Letztes Spiel der Reporter-Legende: Servus, Fritz!
München - Aufhören, wenn es am schönsten ist. Wenn die Leute traurig sind, einen mit Zuneigung überhäufen. Friedrich Leonhard Ignatius Josef Maria Lamoral Balthasar von Thurn und Taxis, der persönliche Nachrichten immer mit FTT zeichnet, hat es geschafft.
Der "große Fritz" geht in Rente, zumindest am Mikrofon von Sky, für die er seit 1993 rund 700 Spiele kommentierte. Als die Abschiedstournee bekannt wurde, traten die Nörgler in den Hintergrund, die ihn als Nervensäge abkanzelten. Er sagt: "Nur wenn wir Reporter polarisieren, werden wir unverwechselbar."
Geschafft. Über Twitter machte der Hashtag #fritzlove die Runde. Huiuiuiuiui! Für den Österreicher artete die Anerkennung eher in Stress aus. Vor dem Pokal-Finale am Samstag zwischen Dortmund und Frankfurt kam FTT kaum zur Ruhe, zig Anfragen und Auftritte. "Mein lieber Herr Gesangsverein. Ich muss mich vorbereiten." Nach diesem Wochenende macht Thurn und Taxis mit seiner Frau erstmal eine Woche Urlaub auf der Seenplatte in Mecklenburg-Vorpommern. Gute Idee. Oder wie FTT sagen würde: "Brrrima!"
Die AZ hat Wegbegleiter um ein paar Worte zu seinem Ausstand gebeten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bitteschön.
Reporter: Marcel Reif. Foto: R’steiner/AK
Ihn vergisst man nie!
Marcel Reif (67), Journalisten und Autor, bis letzten Sommer Live-Kommentator bei Sky:
"Zum ersten Mal getroffen habe ich Fritz bei der Eishockey-WM 1985 in Prag, als ich damals für das ZDF im Einsatz war. Ich dachte mir: Wie kann ich nur einmal so werden? Ich habe in all den Jahren in unserer Branche kaum einen loyaleren und freundlicheren Menschen getroffen als Fritz. Und das völlig unabhängig von Ranglisten und Ansetzungen innerhalb der Kommentatoren-Riege, was gewisse Spiele und Termine betraf. Egal, wer für welches Spiel eingeteilt wurde, von seiner Seite gab es dazu nie einen bösen Zungenschlag oder Ähnliches. Das hatte stets viel Größe. Er ist ein feiner Mensch – im besten Sinne des Wortes. Solche Menschen, solche Kollegen vergisst man nie. Ich freue mich, dass Fritz nun, in den letzten Wochen und Monaten vor seinem Abschied bei Sky, diese hohe Wertschätzung erhält. Und gerade auch von denjenigen, die sich in den letzten Jahren immer mal wieder an ihm abgearbeitet haben."
Kult-Reporter Hartmann. Foto: dpa
Seine Durchlaucht
Waldemar "Waldi" Hartmann (69), Journalisten und Moderator:
"Fritz von Thurn und Tutnix, wie wir ihn liebevoll in der Redaktion nannten, gehört zu den Menschen, die auch in der Natur überleben würden, weil sie keine natürlichen Feinde haben. Fritz habe ich niemals sauer, böse oder gar laut erlebt. Er war immer ein Mann des Ausgleichs. Allerdings hatte er auch klare Vorstellungen vom Leben. Da gehörten jedoch Attitüden – wie sie sich der kleine Max vielleicht bei einem Mitglied des Adels vorstellt – überhaupt nicht dazu. Er legt keinerlei Wert auf seinen Titel. Ein Kollege beim BR spielte ihm einst einen Streich. Fritz war ja lange Zeit auch Kommentator beim Alpinsport. Bei einem Weltcup in Österreich warnte der liebe Kollege an der Hotelrezeption das Personal vor, dass der gleich eintreffende Herr von Thurn und Taxis größten Wert auf korrekte Ansprache lege. Fritz wurde dann vom Empfangschef bis zum Kellner überschwänglich und mit tiefer Verbeugung als ,Seine Durchlaucht’ angesprochen und derart behandelt. Am zweiten Tag wollte Fritz deswegen das Hotel wechseln. Dann klärte der Kollege das ganze Theater auf. Die Österreicher fanden es trotzdem schade. Titel zelebriert man dort so gerne."
Gruppenbild mit Pokal: Markus Othmer und Fritz von Thurn und Taxis.
