Fritz von Thurn und Taxis im Interview über Nachfolger von Jupp Heynckes

München - Die AZ hat mit Fritz von Thurn und Taxis gesprochen. Der 67-jährige Österreicher begann seine Journalistenkarriere beim Bayerischen Rundfunk. Ab 1993 kommentierte er bei Premiere (später Sky), letztmals beim Pokalfinale 2017. (Lesen Sie dazu: Fritz von Thurn und Taxis - "Ich habe alles gesehen")
AZ: Herr von Thurn und Taxis, Sie haben dieses Jahr im Mai Ihr letztes Fußballspiel kommentiert. Hand aufs Herz, tut’s immer noch weh?
Fritz von Thurn und Taxis: Nein, aber ich wusste nicht, was passieren wird. Bin ich nach meinem Abschied traurig? Verfalle ich in Depressionen? Nein. Die Entscheidung war richtig, ich trauere den alten Zeiten nicht nach.
Dennoch sieht man Sie bei Eurosport des Öfteren als Talk-Gast. Als Kommentator erlebt man Fritz von Thurn und Taxis nicht mehr?
Ich bin müde, habe den Job 46 Jahre gemacht. Ununterbrochen an der Front. Ich glaube, es gibt im Moment keinen Reporter im TV-Bereich, der das so lange gemacht hat.
Seit 1993 haben Sie für Premiere, jetzt Sky, gearbeitet.
Mein Abschied war ein Traum, hätte nicht schöner sein können. Eine wunderbare Feier mit rund 100 Leuten in der Kantine von Sky. Vorher sagte mir Sportvorstand Roman Steuer: "Fritz, komm’ mit deinem großen Auto." Ich meinte: "Ich habe nur ein kleines." Er antwortete: "Du wirst aber Platz brauchen." Dann habe ich mit meiner Frau überlegt: "Was werden die mir wohl schenken? Vielleicht ein Abo und einen schönen neuen Fernseher?" Weit gefehlt! Weil es vorher in einem Kommentar in der BILD hieß, man müsse mir ein Denkmal setzen, bekam ich tatsächlich eins. In Lebensgröße! 1,90 m hoch. Angezogen. Mit Schnurrbart, mit allem Drum und Dran. Das Ding passte tatsächlich nicht ins Auto, wurde mir einen Tag später geliefert. Als es klingelt, rufe ich: "Wer ist da?" – "Post!" "Was haben Sie denn?" – "Einen Mann?!" – "Ah, ich weiß schon."

Wo steht das gute Stück heute?
Im Speisezimmer, rechts an der Tür, etwas versteckt. Wenn meine Frau und ich wegfahren, kümmern sich Nachbarn um Blumen und Briefkasten. Wir hatten nichts gesagt, die gute Dame ist beim ersten Mal Blumen gießen beinahe in Ohnmacht gefallen vor Schreck. Selbst ich erschrecke immer noch, wenn ich mich da sehe. Weil die Figur im Gesicht so blass ist, hat meine Frau sie geschminkt und ihr eine Kappe aufgesetzt.
Zum letzten Mal am Mikrofon erlebte man Sie beim Pokalfinale Dortmund gegen Frankfurt Ende Mai.
Für mich war das Pokal-Halbfinale Bayern gegen Dortmund emotionaler, das vorweggenommene Endspiel. Als ich damals nach der Partie aus dem Parkhaus des Stadions gefahren bin, kroch plötzlich Wehmut in mir hoch. Da wusste ich: Okay, jetzt ist es bald zu Ende. Das ging mir nahe. Ähnlich beim letzten Spiel, das ich aus der Allianz Arena kommentiert habe, das Heimspiel der Bayern gegen Freiburg am 34. Spieltag.
"Die Anfragen rund um meinen Abschied rissen nicht ab"
Es war die Zeit, als nach Spott und Anfeindungen plötzlich ein riesiger Hype um Ihre Person entstand, auf Twitter unter dem Hashtag #fritzlove.
Ja, plötzlich wurde es Liebe, eine späte Liebe. Die Anfragen rund um meinen Abschied rissen nicht ab. Rund um das Pokalfinale war ich gewaltig im Stress, hier ein Termin, dort ein Interview. So viel Trubel, dass es mir gar nicht möglich war, irgendwelche Gefühle zuzulassen.
Ihre "letzten Worte" – verzeihen Sie die Formulierung – lauteten: "Einen Handkuss den Damen, und einen schönen guten Abend den Herren und der Jugend. In diesem Sinne: Es war mir eine Ehre, für Sie zu arbeiten."
