FC Bayern München: So viel Jupp Heynckes steckt in Thomas Tuchel

Jupp Heynckes macht sich für den Ex Coach von Borussia Dortmund als seinen Nachfolger stark: "Thomas Tuchel hat die Qualität, den FC Bayern zu trainieren." Die AZ erklärt, worin sich beide Trainer ähnlich sind.
München - Eines ist gewiss: Ein gemeinsamer Konzertbesuch von Jupp Heynckes und Thomas Tuchel würde sich ziemlich schwierig gestalten – zu unterschiedlich sind die Musik-Geschmäcker der beiden Fußball-Lehrer.
Während Tuchel (44) gern deutschen Hip-Hop hört und seit einem Konzert 2015 mit dem Sänger Clueso befreundet ist, bevorzugt Heynckes (72) ältere Bands und Sänger: Led Zeppelin, Beatles, Pink Floyd, auch mal Udo Lindenberg. Und natürlich: Elvis Presley.
In der Sport Bild verrät Heynckes nun, dass er den Fußball seiner Bayern-Mannschaft von 2018 mit dem King of Rock’n Roll vergleichen würde, wenn er einen Interpreten wählen müsste: "Er hatte das Besondere in seiner Stimme und war dazu sexy, gut aussehend", erklärt Heynckes: "Das passt zu meiner Mannschaft: Meine Bayern sind sexy!"
Heynckes stellt klar: Im Sommer ist er weg
Ob Tuchel ähnlich über Elvis denkt, ist bislang nicht bekannt. Doch es zeichnet sich immer mehr ab, dass es ab dem Sommer musikalisch moderner in der Bayern-Kabine werden könnte. Mit Clueso, Max Herre oder Blumentopf, Tuchels liebsten Acts. Denn der frühere Dortmund-Trainer, der seit Ende der vergangenen Saison pausiert, ist Kandidat Nummer eins als neuer Bayern-Trainer.
Heynckes will nicht weitermachen. Nach Informationen von Sky habe der aktuelle Coach seine Mannschaft bereits "vor einiger Zeit" darüber informiert, dass für ihn nach dieser Saison definitiv Schluss sei. In der Sport Bild bekräftigt Heynckes nun abermals diesen Plan und sagt: "Das ist eine Vereinbarung, die steht, ich bin immer dafür, dass man sich an klare Fakten hält."
Basta. Auffällig: Heynckes spricht in dem Interview fast schon euphorisch über Tuchel. Borussia Dortmund habe unter dem Coach "einen sehr tollen Fußball gespielt, mit gutem System, alle modernen Elemente, die zum heutigen Fußball gehören, waren vorhanden", so Heynckes. Es habe ihm Spaß gemacht, dem BVB zuzusehen. Deshalb halte er Tuchel "für einen sehr guten Trainer".
Und damit nicht genug. "Ich denke, dass Thomas Tuchel die Qualität hat, auch einen FC Bayern zu trainieren", betont Heynckes.
Bei so viel Lob schaut die AZ mal genauer hin. Wie viel Jupp steckt schon jetzt in Tuchel?
Mannschaftsführung
Heynckes' größte Qualität von heute war nicht immer eine Stärke. Zu Beginn seiner Trainerlaufbahn geriet der Coach mit Stars schon mal heftig aneinander, besonders bei Eintracht Frankfurt, als Anthony Yeboah, Maurizio Gaudino und Jay-Jay Okocha in einem Team spielten. Er habe in jungen Jahren "auch Fehler gemacht", gesteht Heynckes – und äußert Verständnis für Tuchel, der auf seinen bisherigen Stationen in Mainz und Dortmund Spieler gegen sich aufbrachte und für seine Mannschaftsführung kritisiert wurde. Das seien "Kleinigkeiten", sagt Heynckes: "Was zählt, ist doch: Seit Tuchel weg ist aus Dortmund, hat der Verein nicht mehr einen so tollen Fußball gespielt."
Ähnlich sieht es Ex-Bayern-Spieler Didi Hamann. Der Sky-Experte betont in der AZ, dass man bislang vor allem "die Dortmunder Sicht der Dinge" zur Trennung gehört habe: "Tuchel hat sich sehr zurückgezogen. Deswegen würde ich die Vorwürfe mit Vorsicht genießen."
Fachwissen
Tuchel musste seine Spielerkarriere verletzungsbedingt früh beenden, einen Profititel gewann er nie. Heynckes war in seiner aktiven Laufbahn ein Weltklassestürmer, wurde Welt- und Europameister. Ist er deshalb glaubwürdiger für die Bayern-Stars? "Nein", sagt Hamann. "Das ist kein Nachteil für Tuchel. Trainer wie José Mourinho oder Rafael Benitez waren auch keine Topspieler und haben die Champions League gewonnen."
Das entscheidende Kriterium sei Tuchels ausgeprägtes Fachwissen, über das es in der Fußball-Szene keine zwei Meinungen gibt. "Du musst eine Mannschaft führen können", sagt Hamann: "Die Jungs müssen spüren, dass der Trainer sie noch ein Stück weiterbringt, dass er ihnen einen neuen Ansatz präsentiert. Tuchel kann das, er hat einen genauen Plan. Und deshalb ist er prädestiniert für Bayern."
Disziplin
Tuchel, der Asket? Der Streber? Dann fragen Sie mal bei Heynckes nach. "Ich habe in meinem ganzen Leben vielleicht fünf Gläser Cola getrunken", verrät der Bayern-Trainer. Heynckes verlangt eine hohe Selbstdisziplin – auch von seinen Stars. Darin ähnelt er Tuchel, der penibel auf seine Ernährung achtet, im Italien-Urlaub auf Pizza und Pasta verzichtet.
Doch es gibt auch Thomas, den Sünder. "Nach Siegen bin ich anfällig für Schweinereien aller Art", gestand Tuchel im WDR. Fast Food, Champagner, Gin Tonic – der Trainer gönnt sich auch mal was. Was ihre Mannschaften angeht, erlauben weder Heynckes noch Tuchel Undizipliniertheiten.
Wer sein Ego über den Erfolg des Teams stellt, sitzt draußen. Auf dem Platz gestattet Tuchel seinen Spielern etwas größere Freiheiten als Heynckes, lässt flexiblere Systeme spielen. Da ähnelt Tuchel eher Pep Guardiola. Schlecht muss das nicht sein: Auch der Katalane hatte bei Bayern Erfolg.