Gaudino: „Vater und Berater? Das ist schwierig“

AZ: Herr Gaudino, am Dienstag feiert ihr Sohn Gianluca seinen 18. Geburtstag. Der nächste Einsatz bei den Profis dürfte ganz oben auf der Wunschliste stehen, oder?
MAURIZIO GAUDINO: Er arbeitet darauf hin, er ist ja noch in der Lehre. Wenn der Tag X kommt, wird er bereit sein.
Durch den vorzeitigen Gruppensieg der Bayern in der Champions League entstehen wieder mehr Möglichkeiten zur Rotation. Auch ihr Sohn könnte davon profitieren...
Ja, der Trainer kann den ein oder anderen jungen Spieler mal wieder mit einbauen. Wichtig ist, dass mein Junge bei den Profis trainiert und alles in sich aufsaugt.Pep Guardiola hat das nötige Fingerspitzengefühl für junge Spieler.
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Wenn man mit 17 so durchstartet, will man sicher mehr. Ist es manchmal schwierig für ihn, die Erwartungen an sich selbst zu bremsen? Müssen Sie da nachhelfen?
Das kann er selber einschätzen. Er ist kein Spieler, der ungeduldig ist. Ohne andere Vereine abwerten zu wollen, aber: Wir reden vom FC Bayern. Wenn man da in jungen Jahren reingeworfen wird, dann achtet die ganze Welt darauf.
Nach dem ersten Spiel gegen Wolfsburg hat er von allen Seiten viel Lob erhalten. Wie hat er seinen Traumstart verdaut?
Er war froh und stolz, dabei sein zu können. Das Wichtigste war für ihn, dass er sieht: Ich kann da oben auch Fußball spielen. Wenn man als junger Spieler da reingeworfen wird und es nicht so läuft, kann man auch einen Knacks kriegen.
Waren Sie überrascht, wie abgeklärt er aufgetreten ist?
Natürlich. Wir waren ja alle überrascht. Klar wusste ich um die Qualitäten. Aber die Spielweise, die er an den Tag gelegt hat, war schon toll. Das war auch für mich erstaunlich.
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Er scheint ein wenig von ihrem Talent geerbt zu haben...
Es ist für beide Seiten nicht gut, da Vergleiche zu ziehen. Er ist ein eigenständiger, richtig guter Fußballer. Technisch ist er stark, hat eine gute Übersicht. Er ist gerade am Anfang einer hoffentlich schönen Karriere.
Guardiola hat über ihren Sohn gesagt: „In diesem Alter kannst du nicht besser spielen.“ Was denken Sie, wenn Sie so etwas hören?
Das macht einen natürlich stolz, wenn ein Guardiola so etwas sagt. Das Schöne ist: Er bewertet das aus einer anderen Ebene als ich als Vater.
Ihr Sohn hat sich beim FC Bayern den vielleicht schwierigsten Weg zur Profikarriere ausgesucht...
Die Konkurrenz ist ja nicht gering. Da verletzt sich einer und dann wird kurzfristig Xabi Alonso geholt. Da haben viele gesagt: Und was wird aus deinem Sohn? Ich sage: Es ist genau das Richtige für ihn, von diesen Spielern zu lernen und geführt zu werden. Eine bessere Lehre kann er nicht machen.
Gianlucas Ausbildungsvertrag läuft im Sommer aus. Haben Sie schon entschieden, wie es danach weitergeht?
Wir sind in Gesprächen mit dem FC Bayern. Es ist aber noch keine definitive Entscheidung gefallen. Er genießt jeden Tag mit den Profis.
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Lahm oder Alaba haben sich zum Anfang ihrer Karriere für ein Ausleihgeschäft entschieden. Käme so ein Modell für ihren Sohn infrage?
Vorstellbar ist das. Das entscheidet ja immer der Trainer, ob er einen Spieler hier wachsen sehen möchte oder ob er sagt: Im Moment ist der Junge noch weit von dem entfernt, was der Trainer sich vorstellt.
Dann doch lieber nach dem Vorbild von Bastian Schweinsteiger oder Thomas Müller, die es direkt vom Jugend- ins Profiteam geschafft haben?
Natürlich ist das immer der schönere Weg. Aber auch Müller war ja unter Jürgen Klinsmann kurz davor, wegzugehen und auf einmal ist er unter Louis van Gaal durchgestartet. Es ist immer schön, im eigenen Verein groß zu werden.
Sie sind auch Berater Ihres Sohnes. Ist es eigentlich manchmal schwierig, zwischen der Rolle als Spielerberater und der des Vaters zu trennen?
Bis jetzt klappt es aber ganz gut. Gianluca und ich haben ein sehr gutes Verhältnis. Natürlich stehe ich ihm mit Rat und Tat zur Seite, aber nicht so, dass ich ihm meine Ratschläge aufzwinge. Wenn er zu mir kommt, kann ich natürlich mit ihm über gewisse Dinge reden. Er ist kein Spieler, bei dem ich mich sorgen muss, dass er ausflippt. Dass ich jetzt auch noch zufällig Berater bin, ist nicht immer einfach und eher eine unangenehme Sache.
Inwiefern unangenehm?
Als Vater ist es immer schwierig, wenn ich über meinen Sohn spreche. Ich kann ja schlecht überall hingehen und sagen: Mein Sohn ist der Beste. Ich bin da eher zurückhaltend.
Ihr Ex-Verein Eintracht Frankfurt hat die letzten vier Pflichtspiele verloren. Nicht die besten Voraussetzungen, um jetzt gegen Bayern zu spielen, oder?
Frankfurt hat teilweise unglücklich verloren. Das wird in der Bundesliga direkt bestraft. Man könnte aber auch sagen: Der FC Bayern kommt jetzt genau richtig, weil man da nichts zu verlieren hat.
Sie glauben also an eine Überraschung?
Dafür müssten alle Faktoren mitspielen. Bayern dürfte 50 bis 60 Prozent der Leistungsstärke erreichen, Frankfurt müsste 120 Prozent bringen. Das ist der große Unterschied im Moment zwischen Bayern und dem Rest der Welt. Bayern ist unter Guardiola zu einer Übermannschaft geworden.