Freund, Dreesen, Neppe – Eberl? Präsident Hainer erklärt den neuen Bayern-Weg
München – Teil 2 des großen AZ-Interviews mit Herbert Hainer: Der Bayern-Präsident spricht unter anderem über die präzisierten Werte des Rekordmeisters, seine Erwartungen an Sportchef Christoph Freund, die Zukunft des Technischen Direktors Marco Neppe, die Personalie Max Eberl sowie den steigenden Einfluss von Saudi-Arabien im Fußball.
AZ: Am Samstag geht es mit dem Heimspiel gegen Heidenheim weiter, Sonntag steht dann ebenfalls ein wichtiger Termin an: die Jahreshauptversammlung. Der FC Bayern hat im Vorfeld gemeinsam mit seinen Mitgliedern einen Antrag zur Satzungsänderung erarbeitet, über den nun abgestimmt wird. Was sind die wichtigsten Neuerungen in der Satzung?
HERBERT HAINER: Zunächst muss man sagen, dass die Satzung in 123 Jahren immer wieder angepasst wurde, weil sich die Zeiten ja ändern. Wir sitzen nicht im Elfenbeinturm oder im stillen Kämmerlein, sondern schreiben den Dialog mit unseren Fans groß und haben auch das gemeinsam mit unseren Mitgliedern umgesetzt. Der Prozess war transparent wie nie, am Ende haben alle beteiligten Mitglieder zugestimmt, dass der Antrag in dieser Form auf der Jahreshauptversammlung vorgelegt werden soll. Jetzt wünschen wir uns, dass viele Mitglieder kommen – denn das ist gelebte Demokratie. Ein Verein sollte eine lebendige Demokratie sein, und dazu gehört, dass möglichst Viele über die Interessen von über 300.000 Mitgliedern entscheiden sollen. In der Satzung gibt es ein paar wichtige Anpassungen.
Und zwar?
Zum einen ist es die Art, wie man zukünftig Anträge stellen kann. Bislang konnte das Präsidium Anträge genehmigen oder ablehnen. Künftig würde der Ehrenrat entscheiden, und sollte der Antrag abgelehnt werden, kann sich der Antragstellende noch mal schriftlich oder persönlich äußern. Des Weiteren können Mitglieder in Zukunft dem Verwaltungsbeirat Vorschläge zur Besetzung des Präsidiums machen. Und es kann über die Art der Durchführung der Jahreshauptversammlung entschieden werden. Prinzipiell wollen wir immer eine Präsenzveranstaltung, das ist die Essenz des Vereinslebens. Nur bei Ausnahmesituationen wie einer Pandemie wäre eine digitale oder hybride Form eine Alternative. Klar ist: Durch diese neue Satzung würden die Rechte der Mitglieder insgesamt weiter gestärkt.
Hainer: "Neben dem Platz steht der FC Bayern für Respekt, Toleranz und Miteinander"
Außerdem wurde der Punkt "Werte" in dem Antrag zur Satzungsänderung angepasst. Für welche Werte will der FC Bayern stehen?
Neben dem sportlichen Erfolg steht der FC Bayern für Respekt, Toleranz und Miteinander. Wir haben im gesellschaftlichen Bereich auch 2023 sehr viel umgesetzt – intern wie nach außen: Auf den Trikotärmeln ist unsere Initiative "Rot gegen Rassismus" zu sehen, genauso auf den Autogrammkarten, den Mitgliedsausweisen und in unseren Spielstätten. Wir haben mit dem Fanclub "Red Deaf" Gebärdennamen für unsere Spielerinnen und Spieler entwickelt, bei der Erinnerungsarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde ein gemeinsames Wochenende gestaltet, Workshops zum Thema Diversität abgehalten, uns wieder mit "Queerpass Bayern" am Christopher Street Day beteiligt und im Sommer unseren "DiversityMountain" mit über 800 Fans organisiert. Kürzlich waren wir mit "Rot gegen Rassismus" bei der Veranstaltung "Zammreißen!" am Odeonsplatz vor 35.000 Menschen, unser Basketball-Weltmeister Isaac Bonga hielt eine Rede. Und vor einer Woche haben wir 1.000 Kinder aus Flüchtlingsfamilien in den Zirkus Roncalli eingeladen.
Wäre es denn mit der neuen Satzung und den Werten des FC Bayern vereinbar gewesen, Jérôme Boateng zu verpflichten, der wegen Körperverletzung angeklagt wurde und im Frühjahr wohl wieder vor Gericht steht?
Wir hatten beim Pokalspiel in Münster die Situation, dass alle unsere vier Innenverteidiger verletzt waren. Und da ist es auch die Pflicht unserer sportlichen Leitung, sich umzuschauen. Boateng wohnt in München, er hat dann bei uns mittrainiert – aber am Ende des Tages haben wir uns trotz der personellen Probleme dagegen entschieden.
Talente beim FC Bayern: Musiala, Stanisic, Krätzig oder Pavlovic sollen erst der Anfang gewesen sein
Im September ist Christoph Freund als Sportdirektor zum FC Bayern gekommen. Wie bewerten Sie seine ersten Monate?
Normalerweise bekommt ja jeder 100 Tage vor dem ersten Fazit, aber wir können jetzt bereits sagen, dass er seine Sache sehr gut macht. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen. Er hat ein enormes Fußballfachwissen und 17 Jahre lang bei RB Salzburg gearbeitet, das spricht für seine Qualität und zeigt, dass er für Kontinuität steht. Er hat Spieler wie Erling Haaland, Naby Keita oder Dayot Upamecano entdeckt. Genau das versprechen wir uns auch hier von ihm, genau so einen Mann brauchen wir. Wir haben in der Vergangenheit viel Geld in unseren Campus investiert und sind der Meinung, dass da noch mehr Ertrag herauskommen sollte. Spieler wie Jamal Musiala, Josip Stanisic oder Frans Krätzig und Aleks Pavlovic sind jetzt der Anfang, so soll es weitergehen. Und da wird uns Freund helfen.

