Kurven-Streit mit Fans: "Trauer, Frust und Resignation"

Der Graben zwischen dem FC Bayern und den stimmungsbereiten Südkurvenfans scheint unüberwindbar. Fanprojekt-Mitarbeiter Thomas Emmes berichtet von den Gefühlen der Fans.
von  fbo
Viel Freiraum: Die Südkurve mit den Blöcken 112/113 direkt hinter dem Tor beim Bundesliga-Auftakt gegen Mönchengladbach. Foto: M.i.S.
Viel Freiraum: Die Südkurve mit den Blöcken 112/113 direkt hinter dem Tor beim Bundesliga-Auftakt gegen Mönchengladbach. Foto: M.i.S. © M.i.S.

Der Graben zwischen dem FC Bayern und den stimmungsbereiten Südkurvenfans scheint unüberwindbar. Fanprojekt-Mitarbeiter Thomas Emmes berichtet von den Gefühlen der Fans und sieht schwarz: "Zieht der Verein das durch, ist bald vollkommen tote Hose."

München - Es ist wie kurz vor einer Scheidung. Die Fronten verhärtet, jeder Annäherungsversuch zwecklos. Der FC Bayern.

Die Konsequenz: Grabesstimmung in der Südkurve wie gegen Gladbach. "Es war traurig, bedrückend. Ich habe mir schon überlegt, in den Gästeblock zu wechseln", meint Thomas Emmes vom Fanprojekt München mit beißendem Sarkasmus zur AZ.

Warum ist die Stimmung so schlecht? Der Verein hat hinter der Südkurve Drehkreuze installiert. Stimmungsbereite Fans, die keine Jahreskarte für die Blöcke 112/113 haben, müssen nun draußen bleiben. Bayern begründet diesen Weg mit Sicherheitsaspekten.

Für die betroffenen Fans – darunter vor allem die Ultras – ist es ein weiterer Stein, der ihnen in den Weg gelegt wird. Zuletzt hat man zum Beispiel den sogenannten „Allesfahrern” die Auswärtsdauerkarten für Cup-Spiele gestrichen.

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"Es ist Trauer da, Resignation, totale Frustration", berichtet Emmes, der sich seit 1995 um die Belange der Bayern-Fans kümmert. Er sagt: "Ich werde den Eindruck nicht los, dass der Verein diese unbequemen Fans nicht mehr in der Südkurve haben will."

Laut dem FC Bayern fordern die betroffenen Fans zu viele Rechte ein; wollen die Kurvengestaltung mitbestimmen, führen sich dazu oftmals ungebührlich auf (Pyrotechnik, Schlägereien). 200 000 Euro Strafe hat Bayern vergangene Saison deswegen an die Uefa überweisen müssen, rechnete Vereinsboss Karl-Heinz Rummenigge zuletzt vor.

"Mindestens Dreiviertel der Allesfahrer hat mit diesem Pyrotechnik-Schmarrn aber überhaupt nichts am Hut", entgegnet Emmes. Seine Vermutung: "Der Verein will diese Fans gar nicht verstehen."

Emmes prangert vor allem einen Denkfehler der Vereinsführung an: "Der Verein sagt, er behandelt jeden Fan gleich. Aber einen Gegengeraden-Fanklub mit einem Allesfahrer und Stimmungsmacher in der Kurve gleichzusetzen, ist unsinnig." Das schlägt sich in der Südkurven-Stimmung nieder: "Zieht der Verein das durch, ist bald vollkommen tote Hose."

Die betroffenen Fans fühlen sich machtlos, die Bosse entscheiden stets einfach über sie hinweg, so der Vorwurf. "Dass sie extra Professor Salewski für den Dialog mit den Fans engagiert haben, ist eigentlich eine Watsch’n für die eigene Fanbetreuung, denn damit sagt man: die kriegt’s nicht hin."

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Eine Lösung? Nicht in Sicht. "Der Verein müsste den Dialog mit den Fans aufnehmen, die für die Stimmung sorgen – und sich nicht nur auf Treffen mit Fanklub-Abgesandten beschränken, die alles Ja-Sager sind. Sonst kann man das berühmte Zitat bald umdrehen und sagen: 'Sie, Herr Hoeneß, sind doch für ihre Scheiß-Stimmung selber verantwortlich...'", meint Emmes.

Das Horrorszenario für die betroffenen Fans: Plastik-Stimmung wie in Barcelona, Manchester oder Paris. "Da gibt's praktisch keine Fankurve mehr, nur noch Klatschpappenpublikum", sagt Emmes. Bleibt es in München nun so? Emmes: "Ich befürchte, es geht so weiter. Die Fankultur bei Bayern steht kurz vor dem Absturz. Es ist von beiden Seiten einfach zu viel Porzellan zerdeppert worden."

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