Heynckes: "Der ganze Klub muss wieder befriedet werden"
München - Er kann alles – außer Bairisch. Muss Jupp Heynckes aber auch nicht. Obwohl er sich bei seinem vierten Engagement beim FC Bayern nun schon im 78. Dienstmonat befindet, sagt der gebürtige Mönchengladbacher immer noch "Münschen" statt München, ganz "typi(s)ch" für einen Mann vom Niederrhein. Was jedoch, wie so vieles am 72-Jährigen, irgendwie liebenswert ist.
"Mit Handauflegen ist es nicht getan", hatte der von allen als Retter in der Not gefeierte Trainer vor dem ersten Pflichtspiel seiner Retro-Hilfsmission gewarnt. Nach 1.596 Tagen Rentnerdasein gab Heynckes sein Bundesliga-Comeback mit einem 5:0 gegen den SC Freiburg und wurde dabei euphorischer gefeiert – mit den wiederaufgelegten Sprechchören ("Jupp! Jupp! Jupp!") – als die Spieler bei den Toren.
Seine Jungs, die Altbekannten wie die Sechs-Tages-Bekanntschaften, beschenkten den alten beziehungsweise neuen Coach mit einem 5:0, das nach mehr klingt, als es aussah, weil es ein paar Tore zu hoch ausfiel. Dass Heynckes nach der Partie über das Wasser des Entmüdungsbeckens gelaufen sein soll – ein Scherz. Dass am Abend die Dortmunder 2:3 gegen Leipzig verloren und Bayerns Rückstand auf den Tabellenführer nur noch zwei Punkte beträgt, konnte kein Zufall sein.
Heynckes: "Es muss Ruhe einkehren"
Sein Zauber wirkt. Simsalabim, höchster Saisonsieg – der Heynckes-Effekt ist da. Der Samstagnachmittag war keine Befreiung, aber doch ein Endorphin-Schub nach der Ära Carlo Ancelotti, der eine planlos agierende und teils unfitte Mannschaft hinterlassen hatte. Plus die Hypothek von drei Pflichtspielen ohne Erfolg samt sieben Gegentreffern. Eine enorme Aufgabe für den Friedensengel aus dem Schwalmtal, der bei seinem Freundschaftsdienst für Kumpel Uli Hoeneß laut Karl-Heinz Rummenigge "die Felder peu à peu abarbeiten" muss.
Denn: "Der ganze Klub muss wieder befriedet werden, es muss Ruhe einkehren." Dafür braucht es einen Zwölf-Stunden-Tag. "Ich gehe um 7:15 Uhr aus dem Hotel, fahre zum Trainingsgelände, kehre abends um 20 Uhr zurück", erzählte Heynckes.
Einzelkritik: Die Bayern beim 5:0 gegen Freiburg
Gegen Freiburg war "noch nicht alles wunderbar", so Heynckes, "wir haben noch viel Arbeit vor uns, es kommen schwerere Gegner, dann müssen wir viel souveräner agieren." Die Klaviatur des Lobens und Mahnens zugleich beherrscht er wie kein Zweiter. In seiner ersten Woche führte er zahllose Gespräche, verpasste den zuletzt verunsicherten Spielern verbale Streicheleinheiten. Einige Spieler haben ihm nach Bekanntwerden seiner Rückkehr Glückwunsch-SMS geschrieben, und das "hoch erfreut", berichtete Heynckes.
Jupp bringt neue Energie ins Team
Das Triple 2013, der fortan ewige Referenzpunkt aller künftigen Bayern-Trainer, erwähnt er gerne, dennoch schätzen die Menschen seine Zurückhaltung und Bescheidenheit. "Es kommen viele Leute und sagen: ‘Schön, dass Sie wieder da sind’", berichtete er mit einer Portion Stolz, "ich wurde mit großer Begeisterung begrüßt und aufgenommen – das beflügelt, gibt Rückenwind." Vor seinem Comeback war er trotz aller Jobroutine "angespannt". In einem Boot mit seinen Jungs.
"Ein Trainer muss der Mannschaft demonstrieren: Ich bin einer von euch." Den frenetischen Jubel der Bayern-Fans unter den 75.000 Zuschauern seinetwegen habe er "nicht mitbekommen", weil er noch in den Katakomben weilte. "Schade", sagte er. Nach dem 5:0 war seine Stimme vom Coachen heiser, "du gehst ja als Trainer mit, das ist positiv". Alles vertraut, aber doch eben wieder neu.
Auch für die Spieler. "Er ist immer noch auf der Höhe, durch die vier Jahre Pause hat er im Vergleich zur Mannschaft einen kleinen Frischevorteil", meinte Thomas Müller, in Sachen Heynckes ein alter Hase. Joshua Kimmich, Heynckes-Novize, sagte: "Der Trainer strahlt eine gewisse Ruhe aus. Wenn er etwas anspricht, hört jeder zu." Was schon mal gut ist.
Es ist wieder Zug drin bei Bayern, neue Energie. Und es herrsche wieder Disziplin, sagt Präsident Hoeneß. So schnell geht’s: Heynckes hat’s gejuppt!