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Segen oder Schande? FC-Bayern-Fans sehen mögliche Boateng-Rückkehr kritisch

Jérôme Boateng könnte schon bald wieder das Trikot des FC Bayern tragen. Doch viele Fans sehen eine Rückkehr des Weltmeisters von 2014 kritisch.
von  Kilian Kreitmair
Jérôme Boateng trainiert derzeit wieder an der Säbener Straße.
Jérôme Boateng trainiert derzeit wieder an der Säbener Straße. © imago/Frank Hoermann

München - Er ist Weltmeister, zweimaliger Champions-League-Sieger, zudem gewann er mit dem FC Bayern neun Mal die Meisterschaft. Die Rede ist vom aktuellen Trainingsgast Jérôme Boateng (35). Nachdem der ehemalige Nationalspieler zuletzt vereinslos war, testen die Münchner derzeit, ob Boateng das Loch in der Bayern-Defensive kurzfristig stopfen kann. Der 35-Jährige trainierte sowohl am Sonntag als auch am Montag an der Säbener Straße.

Gegen Boateng läuft ein Verfahren wegen Körperverletzung

Zwar kann sich die sportliche Vita von Boateng durchaus sehen lassen, doch neben dem Platz sorgte der Weltmeister von 2014 in der Vergangenheit immer wieder für Negativschlagzeilen. Boateng wird vorgeworfen, seine Ex-Verlobte im Jahr 2018 geschlagen, verletzt und beleidigt zu haben. Im Oktober 2022 wurde der Routinier deshalb zu einer Schadenersatzzahlung in Höhe von 1,2 Millionen Euro verurteilt. Doch das Urteil wurde nicht rechtskräftig, der Prozess stattdessen neu aufgerollt. Im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung wäre Boateng vorbestraft gewesen.

Jérôme Boateng bei der Gerichtsverhandlung im Oktober 2022 in München.

Im vergangenen September hatte das Bayerische Oberste Landesgericht das Landgerichtsurteil wegen Körperverletzung und Beleidigung aufgrund eklatanter Rechtsfehler "in vollem Umfang" aufgehoben. Sowohl der Revision des Profi-Fußballers als auch den Revisionen der Staatsanwaltschaft und Nebenklage wurde stattgegeben und das Verfahren damit zurück ans Landgericht München I verwiesen. Dort soll der Fall von einer anderen Kammer neu verhandelt werden.

All das soll bei einer möglichen Rückkehr an die alte Wirkungsstätte aber nicht im Fokus stehen. "In erster Linie spielen die sportlichen Dinge bei den Überlegungen eine Rolle", betonte Sportdirektor Christoph Freund (46) vor dem Abflug der Bayern in Richtung Kopenhagen, wo am Dienstagabend das nächste Spiel in der Champions League ansteht. Freund weiter vielsagend: "Die private Geschichte ist kein großes Thema für uns." Die Bosse des FC Bayern haben in der Causa Boateng also eine klare Haltung.

Fanclub-Vorstand sieht Boateng-Comeback kritisch: "Wer auf seine Freundin losgeht, den brauchen wir nicht"

Viele Bayern-Anhänger sehen das Gerichtsverfahren rund um Boateng aber deutlich kritischer. So auch Michael Schmid vom Fanklub "d'Münsinger". Im Gespräch mit der AZ erklärte der erste Vorstand des Fanclubs aus dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen: "Er war ein großer Leistungsträger, aber es gibt wichtigere Sachen als Fußball. Wer auf seine Freundin losgeht, den brauchen wir nicht. Auch wenn es der beste Spieler der Welt wäre." Zudem macht der Fan den Bossen Vorwürfe: "Sie sollten lieber das nächste Mal im Sommer eine vernünftige Transfer-Politik betreiben."

Freude über eine mögliche Rückkehr des Innenverteidigers sieht auch beim "Club Nr. 12" deutlich anders aus. Auf AZ-Nachfrage wollte sich die Vereinigung aktiver Bayern-Fans zu einem möglichen Transfer von Boateng nicht äußern. Schriftlich hieß es lediglich: "Der C12 äußert sich prinzipiell nicht zu Transfers. Daher nur so viel: Der Verein sollte jederzeit auf seine Satzung, aber auch das Empfinden der Fans achten."

