FC Bayern München: Spielt Thomas Müller im falschen System?
Thomas Müller trifft unter Trainer Carlo Ancelotti das Tor nicht – weil der FC Bayern ein falsches System spielt? "Es fehlt einer wie Müller, der vorne reingeht", sagt Taktikexperte Constantin Eckner zur AZ.
München - Es war ein Plädoyer, das Uli Hoeneß für Thomas Müller hielt. Und wenn man genau hinhörte, war es auch eine Botschaft an Trainer Carlo Ancelotti – die nach einem früheren Bayern-Coach klang. Louis van Gaal, wahrlich nicht der beste Freund von Hoeneß, hatte einst gesagt: "Müller spielt bei mir immer." Hoeneß wählte am Sonntag beim Fanklubbesuch in Wunsiedel (Oberpfalz) ähnliche Worte. "Man muss Thomas die Zeit geben", sagte der Präsident des FC Bayern: "Einen Spieler seiner Klasse muss man durchziehen, bis er wieder trifft."
Das Treffen: Unter Ancelotti ist das bislang ein großes Problem – für Müller und die Bayern. Der Weltmeister traf erst dreimal in dieser Saison in 18 Pflichtspielen, in der Bundesliga noch gar nicht. Zum Vergleich: In der Vorsaison hatte Müller zu diesem Zeitpunkt allein in der Liga schon elf Tore erzielt.
4-2-3-1 statt 4-3-3?
Warum ist der X-Faktor der vergangenen Jahre plötzlich keiner mehr? Warum sitzt Müller immer wieder auf der Bank? "Diese Personalie ist nicht unproblematisch", sagt der anerkannte Taktikexperte Constantin Eckner, der unter anderem für das Portal "spielverlagerung.de" schreibt, zur AZ. Seine Beobachtung: Müller spielt auf der falschen Position, kann so seine Stärken nicht zur Geltung bringen. "Müller ist kein Dribbler, er hat seine Stärken als Raumdeuter in der Zentrale", sagt Eckner. Doch diese Position gibt es im System Ancelottis nicht, Müller spielt im 4-3-3 des Italieners als Rechtsaußen, nicht nur Eckner sieht das als Problem. "Thomas Müller könnte mittelfristig hinter der Spitze spielen, dann brauchst du nur noch zwei defensive Mittelfeldspieler", meint auch Hoeneß, der offenbar sein eigenes System im Kopf hat.
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Ancelotti aber lässt mit drei Zentralen spielen: Xabi Alonso, Thiago plus einer aus dem Trio Joshua Kimmich, Arturo Vidal oder Renato Sanches. Für Eckner ist dies nicht die ideale Ausrichtung. "Unter Guardiola waren beide Achter sehr hoch positioniert, jetzt sind sie tiefer aufgestellt, Alonso und Thiago stehen sich manchmal auf den Füßen", erklärt er. Die Folge: Zu wenig Drive nach vorne, zu wenige Anspielstationen, zu wenige Überraschungen. Ein zusätzlicher Offensivstar wie Arjen Robben würde helfen, "das wäre besser", meint Eckner – Müller könnte dann in einem 4-2-3-1-System in die zentrale offensive Position hinter Mittelstürmer Robert Lewandowski rücken: "Es fehlt einer in der Offensive, der vorne reingeht: Müller."
Auch für Lewandowski wäre das hilfreich. "Er mag es, wenn er mal ausweichen kann, er braucht jemanden neben ihm", sagt Eckner. "Es ist gut für Bayern, wenn Lewandowski Räume schafft und Müller dann da reinstößt." Der Pole (14 Tore) trifft unter Ancelotti ebenfalls nicht mehr so oft wie unter Guardiola zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison (19).
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Doch nicht nur offensiv gibt es Schwierigkeiten in der Zentrale. Xabi Alonso und Thiago wirken bei schnellen Angriffen nicht immer stabil. "Alonso ist defensiv immer noch passabel, aber nicht mehr so spritzig", analysiert Eckner: "Ein topfitter Javi Martínez ist ihm gegenüber im Vorteil, er hat das bessere Timing beim Pressing." An Martínez denkt auch Hoeneß. "Er ist ja ursprünglich als Mittelfeldspieler geholt worden", erinnert der Präsident an die Triple-Saison mit Bastian Schweinsteiger und dem Spanier auf der Doppelsechs. "Martínez muss in den großen Spielen eine Option auf dieser Position sein", findet Eckner. Möglicherweise mit Arturo Vidal, den besonders Hoeneß für unverzichtbar hält: "Er ist lebensnotwendig." Genauso wie Müller. Wann darf er wieder der X-Faktor sein?
Die beiden möglichen System im Vergleich
Das bevorzugte System von Carlo Ancelotti:
Unter Ancelotti spielt Müller meist auf der rechten Seite. Derzeit ist er in der Liga noch ohne Torerfolg. Grafik: AZ
Das bevorzugte System von Uli Hoeneß:
Möglicherweise ist Müller jedoch hinter der Spitze effektiver und torgefährlicher. Grafik: AZ