Hildebrand warnt vor Benfica: "Ein Hexenkessel"

Im AZ-Interview spricht Timo Hildebrand über das Bayern-Rückspiel gegen Benfica, das Duell gegen den VfB Stuttgart, seine Zukunftspläne und Neuer: „Manu hat noch mal die nächste Stufe gezündet."
von  Interview: Julian Buhl
„Das ist eine besondere Atmosphäre“, sagt Hildebrand über das Estadio da Luz, in dem Bayern auf Benfica trifft.
„Das ist eine besondere Atmosphäre“, sagt Hildebrand über das Estadio da Luz, in dem Bayern auf Benfica trifft. © dpa

München - AZ: Herr Hildebrand, Sie haben in der vergangenen Woche Ihr Karriereende verkündet. Warum eigentlich?

TIMO HILDEBRAND: Das gab es einige Gründe. Vor ein paar Tagen bin ich 37 geworden. Ich bin seit über einem Jahr raus aus dem Bundesligageschäft und wäre gerne noch einmal nach Amerika in die MLS gegangen. Das hat leider nicht mehr funktioniert. Vor einem Jahr musste ich mich an der Hüfte operieren lassen und plage mich immer noch mit der Verletzung rum. Es hat einfach keinen Sinn mehr gemacht, sich noch einmal heranzukämpfen, weil mir meine Gesundheit wichtiger ist.

Und wie fühlt sich das Leben als Ex-Profi jetzt an?

So viel verändert hat sich ja nicht. Ich mache weiterhin Reha, bis meine Schmerzen endgültig weg sind. Es war aber schon ein emotionaler Tag für mich, als es dann fix war. Ich habe viele Nachrichten bekommen. Das war schön, aber klar kommt da auch ein bisschen Wehmut auf.

Wie geht es jetzt weiter?

Ich suche neue Herausforderungen, unter anderem möchte ich im Mai den Trainerschein machen. Ich weiß noch nicht, wohin mich mein Weg genau führen wird. Ich könnte mir auch zum Beispiel etwas in der Managerrichtung vorstellen.

Sie verfolgen das Fußballgeschäft also weiter intensiv. 2010/11 standen Sie bei Benfica Lissabons Lokalrivale Sporting unter Vertrag. Waren Sie überrascht, wie gut sich Benfica beim 0:1 beim FC Bayern verkauft hat?

Benfica spielt ja schon seit Jahren eine gute Rolle und hat eine richtig gute Defensive. Pep Guardiola hat nicht umsonst gesagt, dass sie in Europa momentan die beste Viererkette haben.

Was erwartet die Bayern am Mittwoch im Rückspiel im Estadio da Luz?

Die Südländer sind ja ohnehin sehr euphorisch. Bei so einem Topspiel ist das erst recht ein Hexenkessel. Das war es auch beim Derby gegen Sporting, das ich einmal von der Tribüne aus miterlebt habe. Das ist eine besondere Atmosphäre. Aber Bayern hat ja schon etliche große Schlachten geschlagen.

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Sind die Bayern stark genug, für den ganz großen Triumph zu Guardiolas Abschied?

Bayern hat immer den Anspruch, den Champions-League-Titel zu holen. Gegen Juve hat man aber auch gesehen, wie knapp es sein kann. Da waren sie ja praktisch schon ausgeschieden. Bayern ist gegen Benfica der haushohe Favorit, aber man weiß nie, was in solchen besonderen Spielen alles passieren kann.

Zwischen den Champions-League-Spielen kommt für ihren Ex-Verein, den VfB Stuttgart, das Bayern-Spiel am Samstag ja jetzt genau richtig, oder?

Im Gegensatz zu Real Madrid, die den Clasico gewonnen und dann gegen Wolfsburg verloren haben, hat Bayern überhaupt kein Problem mit so etwas. Aber natürlich rechnet sich eine Mannschaft, wie der VfB in so einer Konstellation trotzdem etwas aus.

Zu recht?

Der VfB ist klarer Außenseiter. Aber das ist außer dem FC Barcelona ja jede Mannschaft, die gegen Bayern spielt. Vielleicht schaffen sie ja ein Unentschieden oder sogar einen knappen Sieg, wenn sie alles reinwerfen.

Wie groß sind Ihre Abstiegssorgen um den VfB?

Die letzten Jahre hat man sich mehr Sorgen als jetzt machen müssen. Der VfB hatte zuletzt ja eine richtig gute Phase, die auf mehr hoffen lässt. Jeder im Umfeld des VfB wünscht sich, dass es zukünftig nicht mehr bis zum Ende gegen den Abstieg geht.

Sie haben da ja noch ganz andere Erinnerungen. 2007 wurden sie mit dem VfB sensationell Deutscher Meister.

Absolut. Das war das herausragende Ereignis.

Danach haben Sie den VfB verlassen.

Das war damals eine bewusste Entscheidung. Ich wollte mit dem Wechsel nach Valencia einfach einen neuen Schritt in meinem Leben gehen – so ähnlich, wie ich es im Moment auch tue. Ich bereue da nichts.

Welche Bedeutung hat die Liga-Bestmarke für Sie, die Sie 2003 mit 884 Minuten ohne Gegentor aufgestellt haben?

Es ist schön, so einen Rekord zu haben, aber er wird irgendwann auch wieder eingestellt werden. Es ist aber schon etwas Besonderes für mich, mit Stuttgart so eine lange Phase ohne Gegentor gehabt zu haben.

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Haben Sie keine Angst, dass Manuel Neuer den Rekord vielleicht mal brechen könnte?

Wenn es jemand schafft, dann wird es der FC Bayern mit Manuel Neuer im Tor sein. Sie haben ja schon mal daran gekratzt. Wenn es passiert, passiert es eben.

Neuer gilt ja als Prototyp des modernen, mitspielenden Torhüters. Haben Sie sich bei gewissen Dingen auch mal an ihm orientiert?

Manu kam ja eigentlich nach mir in die Bundesliga. (lacht) Er war noch relativ jung, als ich meine ersten Spiele gemacht habe. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass viele genau das über mich gesagt haben: Dass ich so der erste Prototyp war, der fußballerisch damals den nächsten Schritt gegangen ist. Aber Manu hat noch mal die nächste Stufe gezündet. Er spielt schon sehr risikoreich. Aber er trifft fast immer zu 100 Prozent die richtige Entscheidung. Das macht kein anderer Torwart so. Er hat einfach seinen eigenen Stil und ist damit erfolgreich. Dafür muss man ihm großen Respekt zollen.

Er gilt sowohl bei Bayern als auch in der Nationalelf noch auf Jahre als unantastbar. Auch für Sie?

Irgendwann wird Manu auch aufhören oder vielleicht auch mal eine schlechtere Phase haben. Im Moment spielt er einfach überragend und ist der beste deutsche Torwart. Aber irgendwann kommt der nächste Torwart.

Sie haben erlebt, dass es schnell in die andere Richtung gehen kann, wurden von Joachim Löw vor der EM 2008 aussortiert. Die härteste Entscheidung, die Sie in Ihrer Karriere zu verkraften hatten?

Es war die erste brutale Entscheidung, weil sie sehr überraschend kam und mich aus dem Nichts getroffen hat. Da hatte ich schon lange dran zu knabbern.

Wie ist Ihr Verhältnis heute zu Löw, haben Sie ihm das nicht übel genommen?

Damals konnte ich das natürlich nicht verstehen. Aber heute haben wir ein ganz gutes Verhältnis. Letztes Jahr haben wir zum Beispiel das Champions-League-Finale Juve gegen Barca zusammen angeschaut.

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