Heiko Vogel: "Ich bin Peps Vorarbeiter"

München - Der 39-Jährige Heiko Vogel war von 1998 bis 2007 Jugendtrainer beim FC Bayern, coachte danach Ingolstadt und Basel. 2013 kehrte er nach München zurück und übernahm die U19. Zu Beginn der neuen Saison trainiert er die U23 und fungiert als sportlicher Leiter der Nachwuchsabteilung. Die AZ hat mit ihm über die Situation beim FC Bayern gesprochen.
AZ: Herr Vogel, wie sind Ihre ersten Eindrücke als Chefcoach der U23 und Leiter der Nachwuchsabteilung des FC Bayern?
HEIKO VOGEL: Wir sind mit der U23 seit knapp zwei Wochen im Training. Ich genieße es einfach, auf dem Platz zu stehen. Die Arbeit mit meiner Mannschaft ist einfach das Highlight des Tages. Im Moment bin ich wieder etwas mehr Trainer als Sportlicher Leiter.
Nur Kimmich bei der U21 - fünf Bayern im WM-Finale
Bei der U21-EM ist im deutschen Team bis auf Neuzugang Joshua Kimmich kein Bayern-Spieler dabei. Ihre Aufgabe dürfte es sein, das wieder zu ändern, oder?
Wir machen das nicht an einzelnen Turnieren fest. Als Gegenbeispiel standen im WM-Finale 2014 fünf Spieler in der Startelf, die aus unserer Schule kamen.
Sie haben unter anderem Philipp Lahm, Thomas Müller, Toni Kroos und Mats Hummels als Jugendliche trainiert.
Das war ein ergreifender Moment für mich, als Philipp Lahm den WM-Pokal in die Höhe gestemmt hat. Da kamen Erinnerungen hoch, wie ich ihn in der U16 erlebt habe. Natürlich bin ich stolz, dass ich Wegbegleiter sein durfte.
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Anspruch bei Bayern ist Weltklasse
Ist es nicht schwierig, sich als Talent beim FC Bayern in einer so starken Profimannschaft zu behaupten?
Der Anspruch beim FC Bayern ist Weltklasse. Das hat in den vergangenen Jahren ein neues Extrem erreicht. Es wird in der Zukunft nicht einfacher.
Und der letzte A-Jugendtitel liegt elf Jahre zurück.
Wir haben es in schöner Regelmäßigkeit geschafft, Spieler aus unseren Reihen in die Profimannschaft zu bekommen. Deshalb lasse ich die Kritik, dass in den elf titellosen Jahren in der A-Jugend etwas schiefgelaufen ist, nicht gelten. Mit Kroos, Müller und Badstuber waren wir 2007 im Finale. Titel sind nicht der Gradmesser. Das heißt aber nicht, dass alles optimal gelaufen ist.
"Bin Guardiolas Vorarbeiter"
Wie läuft Ihre Zusammenarbeit mit Pep Guardiola?
Wenn Pep sich Zeit für ein Gespräch nimmt, ist das immer wunderschön. Der Austausch ist sensationell. Ich sehe mich in gewisser Weise als Guardiolas Vorarbeiter. Wenn junge Talente bei ihm mittrainieren, sollen sie den Einstieg möglichst leicht haben. Also sind viele Dinge an Peps Training angeglichen. Meine Aufgabe ist es auch, dafür zu sorgen, dass diese Philosophie den Weg von der U23 über die U19 und U17 bis in die jüngeren Mannschaften findet.
Den Vergleich zu Barcelonas Nachwuchsakademie „La Masia“ hören Sie nicht gerne, warum?
Weil wir Bayern München sind. Ich lehne derartige Vergleiche ab, weil wir sozio-kulturell von einem ganz anderen Umfeld geprägt werden. „La Masia“ macht das supergut. Aber: Mia san mia.
Guardiola hat seinem Team in Barcelona Gedichte vorgelesen. Ist so etwas auch für Sie vorstellbar?
Durchaus. Manche Dinge kann man nicht besser formulieren, als es in der Literatur schon getan wurde. Es muss aber in der Situation passen. Und man muss darauf achten, dass sich so etwas nicht abnutzt. Wenn ich jedes Mal aus Goethes Faust oder Schillers Glocke vorlese, nehmen einem die Spieler das nicht ab. Sie sehen ja in mir den Fußballtrainer – und nicht den Poeten.
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Hoeneß und der Nachwuchs des FC Bayern
Welche Rolle hat Uli Hoeneß in der Nachwuchsabteilung?
Er ist ein Macher. Er stellt kritische Fragen und ist immer Teil der Lösung. Ich habe selten so einen tatkräftigen Menschen gesehen. Dinge, die sich ändern müssen, versucht er sofort zu ändern. Ich profitiere sehr von ihm und seinem riesigen Erfahrungsschatz. Er will alles wissen, fragt nach, wie es bestimmten Talenten geht – und zeigt sein Mitgefühl, wenn jemand verletzt ist. Er ist da omnipräsent, aber trotzdem dezent.
Ist er ein direkter Ansprechpartner für die Talente?
Ich sehe ihn als Wegbegleiter, der sich ab und zu die Talente auch mal zur Seite holt. Er hat eine tolle Sensibilität und weiß, was er zum richtigen Zeitpunkt machen muss. Nach dem Spiel der U19 vergangene Saison in Mainz kam er in die Kabine, hat jedem Spieler gratuliert und die Hand gegeben. Das war für die Jungs ein beeindruckendes Erlebnis, da haben die Augen gestrahlt. Er kann eine unglaubliche Energie weitergeben.
Sie gelten als Entdecker von David Alaba und Toni Kroos.
Ein Entdecker ist für mich Kolumbus. Alaba oder Kroos zu entdecken, war wirklich kein Kunststück. Die beiden waren einfach herausragend. Bei Kroos hatten wir gefühlte 1000 Konkurrenten, von Chelsea bis Real Madrid. Wir mussten dafür sorgen, dass er sich für uns entscheidet, obwohl er in Werder-Bremen-Bettwäsche geschlafen hat (lacht). Auch da kommt Uli Hoeneß wieder ins Spiel. Ohne ihn wäre Kroos nicht nach München gekommen, ohne Heiko Vogel schon.
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"Franz wollte auch eher zu Sechzig"
Alaba ist vorerst der Letzte, der aus dem Nachwuchs kam und sich bei den Profis durchgesetzt hat.
Manchmal ist es keine Frage der Philosophie und Selektion, sondern des notwendigen Quäntchen Glücks. Franz Beckenbauer wollte auch eher zu Sechzig wechseln und ist nach der Backpfeifen-Affäre beim FC Bayern gelandet.
Wäre es nicht reizvoll, irgendwann wieder Chefcoach einer Profimannschaft zu sein?
Ich bin sehr glücklich mit dem, was ich jetzt mache. Da kann kommen, wer will, ich bleibe hier. Ich kann mir keine schönere Aufgabe vorstellen. Und wenn wir es zeitnah schaffen, in die 3. Liga aufzusteigen, wäre das für mich vergleichbar mit einem deutschen Meistertitel woanders.