Boateng-Prozess in München: Gericht hebt Urteil gegen Ex-FC-Bayern-Star auf
München - Das Verfahren gegen Fußball-Weltmeister Jérôme Boateng (35), der seine Ex-Freundin 2018 im Karibik-Urlaub attackiert und verletzt haben soll, muss neu aufgerollt werden. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat das Landgerichtsurteil wegen Körperverletzung und Beleidigung vom Herbst 2022 aufgehoben.
Der Vorsitzende Richter, Nikolaus Stackmann, erteilte dem damaligen Vorsitzenden Richter eine heftige verbale Watschn: "Das Urteil hält einer rechtlichen Prüfung nicht im Ansatz stand", sagte er.
Gericht hebt Boateng-Urteil auf – nun muss neu verhandelt werden
Der sechste Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat der Revision des Profi-Fußballers sowie den Revisionen der Staatsanwaltschaft und Nebenklage am Donnerstag stattgegeben und das Verfahren zurück ans Landgericht München I verwiesen. Dort soll der Fall von einer anderen Kammer neu verhandelt werden.
"Herr Boateng ist erleichtert", sagte sein Anwalt Leonard Walischewski. Er hatte unmittelbar nach der Entscheidung des obersten Bayerischen Landesgerichts mit dem Fußballprofi telefoniert. Boateng war dieses Mal nicht selbst vor Gericht erschienen, musste er auch nicht.
Boateng-Anwalt: Verfahren war "erschütternd unfair"
Als "erschütternd unfair" hatte der Anwalt das Verfahren zuvor bezeichnet. "Herr Boateng war schon endgültig verurteilt, bevor das Berufungsverfahren überhaupt begonnen hatte", meinte Walischewski in der Revisionsverhandlung. Er bemängelte vor allem, dass der Richter einen Befangenheitsantrag gegen sich selbst abgelehnt hatte.
Das bezeichnete auch der Vorsitzende Richter des zuständigen Strafsenats, Nikolaus Stackmann, als rechtswidrig. Und als einen von drei Gründen, das Urteil "in vollem Umfang" aufzuheben.
Der Strafsenat gab auch der Revision der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage statt. Beide hatten eine härtere Strafe und eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gefordert. Dabei spielte eine Kühltasche eine entscheidende Rolle, die mit Flaschen gefüllt gewesen sein soll. Boateng soll diese Tasche damals während des heftigen Streits im Karibikurlaub nach der Mutter seiner Zwillingstöchter geschleudert haben. Ob diese Tasche juristisch als gefährliches Werkzeug eingeordnet werden kann, habe das Landgericht nicht ausreichend geprüft, so das Revisionsgericht. Auch wie gefährlich Tritte gegen ein Windlicht gewesen seien, sei nicht ausreichend geprüft worden.
Verfahren gegen Boateng geht weiter - gibt es nun eine härtere Strafe?
Nun geht das Verfahren um den Verdacht der häuslichen Gewalt im Hause Boateng also weiter. Anwältin Carolin Lütcke, die die Ex-Freundin vertritt, geht davon aus, dass Boateng im neuen Prozess noch härter verurteilt wird, nämlich wegen gefährlicher Körperverletzung. Darauf stehen mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe.
Im Oktober 2022 war Boateng "nur" wegen Körperverletzung und Beleidigung verurteilt worden – jedoch zu einer hohen Geldstrafe: 120 Tagessätze à 10 000 Euro hätte er zahlen müssen – 1,2 Millionen Euro (AZ berichtete). Wäre das Urteil rechtskräftig geworden, wäre Boateng heute vorbestraft.
Boatengs Anwalt rechnet mit einem wesentlich milderen neuen Urteil. Die Vorwürfe der Ex-Freundin seien zweifelhaft, sagte er zur AZ. Sie habe die Vorwürfe nur erhoben, weil sie sich im Sorgerechtsstreit um die Kinder Vorteile erhofft habe. Boatengs Einwände seien vor Gericht überhaupt nicht gehört worden. "Es ist keinesfalls so, dass Herr Boateng ein dauerhafter Frauenprügler ist."
Laut Walischewski leben die Zwillinge bei Boateng, er habe jahrelang das alleinige Sorgerecht gehabt. Ein Umgangsrecht, das die Mutter der Kinder inzwischen habe, nehme sie nicht wahr.