FC Bayern: Die Frage nach dem Mega-Transfer - Pro und Contra
München - "Der FC Bayern wird in naher Zukunft die 41,5 Millionen, die für Corentin Tolisso bezahlt wurden, toppen und 60, 70 oder 80 Millionen für einen Spieler bezahlen", sagte Lothar Matthäus zuletzt. Juventus Turin hat mit der Verpflichtung von Cristiano Ronaldo zuletzt wieder eine Hausnummer gesetzt. Müssen wirklich auch die Bayern so viel Geld für einen Neuzugang ausgeben? Ein Pro und Contra der AZ-Redaktion.
Pro: Die 100-Millionen-Euro-Schallmauer muss fallen!
Wie ein Mega-Transfer geht, führt Juventus Turin dem FC Bayern gerade eindrucksvoll vor Augen. Mit dem Coup, der den Italienern mit der Verpflichtung von Cristiano Ronaldo von Real Madrid gelungen ist, zeigen die Italiener, was ein solcher Deal auslösen und bewirken kann. Schon jetzt, also noch bevor der portugiesische Superstar zum ersten Mal für die Bianconeri an den Ball trat, hat Ronaldo in Turin eine schier grenzenlose Euphorie entfacht. Bei seiner Präsentation wurde CR7 wie ein Popstar empfangen.
Läppische 117 Millionen Euro legten die Italiener für ihn hin, in diesen Zeiten vergleichsweise fast schon wenig, wenn man bedenkt, dass Paris Saint-Germain im vergangenen Sommer zum Beispiel fast das Doppelte für den Brasilianer Neymar an den FC Barcelona zahlte.
Ronaldo ist ein Statement an die internationale Konkurrenz
Mit seiner internationalen Strahl- und Werbekraft ist Ronaldo schon dabei, seine Ablösesumme selbst zu refinanzieren – auch wenn die kolportierte Zahl von angeblich bereits einer halben Million verkaufter Trikots mit seiner Rückennummer 7 ein wenig hochgegriffen und unrealistisch erscheint.
Dass Ronaldo schon 33 Jahre alt ist? Geschenkt! Ein oder zwei Jahre auf absolutem Topniveau hat der fünfmalige Weltfußballer definitiv noch in sich – mindestens. Das stellte er mit seinen starken Auftritten bei Weltmeisterschaft in Russland zuletzt einmal mehr unter Beweis. Durch ihn, der Real Madrid zuletzt zu drei Champions-League-Titeln in Folge führte, wird Juventus nun zwangsläufig zumindest zum Mitfavoriten auf den Triumph in der Königsklasse.
James und Süle drehen auf, Bayern-Oldies verlieren
Ronaldo ist ein Statement an die internationale Konkurrenz, das auch dem FC Bayern durchaus gutgetan hätte. In München kam er aber alleine deshalb schon nicht als Zugang infrage, weil er dort das Gehaltsgefüge mit 30 Millionen Euro pro Jahr gesprengt hätte. Und die Bayern zudem ja grundsätzlich (noch) nicht bereit dazu sind, die 100-Millionen-Euro-Schallmauer für Transfers zu durchbrechen. Diese Grenze wird aber auch beim FC Bayern in absehbarer Zeit fallen müssen, wenn man international konkurrenzfähig bleiben und nicht den Anschluss verlieren möchte.
Bayern braucht Spieler in der Kategorie Bale oder Dybala
Denn Transfers in dieser Dimension sind bei den europäischen Eliteklubs doch längst keine Ausnahme mehr und fast schon zum Standard geworden. Bei den immer weiter steigenden TV-Einnahmen, insbesondere bei den englischen Premier-League-Klubs, wird diese Spirale auch nicht mehr zurückzudrehen sein – im Gegenteil. Topstars sind kaum noch für weniger als 100 Millionen Euro zu bekommen und werden es in naher Zukunft erst recht nicht mehr sein. Also warum nicht schon jetzt umdenken und sich etwa um einen Gareth Bale oder einen Paulo Dybala bemühen. Wenn der FC Bayern seinen zweifellos hochkarätig besetzten Kader wirklich verbessern möchte, sind Verstärkungen in dieser Kategorie nun mal nötig – und nicht in einer darunter.
Die Münchner würden mit einem solchen Mega-Transfer ein Signal an die internationalen Konkurrenten senden, ein Zeichen der Stärke, dass mit ihnen weiter zu rechnen ist, wenn es um die Vergabe des Titels in der Königsklasse geht. Und nicht zuletzt würden sie auch dem Eindruck entgegenwirken, der FC Bayern würde solche Topstars gar nicht (mehr) bekommen.
Wie das funktioniert, hat Juve schon vorgemacht!
Julian Buhl
Contra: Der FC Bayern braucht keinen teuren Mega-Star!
