"Habe ihm den Vorschlag gemacht": Darum hat Joshua Kimmich keinen Berater
AZ: Es ist ein neuer Trend zu erkennen, dass Spieler wie Alphonso Davies oder Jamal Musiala ein sogenanntes Signing Fee, also ein Handgeld bekommen, damit sie bei ihrem aktuellen Verein einen neuen Vertrag unterschreiben. Was halten Sie von dieser Entwicklung, blutet da nicht Ihr schwäbisches Herz?
ULI HOENESS: Viele Dinge gefallen mir nicht, die sich momentan in der ganzen Branche entwickeln. Gerade, was die Berater verdienen, das ist teilweise nicht in Ordnung. Das Verhältnis zwischen Arbeit und Bezahlung ist meiner Meinung nach teilweise vollkommen absurd. Aber was willst du machen, wenn der Spieler dir sagt, es geht nur mit dem Berater? Es gäbe nur die Möglichkeit, zu sagen, wir verkaufen alle Spieler und spielen nur noch mit unserer Jugend. Aber das Schlimme ist, die Jungen haben ja auch schon alle Berater. Es gab ja mal die Bemühungen der Uefa und Fifa, diese Beraterhonorare von den Spielern zahlen zu lassen, aber das ist dann irgendwie nicht durchgekommen. Das wäre interessant geworden.
Hoeneß: "Bei einem Verein wie dem FC Bayern wirst du als Spieler nicht über den Tisch gezogen"
Was halten Sie dann von Joshua Kimmich, der diese Gespräche selbst führt?
Insofern habe ich da einen Beitrag geleistet, weil ich ihm den Vorschlag gemacht habe, diese Vertragsgespräche selber zu führen. Weil es gescheiter ist, wenn er das Honorar kriegt. Bei einem Verein wie dem FC Bayern wirst du als Spieler ja nicht über den Tisch gezogen, da brauchst du eigentlich keinen Berater. Aber die flüstern den Spielern ja immer ein: ,Wenn Du bei mir bist, hol' ich noch mehr Geld für Dich raus.'
Wie wichtig ist Joshua Kimmich mittlerweile wieder für die Zukunft des FC Bayern? Unter Thomas Tuchel hatte er ja kein gutes Standing.
Es hängt immer davon ab, wie ein Trainer einen Spieler in der Öffentlichkeit einschätzt. Wenn man permanent die Spieler, die man hat, kritisiert oder schwach redet, dann ist natürlich das Standing auch entsprechend. Vincent hat offensichtlich von Anfang an zu Joshua gesagt: ,Ich baue auf dich, du bist mein Mann.' Und so spielt Kimmich jetzt auch.
Hoeneß sieht Kimmich als Option für die Neuer-Nachfolge
Max Eberl hat Kimmich bereits zum Kapitän der Zukunft nach Manuel Neuer ernannt. Trauen Sie ihm diese Rolle zu?
Das ist jetzt nicht meine Entscheidung. Aber wenn Manuel irgendwann aufhört, läge es nahe, dass Joshua eine Option ist. Das muss aber natürlich der jeweilige Trainer entscheiden.
Warum lässt sich Kimmich dann mit der Verlängerung so lange Zeit?
Joshua und ich haben ein großes Vertrauensverhältnis zueinander, aber wir sitzen jetzt nicht jeden Tag zusammen. Insofern kann ich Ihnen diese Frage nicht beantworten.

"Dreesen hat seinen Anteil, dass sich der Verein wieder stabilisiert hat"
Wie bewerten Sie denn das erste Jahr von Max Eberl beim FC Bayern. Er war ja Ihr erklärter Wunschkandidat für den Posten des Sportvorstandes.
Ich finde, er hat mit dazu beigetragen, dass der FC Bayern vor allen Dingen auch in der Öffentlichkeit wieder zur Ruhe gekommen ist. Max ist ein Mensch, der sehr auf Zusammenhalt wert legt und das auch lebt. Die Zusammenarbeit mit Christoph Freund klappt sehr gut, es ist sehr wichtig, dass man sich versteht. Wenn man sich untereinander nicht grün ist, dann ist auch keine gute Zusammenarbeit möglich.
Wie sehen Sie da den Beitrag von Vorstandschef Jan-Christian Dreesen?
Jan-Christian Dreesen hat seinen Anteil, dass sich der Verein wieder stabilisiert hat. Er und Michael Diederich sind große Finanzpersönlichkeiten, ihr Verbund klappt sehr gut.