Das Empfinden der Fans war am Wochenende, als die ersten Gerüchte um eine Boateng-Rückkehr publik wurden, mehr als eindeutig – zumindest in den Sozialen Medien. Der Großteil der Bayern-Anhänger war klar gegen einen Transfer des Innenverteidigers. Grund vor allem: Sein Gerichtsverfahren, inklusive der vielen Negativschlagzeilen. Hier nur einige Beispiele von vielen Posts:

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Freund zeigt Verständnis für Unmut der Bayern-Fans

Freund kann den Unmut einiger Anhänger des deutschen Rekordmeisters durchaus verstehen. Dennoch entgegnete der Sportdirektor des FC Bayern: "Jeder hat seine eigene Meinung und jeder kann seine Meinung haben. Aber so wie sich die Situation darstellt, da gibt es auch die Unschuldsvermutung." Damit spielt der Österreicher darauf an, dass im Fall Boateng gerichtlich bisher noch nichts endgültig entschieden ist, es also noch kein rechtskräftiges Urteil gibt.

Mit dieser Meinung ist Freund nicht alleine. Denn es gibt durchaus Bayern-Fans, die die Meinung des 46-Jährigen teilen. Einer von ihnen ist Bernd Hoffmann, der Präsident des Bayern-Fanclubs Nabburg/Oberpfalz. "Jeder Mensch macht Fehler und das ist nicht einmal sicher, ob das 100-prozentig so war. Jeder soll vor seiner eigenen Tür kehren. Ich würde niemandem, der mal negativ in den Schlagzeilen war und sich bemüht, neu ins Leben zu kommen, irgendetwas versagen", erklärte Hoffmann gegenüber der AZ.

Jérôme Boateng gewann mit dem FC Bayern 2013 die Champion League.

Bayern-Bosse wollen noch in dieser Woche über Boateng-Verpflichtung entscheiden

Dennoch hat auch der Präsident des zweitgrößten Bayern-Fanclubs so seine Zweifel an einer Verpflichtung des Innenverteidigers – jedoch aus rein sportlichen Gesichtspunkten: "Er ist schon 35 Jahre alt und hat doch eine Zeit lang nicht mehr gespielt. Ich hab ihn immer gern gemocht, weil er bei zwei Champions-League-Siegen dabei war, aber ich weiß nicht, ob er mit seinem Alter noch in der Lage ist, hier der Mannschaft zu helfen." Das letzte Spiel über 90 Minuten bestritt Boateng tatsächlich Ende Oktober 2022. Damals noch im Trikot von Olympique Lyon.

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Anders sieht das Bayern-Trainer Thomas Tuchel. Es müsse einfach drin sein, "einen verdienten Spieler" mittrainieren zu lassen, befand der Bayern-Coach: "Da stehen die Türen immer auf." Zum ausgesetzten Prozess gegen den Verteidiger sagte er am Montagabend: "Es gilt die Unschuldsvermutung, wenn ein Verfahren ausgesetzt ist. Weil das auch so ist, haben wir als Fußballklub das Recht, Fußball-Entscheidungen zu treffen." Zum Unmut der vielen Fans sagte Tuchel, er habe bislang "nicht wahrgenommen, dass das in den Klub und die Mannschaft Unruhe bringt".

Ob sich Boateng in naher Zukunft statt des Bayern-Trainingsanzugs wieder das Trikot der Roten überstreifen wird, wird sich noch in dieser Woche entscheiden. "Wir werden Gespräche mit ihm führen und dann schauen wir, was die beste Entscheidung für alle Beteiligten sein kann", erklärte Freund. Von Boatengs Fitness-Werten sollen die Bayern-Bosse jedenfalls schonmal überzeugt sein. Wie die Rückholaktion des einstigen Erfolgsgaranten bei den vielen Fans ankommen wird, steht jedoch auf einem ganz anderen Blatt...

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