FC Bayern: Das Drei-Monate-Trainingslager
München - Die nächste öffentliche Trainingseinheit des FC Bayern findet bereits am Samstag ab 15.30 Uhr statt. Wieder draußen in Fröttmaning. Der Wettbewerb heißt Bundesliga, der Sparringspartner Hertha BSC. Diesmal dürfen 75 000 Zuschauer dabei sein, am Dienstag in der Champions League waren lediglich 70 000 Fans zugelassen.
Ein Training? Natürlich eine ketzerische Übertreibung, schließlich kommt mit Hertha der aktuelle Tabellenvierte nach München. Andererseits: Nur eine Mannschaft fuhr in dieser Saison mit lediglich zwei Gegentreffern nach einem „Besuch“ der Allianz Arena nach Hause: Der FC Augsburg verlor Mitte September lediglich 1:2.
Die anderen Heimspiel-Ergebnisse der Schützenfest-Truppe von Trainer Pep Guardiola: 5:0 (HSV), 3:0 (Leverkusen), 5:1 (Wolfsburg), 5:1 (Dortmund), 4:0 (Köln), 4:0 (Stuttgart). In der Champions League siegte man gegen Zagreb mit 5:0, gegen Arsenal mit 5:1 und nun gegen Piräus mit 4:0. Macht bei zehn Heimauftritten sagenhafte 42:4 Tore und ein Durchschnittsergebnis von 4,2 zu 0,4. Was tun, Hertha?
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Sportvorstand Matthias Sammer wurde für seine Verhältnisse beinahe überschwänglich bis übermütig: „Natürlich haben wir riesiges Selbstbewusstsein. Wir sind extrem hungrig und das muss so bleiben.“ Die Bayern dominieren nicht nur die Liga (acht Punkte Vorsprung auf Verfolger Dortmund), sie spazierten auch durch die Vorrunde der Königsklasse, sicherten sich mit vier Kantersiegen in fünf Spielen vorzeitig Gruppenplatz eins. Was nun, Bayern? Kapitän Philipp Lahm sagte, dass „das nächste wichtige Spiel erst wieder im März stattfindet“. Er meinte die Achtelfinal-Partien der Champions League. Und vorher? Lahm erklärte: „Es kommt alles auf die entscheidenden Spiele im Frühling an. Wir müssen die Leistungen, die wir jetzt zeigen, auch später abrufen.“ Wenn es wirklich wichtig wird. Also geht die Mannschaft bis dahin in einen teilweisen Winterschlaf: Verletzte werden wieder ans Team geführt (Ribéry, Götze, Thiago, Bernat), viel belastete oder ältere Profis können hin und wieder geschont werden (Alonso, Robben, Boateng). Ansonsten gilt es, die Form zu konservieren. Schöne Aussichten!
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Denn ab sofort hat sie begonnen, die längste Vorbereitung des FC Bayern aller Zeiten, ein Drei-Monate-Trainingslager. Bis zum Stichtag, bis die gesamte Saison in nur ein bis zwei Spielen am Anspruch Triple gemessen wird: im Halbfinale um den europäischen Thron. Zwei Mal ging es unter Guardiola schief. 2014 schied man in der Runde der letzten Vier gegen Real Madrid aus (0:1, 0:4), ein Jahr später gegen den FC Barcelona (0:3, 3:2). Bis dahin wird trainiert. In jedem Spiel sieht Guardiola eine Fortbildungsmaßnahme, selbst unangenehme Situationen wie die plötzliche Rote Karte für Holger Badstuber gegen Piräus sind – heimlich willkommene – Übungseinheiten für den Ernstfall. „Es war eine große Lektion für uns“, meinte Guardiola und schickte als Warnung an seine Spieler hinterher:
„Wenn das in den K.o.-Spielen passiert, bist du schnell raus.“ Eben. In der Offensive berauschten sich die Bayern gegen Piräus nach den Treffern von Douglas Costa (8. Minute), Robert Lewandowski (16.), Thomas Müller (20.) und Kingsley Coman (70.) wieder einmal an sich selbst. „Es ist schon bemerkenswert, was für eine super Truppe wir sind, vor allem, was die Gier betrifft“, meinte Müller, der die Kollegen wie „lauter 18-Jährige“ erlebe, die „immer noch mehr wollen“. Immer hungrig, immer gierig. Oh Pep, du Glücklicher, du Seliger!
Der einzige Gegner der Bayern? Die Bayern selbst! Der Feind im eigenen System, im eigenen Kopf: Schlendrian, Genügsamkeit, Selbstzufriedenheit, gar Überheblichkeit. Aktuell gelingt es Guardiola, durch die ständige Rotation – gegen Piräus baute er zum 98. Mal in Folge seine Startelf um – sämtliche Gefahren wie Unzufriedenheit und Eifersüchteleien der Stars im Keim zu ersticken. Ab März zeigt sich dann, ob die Harmonie auch wirklich stimmt.