Hoeneß sah mögliche Tuchel-Rückkehr kritisch
Als Max Eberl vor einem Jahr bei Bayern anfing, ist er unverschuldet in diese kuriose Trainersuche hingeraten.
Das war damals eine wirklich extrem schwierige Phase.
Wie diese Trainersuche dann ablief, kann Ihnen dennoch nicht gefallen haben. Ralf Rangnick sagt zu und dann wieder ab, Thomas Tuchel wird entlassen und soll dann plötzlich doch wieder weitermachen. . .
Das mit Thomas war der einzige Punkt, der kritisch gesehen werden konnte: Warum sollte er denn weitermachen, nachdem er zuvor beurlaubt wurde?

Hoeneß über Lahm: "Wir haben ihm damals den normalen Weg aufgezeigt"
Lassen Sie uns in die Zukunft des FC Bayern blicken. Philipp Lahm hat gerade erst in der Abendzeitung erklärt, dass er sich einen Weg ins Management vorstellen kann, auch beim FC Bayern. Trauen Sie ihm das auch zu?
Mit Philipp waren wir ja schon mal ganz nahe beieinander und es lag ja an ihm, dass er das nicht gemacht hat. Wir haben ihm damals den normalen Weg aufgezeigt, den alle unsere Aufsichtsräte so gesehen haben, dass er Sportdirektor wird beim FC Bayern. Und dann nach ein, zwei Jahren guter Arbeit, wovon wir alle ausgegangen sind, in den Vorstand wechselt. Wenn Sie bei uns den Aufsichtsrat anschauen, das sind alles sehr honorige Leute, sehr tolle Manager und die hatten eben zurecht gesagt, dass Philipp trotz all seiner überragenden Verdienste als Spieler und Kapitän für den FC Bayern erst Berufserfahrung für diesen Posten sammeln soll. Wenn er damals dem Sportdirektoren-Job zugestimmt hätte, weiß ich nicht, was heute wäre.
Ist Ihnen für die Zukunft wichtig, Führungspositionen mit ehemaligen Spielern zu besetzen, die den FC Bayern kennen und verstehen?
Das war immer mein Traum und wird es auch weiter bleiben. Aber es wird zunehmend schwieriger. Ein Paul Breitner, ein Karl-Heinz Rummenigge, mein Bruder Dieter, der Franz Beckenbauer, auch der Gerd Müller oder der Sepp Maier, wir haben alle damals ordentlich Geld verdient. Aber es war immer klar, dass wir nach der aktiven Karriere weiter arbeiten müssen. Und das ist der große Unterschied. Wenn du heute eine gewisse Zeit auf Top-Niveau spielst, hast du die Möglichkeit, so viel Geld zu verdienen, dass du keine finanziellen Sorgen mehr hast. Als Vorstand, als Sportdirektor, als Manager bist du mindestens sechs Tage die Woche acht bis zehn Stunden pro Tag gefordert. Das ist das Hauptproblem: Dass die Profis von heute so einen Job nicht mehr machen müssen, weil sie das wirtschaftlich nicht mehr brauchen.
Hoeneß über Müller-Zukunft: "Er hat so vieles, was man in dem Job brauchen kann"
Wäre Thomas Müller perspektivisch jemand, den Sie sich in einer verantwortlichen Position beim FC Bayern vorstellen könnten?
Thomas ist ein cleverer Bursche, ihn könnte ich mir für alles vorstellen. Wenn er zum Beispiel nach dem Karriereende ein Sabbatical macht, mal in der Weltgeschichte rumfährt, vielleicht sich auch mal was anschaut, die San Francisco 49ers oder die NBA, oder was in der Premier League - er hätte alle Möglichkeiten, sich das Geschäft von der Pike auf anzueignen. Er hat so vieles, was man in dem Job brauchen kann: Er ist intelligent, sehr bodenständig, eloquent.
Deshalb hat ja angeblich auch schon der DFB seine Fühler ausgestreckt. Muss der FC Bayern da nicht schnell sein?
Wir müssen uns da nicht treiben lassen. Der FC Bayern ist aktuell sehr gut besetzt mit Max Eberl und Christoph Freund, der übrigens auch ein Topmann ist. Der Vorteil von Thomas wäre, dass er sich in Ruhe hineinarbeiten und hineinwachsen könnte.
Aber die Fans wollen ihn noch ein bisschen auf dem Platz sehen. Hängt Thomas Müller noch eine Saison dran?
Das müssen wir zusammen besprechen, weil sich der Verein da natürlich auch Gedanken machen und Entscheidungen treffen muss. Es geht ja nicht um ein Butterbrot.
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