FC Bayern mehr recht als schlecht: Kritik an Tuchels Zweckfußball

Der FC Bayern gewinnt auch bei Galatasaray Istanbul, liefert aber eine enorm schwache erste Hälfte ab. Thomas Tuchel nimmt es pragmatisch und verspricht für die nächsten Herausforderungen "eine Lösung zu finden".
Patrick Strasser |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
4  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Spielerisch wussten die Bayern in den vergangenen Wochen nur selten zu überzeugen, doch der Ertrag stimmt.
Spielerisch wussten die Bayern in den vergangenen Wochen nur selten zu überzeugen, doch der Ertrag stimmt. © IMAGO / Xinhua

Istanbul - Da sage noch einer, Thomas Tuchel sei kein Genussmensch. Er sei ein Kostverächter, wird dem 50-Jährigen nachgesagt. Ein disziplinierter Zeitgenosse, der auch bei der Ernährung seine Prinzipien hat. In Istanbul schlich der Bayern-Trainer in der Nacht zum Mittwoch um das Buffet auf dem Bayern-Bankett im "Raffles"-Hotel, analysierte und scannte genau, was ihn dort erwarten könnte. Er ging von Angebot zu Angebot, passierte die gedämpfte Dorade und das gebackene Lachsfilet, um dann – Tusch für Tuchel! – am letzten Tisch bei den Nachspeisen zuzugreifen. Hach, was sind schon Vorurteile!

Seinen Job geht Tuchel streng analytisch an, lässt einen disziplinierten und ergebnismaximierten Fußball spielen. Der spielerische Vortrag seines Teams ist ihm immens wichtig, doch das Resultat heiligt am Ende die Mittel. Zweckfußball – so lange der Weg zum Ziel stimmt und eine permanente Optimierung zu erkennen ist.

Der FC Bayern war bei Galatasaray Istanbul mit einem Gegentor bestens bedient

Beim 3:1 am dritten Champions-League-Vorrundenspieltag hätten Tuchels Bayern drei bis fünf Gegentreffer bis zur Pause bekommen können. "Das Beste an unserem Spiel in der ersten Halbzeit war, dass es 1:1 stand", sagte Torhüter Sven Ulreich. In Tuchels Rhetorik heißt solch ein Auftritt der Seinen "kompliziert, wir waren alle nicht zufrieden. Man kann nicht immer alles zu 100 Prozent verteidigen."

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Sehr milde, aber die zweite Hälfte sei "viel besser" gewesen, weil man "ruhiger gespielt habe", so Ulreich und "Gala dann nicht mehr so ins Pressing gekommen" ist. So blieb es beim gewitzten Panenka-Elfmetertor von Mauro Icardi zum zwischenzeitlichen 1:1. Der ins Leere hüpfende Ulreich sah schlecht aus .

"Das war frech. Ich habe noch überlegt, ob ich stehen bleiben soll. Aber ich habe gedacht: Dann heißt es wieder, warum springt er nicht?", erzählte der Torhüter, dem am Samstag (15.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) im Bundesliga-Heimspiel gegen Darmstadt 98 aufgrund des bevorstehenden Comebacks von Kapitän Manuel Neuer wieder die Bank droht.

Der FC Bayern spielt erfolgreich, aber attraktiv sieht anders aus

Dabei zählt der starke und loyale Stellvertreter zu den positiven Erscheinungen der Bayern dieser Tage. Trotz der Erfolgsserie von mittlerweile vier Siegen hintereinander und zwölf nicht verlorenen Partien nach dem 0:3 im Supercup Mitte August gegen Leipzig wurstelt man sich so durch, was Vegetarier Tuchel so gar nicht schmeckt. Aber gut, er schluckt es runter.

Die zunächst fahrige Vorstellung der Bayern in Istanbul missfiel TV-Experte Matthias Sammer. "Das würde mich nachdenklich machen", meinte der ehemalige Sportdirektor der Münchner bei Prime Video und erinnerte: "Das ist nicht das erste Mal. Wir spielen hier gegen Gut, aber nicht wirklich High-Level."

