Guardiola: Hat er die richtigen Spieler für sein System?

Das Debakel gegen Real Madrid stellt den FC Bayern vor eine Zerreißprobe: Trainer Pep Guardiola nimmt die Schuld für das 0:4 auf sich – und wirft die Frage auf, ob er für sein System die richtigen Spieler hat.
SID |
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Das Debakel gegen Real Madrid stellt den FC Bayern vor eine Zerreißprobe: Trainer Pep Guardiola nimmt die Schuld für das 0:4 auf sich – und wirft die Frage auf, ob er für sein System die richtigen Spieler hat.

München - Es ging auf Mitternacht zu, als Pep Guardiola ein paar Sätze mit großer Sprengkraft sagte. Nicht nur, dass der Trainer für das schlimmste Debakel des stolzen FC Bayern in dessen 48-jähriger Europapokal-Geschichte die Verantwortung übernahm. Nein, nach diesem in höchstem Maße demütigenden 0:4 (0:3) im Halbfinal-Rückspiel der Champions League gegen Real Madrid stellte ein erregter, ja zorniger Guardiola öffentlich die Frage, ob für seine Idee von Fußball in München überhaupt die richtigen Spieler zur Verfügung stehen. Rumms!

Damit scheint klar: Nur vier Monate nach dem erfolgreichsten Jahr der Vereinsgeschichte mit fünf Titeln und nur einen Monat nach dem frühzeitigsten Gewinn der Meisterschaft steht dem FC Bayern ein (Spiel-)Kulturkampf bevor. Eine Zerreißprobe droht.

Guardiola betonte zwar, er habe taktisch einen "Riesenfehler" gemacht. Er bekräftigte aber auch, er werde die Spielidee von der Kontrolle durch Ballbesitz nicht aufgeben. Er sagte: "Natürlich müssen wir uns überlegen, ob das mit diesen Spielern das beste Rezept ist."

Vermutlich ahnten die Verantwortlichen des deutschen Rekordmeisters bereits, dass Guardiola nun, da das Triple-Double eine Illusion bleibt, alles in Frage stellen würde. Der leichenblasse Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge bat daher darum, dass "wir jetzt nicht die Nerven verlieren dürfen". Fast flehend ergänzte er, dass "wir rational bleiben müssen".

Eine Analyse "nach dieser Saison", wie sie Sportvorstand Matthias Sammer anmahnte, kann freilich zu spät kommen: Am 17. Mai spielt der FC Bayern das DFB-Pokalfinale gegen Borussia Dortmund.

Doch da ist zunächst diese historische Niederlage. Mit vier Toren Unterschied hat der FC Bayern im Europapokal schon ein paar Mal verloren – zu Hause aber noch nie (in der Bundesliga zuletzt am 10. März 1979 gegen Arminia Bielefeld/0:4). Dass es diesmal so weit kam, nahm Guardiola auf seine Kappe: Seine Mannschaft habe das Spiel deshalb "nicht kontrolliert, weil das der Trainer nicht gut gemacht hat". Er habe Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos auf die Doppelsechs gestellt – "ein Riesenfehler". Die Folge: keine Kontrolle.

Doch das alleine war es nicht. Die ersten beiden Treffer für die in jedem Detail besseren Königlichen fielen nach ruhenden Bällen, beide Male köpfte Sergio Ramos ein (16., 20.). Die hilflosen, ratlosen und harmlosen Münchner wurden danach noch einmal ausgekontert und einmal düpiert, als der Ball bei einem Freistoß unter der Mauer durchgeschossen wurde – beide Male traf Cristiano Ronaldo (34., 90.), der mit 16 Treffern in einer Champions-League-Saison nun Rekordtorschütze ist.

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Kurios: Mit einer Ausnahme hatte Guardiola im Rückspiel jene Mannschaft aufgeboten, die in der vergangenen Saison ab dem Viertelfinale der Champions League die Stammformation von Jupp Heynckes war – und schließlich das Endspiel gewann. Einziger Unterschied: Kroos spielte anstelle von Javi Martínez, der erst in der zweiten Halbzeit kam. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang der entlarvende Satz von Philipp Lahm: "Real Madrid hat ähnlich gespielt, wie wir es letztes Jahr gegen Barcelona gemacht haben."

Vor einem Jahr gewann ein von sich überzeugter FC Bayern 4:0 und 3:0 gegen die vermeintliche Übermannschaft FC Barcelona, die ein System spielte, das ihr Guardiola gelehrt hatte. Nun erlebte der Spanier das Debakel, sein schlimmstes als Trainer, leibhaftig mit.

Und warum? "Wir hatten keine Kontrolle", sagte Arjen Robben. Grund? "Wir waren taktisch nicht so gut wie im Hinspiel" (0:1), sagte Kapitän Lahm, der auch betonte: "Viel Ballbesitz ist besser als das, was wir gespielt haben."

Der FC Bayern hat eine Systemdiskussion am Hals. Manndeckung bei Eckbällen oder Raumdeckung, wie sie Guardiola bevorzugt? Spielkontrolle durch totale Ballkontrolle? "Wir hinterfragen immer alles", sagte Lahm.

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Und es stellt sich die Frage nach dem Personal – nie hat ein Thiago, Guardiolas erklärter Wunschspieler, so gefehlt. Rummenigge kündigte an, Guardiola habe Einfluss bei Spielerverpflichtungen, Finanzvorstand Hans-Christian Dreesen versicherte, Guardiola werde seine Wünsche, so er sie habe, erfüllt bekommen. Sicher sind bislang nur die Wechsel von Sebastian Rode und Robert Lewandowksi – gegen den es für den FC Bayern jetzt aber erst mal im Finale um den DFB-Pokal darum geht, aus einer "guten eine sehr gute Saison zu machen", wie Sammer betonte. "Das wird ein wichtiges Spiel", sagte Franck Ribéry, der für eine Ohrfeige gegen Daniel Carvajal vom Platz gemusst hätte.

Bis dahin aber muss sich der FC Bayern fangen. "Ich weiß nicht", sagte Thomas Müller mit leerem Blick, "wie wir mit dieser Klatsche umgehen sollen." Arjen Robben schlug vor: "Akzeptieren, weinen, nach Hause gehen, weitermachen." Der siegreiche Trainer Carlo Ancelotti versicherte derweil: "Die Philosophie von Guardiola ist nicht am Ende." Was noch zu klären ist.

 

 

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