Wie genau?
Freund arbeitet nicht nur sehr gut mit Jan-Christian Dreesen und Thomas Tuchel zusammen, sondern auch mit unserem Campus-Chef Jochen Sauer. Freund und Sauer kennen sich aus Salzburg, sie verstehen sich exzellent und werden für mehr Durchlässigkeit in der Ausbildung der Talente sorgen. Krätzig und Pavlovic sind die nächsten Beispiele, dass es möglich ist, sich auch bei Bayern aus der eigenen Jugend bis zu den Profis durchzusetzen.
Bleibt Marco Neppe beim FC Bayern? Hainer: "Das ist Sache des Vorstands"
Wie geht es mit dem Technischen Direktor Marco Neppe weiter?
Er hat es in der Transferperiode im Sommer sehr gut gemacht mit seinem Netzwerk und uns wichtige Informationen über die Kandidaten organisiert. Wie ich höre, arbeitet auch er sehr gut mit Christoph Freund zusammen.
Können Sie sich vorstellen, dass Neppe noch länger bei Bayern arbeitet?
Wie gesagt: Er hat es im Sommer sehr gut gemacht. Generell ist das Sache des Vorstands.
Wird der Sportausschuss des Sommers, dem auch Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge angehörten, eine Zukunft haben?
Es war sicher eine Sondersituation im Sommer, weil wir unseren Sportvorstand Hasan Salihamidzic und unseren Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn ersetzen mussten. Wir haben uns gefragt: Wie können wir so schnell wie möglich viel Fußballsachverstand zusammenbringen für die Transferperiode – und da waren Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge extrem wichtig. Wir haben genau die Spieler bekommen, die wir wollten. Ich gehe aber nicht davon aus, dass der Ausschuss ein Zukunftsmodell ist. Nichtsdestotrotz wird der Rat von Hoeneß und Rummenigge immer wichtig für uns sein – alles andere wäre fahrlässig. Beide haben exzellente Kontakte in der gesamten Branche, sind absolute Fachmänner und gehören ja auch unserem Aufsichtsrat an.
Hainer über Eberl: "Haben mit seiner Freistellung nichts zu tun gehabt"
Ist sich der Aufsichtsrat darüber einig, dass noch ein Sportvorstand dazukommen soll?
Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir uns in der Frage Zeit lassen. Wenn wir das machen, wollen wir es auch richtig machen. Und sollte jetzt gleich die Frage zu Max Eberl kommen: Wir haben mit seiner Freistellung bei RB Leipzig nichts zu tun gehabt.

Aber wie finden Sie Max Eberl denn?
Ich selbst kenne ihn zu wenig. Prinzipiell hört man über ihn viel Gutes.
Saudi-Arabien? "Muss man genau beobachten, weil es ein neuer Wettbewerber für uns ist"
Was viele Fans aktuell bewegt und insgesamt sehr kritisch betrachtet wird, ist der steigende Einfluss von Saudi-Arabien im Weltfußball. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Für ein Urteil ist es noch zu früh. Wir sehen, dass da viel Geld in die Hand genommen wird. Zum Großteil wechseln aktuell Spieler dorthin, die am Ende ihrer Karriere stehen. Das muss man aber alles in nächster Zeit genau beobachten, weil es ein neuer Wettbewerber für uns ist.

Wie würde der FC Bayern einer WM-Vergabe 2034 an Saudi-Arabien gegenüberstehen?
Letztlich ist das eine Entscheidung der FIFA. Ich persönlich bin ein Freund davon, eine WM dorthin zu vergeben, wo man viele Fans begeistert, wo eine gewisse Fußballtradition besteht. 2006 in Deutschland haben wir ein Sommermärchen erlebt, 2014 in Brasilien war die Begeisterung ebenfalls riesig – das waren für mich ideale Blaupausen für Fußball-Großveranstaltungen im Sinne der Fans. Ich freue mich auf die Heim-EM in Deutschland.