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Es fehlt die Souveränität, die Stabilität. "Das Niveau auf allerhöchstem Level müssen sie nicht bringen möglicherweise. Aber so wird es schwierig", meinte Sammer mit Blick auf Gegner anderen Kalibers ab der K.o.-Runde der Königsklasse. "Da hast du andere, ausgebuffte Mannschaften, die dich ausspielen. Sie müssen sich steigern."

Immerhin: Der FC Bayern kann sich auf seine Einzelkönner verlassen

Aber wie? "Wir müssen den Zugriff finden gegen den Ball und in die Duelle, in die Zweikämpfe kommen. Bei Ballbesitz brauchen wir mehr Ruhe und Ballbesitz-Passagen", mahnte Sechser Joshua Kimmich, hob jedoch positiv heraus: "Wir hatten Probleme. Es ist aber gut, dass wir eine Reaktion gezeigt haben in der zweiten Halbzeit. Vor ein paar Wochen oder Monaten hätten wir das nicht geschafft, da sind wir auf jeden Fall einen Schritt weiter. Wir wissen: Selbst, wenn wir eine schwache erste Halbzeit spielen, können wir in der zweiten Halbzeit unsere Qualität auf den Platz bringen und ein anderes Gesicht zeigen."

Weil man die qualitativ top besetzte Offensive hat. Wenn Leroy Sané wie so oft zuletzt mal nicht Spieler des Spiels ist, richten es der plötzlich treffsichere Kingsley Coman, der abgezockte Torjäger Harry Kane und der unwiderstehliche Jamal Musiala.

Und Tuchel? Er versprach, auch für die nächsten Herausforderungen "eine Lösung zu finden". Ganz der Pragmatiker. So wie er auch mal Spaghetti Bolognese verschlingt. Wenn nichts anderes da ist.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
4 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Bogenhausener am 27.10.2023 01:09 Uhr / Bewertung:

    Sorry, aber das Geschreibe des AZ-Autors ist unerträglich. Wann ist ihm der FCB gut genug? Wenn er Real Madrid mit 0:12 aus dem Bernabeu fegt?
    Diese Anspruchshaltung, immer mit perfektem, fehlerfreiem Lehrbuchfußball und Hattrick zu gewinnen, ist dreist und auch respektlos gegenüber den gegnerischen Mannschaften.
    Kann man sich bei der AZ nicht mal über einen Sieg in einem Hexenkessel gegen ein starkes Gala freuen? Das ist nicht irgendwer, sondern der türkische Rekordmeister mit einer sehr guten Phase, siehe CL-Teilnahme. Eigentlich das klassische Erfolgsfan-Gerede was die AZ hier liefert. Schade.

  • Südstern7 am 26.10.2023 21:13 Uhr / Bewertung:

    Ich habe über die Jahrzehnte Europapokalnächte erlebt, da wurde ein ermauertes 0:0 - meistens auf der Insel - wie ein Kantersieg gefeiert. Wenn du diesen Roar erlebst wie in Istanbul, dann ist man beeindruckt, dann macht man auch Fehler. So geht eben Europapokal. Wichtig ist, dass man sich nicht abschlachten lässt sondern dagegen hält und, wie dieses Mal, in der Schlussphase, wenn sich der Gegner ausgetobt hat, nochmal eine Schippe drauf legen kann.

    Natürlich waren das wieder haarsträubende Fehler im Defensivverhalten, das war aber auch nicht ein sonniger, gemütlicher Nachmittag in der Arena gegen eine graue Maus der Bundesliga. Galatsaray ist sicher nicht High Level wenn es darum geht ab Viertelfinale dabei zu sein, da hat der Sammer recht, aber zu Hause ist diese Truppe eine Macht und kaum zu schlagen, und somit im eigenen Stadion doch High Level. Ich denke man sollte Ergebnisse und Leistungen immer relativieren. Es gibt Teams die haben in Istanbul schon schlechter ausgesehen.

  • Knitterface am 26.10.2023 09:24 Uhr / Bewertung:

    Solange der Gegener seine Chancen nicht verwertet, man einen Supertorwart hinten drin hat, dem Gegner nach einer Std.
    die Luft ausgeht, ist man damit erfolgreich.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.