Ein Grandseigneur
Markus Othmer (52), moderiert u.a. seit 2005 "Blickpunkt Sport" im BFS:
"Fritz war nach dem 34. Spieltag mein Gast in der letzten ,Blickpunkt Sport’-Sendung vor der Sommerpause. Er hat alle Mitarbeiter, die er noch aus seiner Zeit beim BR kannte, so herzlich begrüßt, als wäre er nie weg gewesen. Er ist der einzige Kollege, über den wirklich niemand etwas Negatives erzählt. Weil er immer freundlich, immer aufmerksam ist und für ihn immer der Mensch und nicht der Mächtige im Mittelpunkt steht.
Wir haben uns beim BR die Klinke in die Hand gegeben. Als er 1993 zu Premiere wechselte, habe ich seinen Moderationsplatz im ,Blickpunkt Sport’-Team übernommen und ihn schon damals für seine Art bewundert. Er ist ein Grandseigneur."
ZDF-Reporter Béla Réthy. Foto: dpa
Ein Gentleman tritt ab
Béla Réthy (60), seit 1991 als Live-Fußballkommentator für das ZDF tätig:
"Mit ihm verlässt ein großer Gentleman die Bühne. Ich kenne ihn noch aus den 90er Jahren, als Fritz noch beim Bayerischen Rundfunk war – und damals keineswegs nur für Fußball zuständig war. Auch Eishockey und Ski alpin waren immer mit seiner Stimme verbunden. Auch in der allergrößten Hektik behielt er seine Ruhe und seine Gelassenheits-Attribute, die auch zwingend nötig sind, um erfolgreich in diesem aufgeregten Geschäft zu bestehen.
Schade, dass wir uns in Zukunft wohl nicht mehr so oft über den Weg laufen werden, um bei einer Zigarette ein amüsantes Gespräch zu führen.
Sky-Mann Wolff Fuss. Foto: dpa
Die Menschwerdung des Hochadels
Wolff Fuss (40), seit 2012 Live-Kommentator bei Sky:
"Eine der prägenden Persönlichkeiten der Sport-Branche verlässt die große TV-Bühne. Für mich war Fritz immer mehr als ein Kollege: beruflicher Ratgeber und väterlicher Freund. Noch heute weiß ich: Ruft er mich nach einem Kommentar an und sagt ,Es war gut, Junge’, dann war es wirklich gut. Und, das Allerwichtigste: Er war und ist immer Mensch geblieben. Er hatte nie etwas Oberlehrerhaftes oder gar Boshaftes. Auch in den letzten Wochen wirkte er weder verbittert noch verärgert ob seines Karriereendes. Ein bisschen wehmütig vielleicht, aber doch erfüllt. Ein großer Kommentator tritt ab, ein großer Mensch bleibt.
Meine schönste Geschichte mit Fritz ereignete sich vor vielen Jahren im Stadion Old Trafford in Manchester. Wir kommentierten für unterschiedliche Sender. In England herrschte bereits Rauchverbot in den Stadien, was mir bekannt war, ihm offenbar nicht. Ich saß zwei Reihen hinter ihm und beobachtete, wie er sich in der Halbzeit genüsslich eine ansteckte. Wie immer tat er dies mit Streichhölzern. Irgendwie lässt das bei ihm den Entzündungsmoment äußerst feierlich wirken.
Uns, die wir hinter ihm saßen und die Situation genau im Blick hatten, war klar, was passieren würde. Er schob sich also die Zigarette zwischen die Zähne, entzündete das Streichholz und inhalierte mit wohliger Zufriedenheit den ersten Zug. Es hat bei ihm fast etwas Helmut-Schmidt-Haftes. Es dauerte trotzdem nur Bruchteile von Sekunden, bis zwei Ordner zu seinem Platz gestürzt kamen und wild auf ihn einredeten. Auf Rauchen in englischen Stadien steht sofortiger Verweis, Stadionverbot und wahrscheinlich Frondienste bei Hofe.
Mit seinem unnachahmlichen Charme konnte er die Ordner trotzdem überzeugen, dass ihm dieses Verbot noch nicht geläufig war. Nach einem nun deutlich hastigeren zweiten Zug beendete er das Rauchvergnügen vor den Augen der Stewards. Sie beließen es bei einer Ermahnung. Wir lachten und feixten, applaudierten. Fritz drehte sich etwas verstohlen grinsend zu uns um. Noch heute firmiert diese Geschichte bei uns beiden unter dem Arbeitstitel: Die Menschwerdung des Hochadels."
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