Die Vereine der englischen Premier League befinden sich seit Jahren im Kaufrausch und zahlen für maximal durchschnittliche Spieler Transfersummen, die sich mittlerweile in astronomischen Sphären bewegen. Und auch die Scheich-Klubs Paris Saint-Germain und Manchester City haben mit ihren Transferausgaben jegliches Maß an Verhältnismäßigkeit verloren. Viele Top-Klubs verstärken sich mit Star-Spielern – klar, dass da mittlerweile auch beim FC Bayern die Rufe nach einem Mega-Transfer laut werden. Demnach müssten die Münchner bald einen Spieler für 70 oder 80 Millionen Euro verpflichten, um konkurrenzfähig zu bleiben, wie es so schön heißt. Doch stimmt das wirklich?
Geld bringt nicht zwingend Erfolg
Vor allem das letzte Jahr hat gezeigt: Geld und unverhältnismäßig hohe Transferausgaben sind kein Erfolgsgarant. Exemplarisch haben das in der vergangenen Saison PSG und ManCity gezeigt. Die Pariser haben alleine für Neymar eine Ablösesumme von 222 Millionen Euro gezahlt und damit mit weitem Vorsprung einen (fragwürdigen) Rekord aufgestellt. Der Fall Neymar ist ein Beispiel dafür, dass der internationale Transfermarkt mittlerweile jeglichen Bezug zur Realität verloren hat. Trotz des Rekord-Einkaufs hat es für PSG am Ende in der Champions League lediglich fürs Achtelfinale gereicht – das Double aus Meisterschaft und Pokalsieg wird da schon fast zur Nebensache. In diesem Sommer hat Paris schon wieder auf dem Transfermarkt zugeschlagen und den zuvor ausgeliehenen Kylian Mbappé für satte 135 Millionen Euro fest verpflichtet.
Rot-weiße Pracht: Allianz Arena erstrahlt in neuem Glanz
Ähnlich verhält es sich auch bei Manchester City, die seit Jahren Millionen in ihre Mannschaft pumpen. In der vergangenen Saison haben die "Skyblues" insgesamt 317,5 Millionen Euro für Neuzugänge ausgegeben, nach Abzug der Spielerverkäufe bleibt ein Transferminus von 221,5 Millionen Euro. Statt in der Champions League um den Titel zu kämpfen, war für Pep Guardiola und sein Team im Viertelfinale Schluss. Zu Erinnerung: Der FC Bayern, ohne die ganz großen Star-Verpflichtungen, kam eine Runde weiter und scheiterte im Halbfinale an Real Madrid.
Apropos Real Madrid: Die "Königlichen" sind in Europa das Maß aller Dinge und haben die Champions League jetzt zum dritten Mal in Folge gewonnen. Wirkliche Superstars wurden in dieser Zeit nicht verpflichtet, den letzten Mega-Transfer tätigten die Verantwortlichen zur Saison 2014/15, als James Rodríguez für insgesamt 75 Millionen Euro verpflichtet wurde.
Ein Mega-Transfer sprengt das Gehaltsgefüge
Mittlerweile spielt James beim FC Bayern – die Münchner haben eine Zwei-Jahres-Leihe mit verhältnismäßig anständigen Konditionen ausgehandelt. Nach den zwei Jahren können sie die feste Kaufoption von 42 Millionen Euro ziehen - in der heutigen Zeit ein Schnäppchen für einen Spieler vom Format James'. Ähnliche wirtschaftlich gute Deals sind den Bayern in der jüngsten Vergangenheit schon öfter gelungen – Kingsley Coman (21 Mio. Euro Ablöse), Niklas Süle (20 Mio. Euro) und Serge Gnabry (8 Mio. Euro) sind da nur drei weitere Beispiele.
Mit der Verpflichtung von Cristiano Ronaldo hat Juventus Turin der Fußball-Welt zuletzt gezeigt, wie ein Mega-Transfer geht. Doch das Dilemma einer solchen Verpflichtung zeigt sich wohl erst auf den zweiten Blick. Ronaldo steigt bei der "Alten Dame" dank eines irrwitzigen Gehalts pro Saison sofort zum Topverdiener auf. Andere Leistungsträger oder Stars möchten auf einmal ähnlich viel verdienen, wie der "Neue" – Unruhe im Team ist da vorprogrammiert. Wohin das führen kann, hat man auch schon beim FC Bayern gesehen. Toni Kroos hat sich damals mehr Wertschätzung gewünscht, die sich auch in einem gesteigerten Gehalt widergespiegelt hätte. Die Bosse weigerten sich jedoch mehr zu zahlen und gaben ihn zu Real Madrid ab, wo er sich zum absoluten Superstar entwickelte.
Fest steht: Der FC Bayern braucht keinen Mega-Star für 70 oder 80 Millionen Euro Ablöse. Stattdessen muss die Mannschaft (endlich wieder) eine eingeschworene Einheit mit Leader-Typen werden, um Erfolg zu haben. Wie das geht, hat 2013 eindrucksvoll die Triple-Mannschaft um Bastian Schweinsteiger, Mario Mandzukic, Philipp Lahm und Co. gezeigt!
Michael Schleicher
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