Das habe ich mir erst am Spieltag überlegt. Vorher wurde ich bedrängt: Du musst was sagen! Was wirst du denn sagen?
Und wie kamen Sie auf Ihre spezielle Verabschiedung?
Als kleiner Bub habe ich viel österreichisches Fernsehen geschaut. Kurt Jeschko, ein Sportmoderator aus den 60er Jahren, ebenfalls in Linz geboren, ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Ein feiner Mensch mit weißen Haaren und nur einem Arm, eine Kriegsverletzung, der beim Liebesakt mit der ehemaligen Eiskunstläuferin und späteren Moderatorin Ingrid Wendl die Welt verlassen hat. Ein schöner Tod. Und Jeschko hat immer gesagt: "Einen Handkuss den Damen und einen schönen guten Abend den Herren und der Jugend." Das kam mir in den Sinn, das war meine Reminiszenz an ihn.
Was machen Sie nun mit der neu gewonnenen Freiheit?
Es kommen viele Einladungen für TV-Sendungen oder Web-Shows. Dennoch habe ich jetzt viel mehr Raum und Zeit, meine Frau und ich haben Abos für beide Orchester in der Philharmonie. Letztens meinte Bea zu mir: "Du bist jetzt viel freier, nicht mehr so abgehetzt." Ich komme besser in den Tag rein, habe zwei, drei Termine, die ich aber dann mit privaten Dingen verbinde.
Philipp Lahm, Xabi Alonso und Sie – das sind die Rücktritte des Jahres 2017. Ein anderer, Jupp Heynckes, fünf Jahre älter als Sie, ist der Rückkehrer des Jahres.
Eine enorme Leistung und sehr, sehr mutig. Ich hatte ihn wirklich nicht auf der Rechnung. Jupp macht es für den Verein und für Uli Hoeneß, daran sieht man, was Freundschaft bedeuten kann. Für dieses Abenteuer hat er ganz klare Bedingungen gestellt: Nicht ohne meine Co-Trainer! Nicht ohne Hermann Gerland und Peter Hermann. Koste es, was es wolle. Er wollte sich nicht noch mal auf einen anderen Assistenten einstellen, hat Hoeneß sicher gesagt: Das kannst du von mir nicht mehr verlangen.
1987 hat Heynckes erstmals den Trainer-Job bei Bayern übernommen. Wie war es damals, mit ihm zusammenzuarbeiten?
Damals war Jupp eher spröde und misstrauisch, kam im Fernsehen nicht so gut rüber. Viele Kollegen waren ihm gegenüber eher reserviert, aber ich hatte schon immer ein gutes Verhältnis zu ihm und mochte ihn. Heute ist er vor der Kamera ein ganz anderer.
Sein Freund Hoeneß hat ihm die Tür aufgemacht, eventuell noch ein Jahr dranzuhängen an seine acht Monate Rettungsmission.
Das war nicht in Ordnung. Wir alle kennen den Uli. Das hat er nicht bewusst gesetzt, das kam aus der Emotion heraus.
Heynckes hat ihm eine deutliche Abfuhr erteilt.
Jupp hat die Welt nicht mehr verstanden, wohl gedacht: Hör’ auf mit dem Schmarrn! Ich glaube nicht, dass er sich diesen Stress noch ein weiteres Jahr zutraut. Auch wenn er gesundheitlich noch gut beisammen ist, denke ich, eine weitere Saison möchte er sich nicht mehr antun. Ich halte es für unwahrscheinlich.
Bleibt die Frage nach Heynckes’ Nachfolger für den kommenden Sommer.
Für Julian Nagelsmann ist das Zeitfenster zu eng geworden. Drei Jahre Ancelotti wären optimal gewesen, dann hätte er ihm 2019 nachfolgen können. Aber nicht früher, da fehlt ihm die Erfahrung. Thomas Tuchel halte ich für problematisch, weil er ein ähnlicher Typ wie Pep Guardiola ist. Der interessiert sich für nichts anderes als für sein System, für Dreier- und Viererketten und so weiter. Bei einem Traditionsklub sollte man anders auftreten, die Fans mitnehmen und sich den Bedürfnissen der Medien nicht verschließen. Also wäre Tuchel nicht die richtige Wahl, aber ich glaube, das wissen die Bayern auch. Wenn man alles abwägt, finde ich, dass Ralph Hasenhüttl im Moment die wahrscheinlichste Lösung wäre. Plan B könnte Niko Kovac sein.