FC Bayern: Der harte Weg des Renato Sanches

München/Lissabon - "Seine Chance wird kommen", kündigte Niko Kovac vom FC Bayern noch zu Wochenbeginn im Interview mit den Fußball-Portalen "Goal" und "Spox" an. Gemeint war Renato Sanches.
Sanches treibt den Ball
Der portugiesische Youngster wurde nur wenige Tage später zum umjubelten Matchwinner beim Champions-League-Auftakt bei Benfica Lissabon, den die Bayern 2:0 gewannen. Mittwochabend. Estádio da Luz. In der 54. Minute trieb Sanches den Ball im Vollsprint über den kompletten Platz und schüttelte dabei zwei Verteidiger ab.
Nachdem der 21-Jährige den Ball am Strafraum an Franck Ribéry abgegeben hatte, zeigte er sofort wieder an, dass er im Zentrum angespielt werden möchte. Und prompt brachte James Rodríguez, der Ribéry im richtigen Moment hinterlief, die Kugel butterweich und perfekt auf den Fuß von Sanches, der nur noch zum Endstand einschieben musste.
Es war bezeichnend, dass ausgerechnet der Portugiese nach zwei enorm schweren Jahren seit seinem Wechsel zum deutschen Rekordmeister diesen traumhaften Angriff abschloss. Der Mittelfeldspieler verbrachte seine gesamte gesamte Jugend bei Benfica, reifte dort zum Nationalspieler für holte mit gerade einmal 18 Jahren den EM-Titel mit Portugal. Jetzt scheint Sanches auch endlich beim deutschen Rekordmeister angekommen zu sein. Er hat einen langen, harten Weg hinter sich.
Sanches wuchs im größten Slum Europas auf
Geboren wurde der Sohn einer armen saotomenisch-kapverdischen Einwandererfamilie im August 1997 in Amadora, einem kleinen Ort vor den Toren Lissabons. Nach der Trennung seiner Eltern zog es ihn zusammen mit seiner Mutter ins Problemviertel Musgueira nach Lissabon. Den größten Slum in ganz Europa, wo hauptsächlich illegale Einwanderer aus den ehemaligen portugiesischen Kolonien in Afrika leben.
Die ersten Jahre im Leben des jungen Renato verliefen entsprechend turbulent: Offiziell wurde seine Geburt erst mit fünf Jahren, als ihn seine Mutter taufen ließ. Aufgrund seiner schon in jungen Jahren beeindruckenden Statur kamen immer wieder Zweifel an seinem wirklichen Alter auf. Erst nachdem Verantwortliche von Benfica einen Knochen- und Gebisstest durchführen ließen, wurden diese ausgeräumt.
Noten: Fünf Mal die Zwei bei Bayerns Sanches-Erlösung
Zum Fußball sollte Renato erst über Umwege kommen. In Lissabon spielte er zusammen mit seinen Freunden den sogenannten DDA - Fußball auf einem betonierten Kleinfeld, welcher nur in den afrikanischen Slums um Lissabon verbreitet ist. Entdeckt wurde Renato schließlich beim Bälleklauen.
Er und ein Freund warteten am Trainingsplatz auf Bälle, die von den Spielern der ersten Mannschaft des örtlichen Fußballklubs Aguias de Musgueira über den Fangzaun geschossen wurden. Weil die beiden Jungs damit partout nicht aufhören wollten, wurden sie vom Verein aufgenommen.
Sanches über Rückkehr: "Ein besonderer Moment"
Mit dem Fußball wurde dem Leben des damals kleinen Renato rechtzeitig ein Sinn gegeben. Im Alter von zehn Jahren wurden schließlich die Scouts der Lissaboner Top-Klubs auf das Talent aufmerksam.
"Meine Familie und ich, wir waren alle Benfica. Als mich der Trainer von Sporting nach der Telefonnummer meiner Mutter fragte, sagte ich ihm, dass wir kein Telefon haben", erzählte Sanches später. Über die Jugendmannschaften führte der Weg des "Edgar Davids von Musgueira", wie er aufgrund seiner Dreadlocks in der Heimat genannt wird, auf die ganz große Fußball-Bühne.

"Für mich war es sehr wichtig, dieses Spiel gegen Benfica zu spielen. In diesem Verein bin ich als Spieler aufgewachsen. Ich möchte mich bei den Benfica-Fans bedanken", sagte Sanches nach dem Spiel am Mittwochabend bei Sky sichtlich gerührt: "Das war ein besonderer Moment für mich. Ich habe dieses Spiel und dieses Tor sehr genossen." (Lesen Sie hier die Stimmen zum Spiel)
Sanches verzichtete nach seinem Treffer auf einen ausschweifenden Jubel, stattdessen faltete er über dem Kopf die Hände zusammen. Es wirkte beinahe so, als würde er um Vergebung bitten. Dass Benfica ihn einst aus den Slums geholt hat, hat Sanches nicht vergessen.