kanalisierter Wut im Bauch. Der Chefcoach mit einer reflektierten, selbstkritischen Analyse: "Ich liebe solche Spieler, die sehr selbstlos sind und dem Trainer zeigen, dass es offensichtlich ein Fehler war, sie selten zu bringen." Roca selbst blieb bescheiden: "Ich bin sehr glücklich. Alle Spieler und der ganze Staff haben mir geholfen. Es war ein gutes Spiel für uns und ein wichtiger Sieg."
So ruhig und zurückhaltend sei er in den Übungseinheiten nicht, so Nagelsmann: "Er ist einer, der im Training immer Gas gibt, der dir auch mal zeigt, dass er sauer ist. Er ist ein starker Charakter und kein Mäuschen, das sich wegduckt. Er sagt auch seine Meinung und tut kund, dass er den Anspruch hat, noch mehr zu spielen."
Bekommt Roca gegen Wolfsburg seine nächste Chance?
Plötzlich scheint ein Wechsel (oder eine Leihe) in der Winterpause kein Thema mehr, doch wenn die oben genannten Stars zur Rückrunde wieder alle fit und gesund sind, wird sich Roca hinten anstellen müssen.
Gegen den VfL Wolfsburg kann er am Freitag wohl noch einmal Eigenwerbung betreiben. Nagelsmann ("Es ist wichtig, dass er seine Einsatzzeiten bekommt") hatte den Linksfuß mit Blick auf den Hinrunden-Abschluss ausgewechselt. Also "nicht wegen seiner Leistung, sondern weil er platt war", erklärte der Bayern-Coach: "Er war happy, aber auch platt. Dazu sehr glücklich und das völlig zurecht."
Mal sehen, ob Nagelsmann am Freitag wieder zum euphorischen Drückeberger wird...