FC Bayern – Als es zwischen Beckenbauer, Rummenigge und Hoeneß so richtig krachte: "Verdammt nochmal"
München - Das Debüt geriet zum Fiasko, am 24. August 1974. Zum Bundesliga-Auftakt reisten die Bayern ins Frankfurter Waldstadion, der große FC Bayern. Der Europacupsieger, der Deutsche Meister, gespickt mit den frischen Weltmeistern. Das Gastspiel bei den Offenbacher Kickers, eine reine Pflichtaufgabe. So dachte man.
Die Tore an diesem sehr einseitigen Nachmittag erzielten Schwemmle, Bihn und zweimal Kostedde, dazu Sigi Held und Winnie Schäfer. Bayern verlor 0:6, es gab viel Hohn und Spott, allen voran von Offenbachs Trainer, einem Otto Rehhagel.
FC-Bayern-Debakel zum Start von Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge
Die bis dahin höchste Bundesliga-Pleite der Bayern markierte nicht nur den jähen Auftakt vom schleichenden Ende der großen Bayern-Ära der Siebziger. Es war gleichzeitig der erste gemeinsame Auftritt von Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß und des jungen Karl-Heinz Rummenigge, der im Sommer für 21.800 Mark Ablöse aus Lippstadt nach München gekommen war.
Die desaströse Premiere dreier Protagonisten, die in den folgenden Jahrzehnten zu den prägendsten Führungsfiguren in der Klubhistorie wurden. Drei Typen, ohne die die Bayern nicht konnten, die ohne die Bayern nicht konnten und die ohne einander nicht konnten. Vielleicht war das Debakel zum Einstand schon ein kleiner Vorgeschmack darauf, dass es nicht immer rund laufen würde. Weil das Miteinander immer auch gezeichnet war von Krach und Knatsch und Dissonanzen.
FC Bayern, das Kaiserreich – dann kamen Uli Hoeneß und Paul Breitner
Kompliziert ist das Miteinander von Anfang an. Ende der sechziger Jahre ist Beckenbauers Macht noch unumschränkt. Der FC Bayern, ein absolutistisches Kaiserreich. Der Klub bin ich, so ist das bis 1970.
Dann kommt Paul Breitner vom ESV Freilassing, dann kommt aber vor allem Uli Hoeneß von Ulm 1846. Breitner und Hoeneß, zwei Abiturienten, zwei mündige, meinungsstarke Spieler, das ist dem gelernten Versicherungskaufmann Beckenbauer von Anfang an suspekt.
Auf YouTube gibt es noch immer den schönen Clip, in dem Beckenbauer in jungen Jahren die Vielzahl von Studenten und Intellektuellen als Krankheit bezeichnet.
Uli Hoeneß über Franz Beckenbauer: "Der glaubt ja, die Welt dreht sich um seinen Nabel"
Und tatsächlich gerät gerade der Uli schon bald mit dem Franz aneinander. Hoeneß stellt die Hierarchie im Klub in Frage, erklärt öffentlich, der Verein wisse seine Rolle nicht zu schätzen – bis Beckenbauer, dem der Neuzugang wie ein notorisch schwäbisches Gscheidhaferl anmutet, dazwischen grätscht und über Hoeneß poltert: "Der glaubt ja, die Welt dreht sich um seinen Nabel."

Das Verhältnis bleibt angespannt, auch nach einer folgenden Aussprache in der Sportschule Grünwald. Nicht mehr als ein Burgfriedensgipfel.
Eine weitere Eskalation folgt bei der WM 1974, nach dem DDR-Spiel, als Beckenbauer im Alleingang dem zaudernden Bundestrainer Helmut Schön die personellen Konsequenzen diktiert und Hoeneß für das nächste Spiel auf die Bank verbannt. Das habe er sich "selbst zuzuschreiben", erklärt der DFB-Kapitän. Gerd Müller später dazu: "Der Uli brauchte diesen Schuss vor den Bug."
Beckenbauer über Rummenigge: "Er ist noch jung und weiß nicht immer, was er zu tun hat"
In den drei Jahren bis zu Beckenbauers Abschied – aus München nach New York – kämpfen bei den Bayern alle mit sich selbst, die Erfolge im Europapokal übertünchen kaum noch die bröselnde Patina des alten Glanzes. Bayern versinkt im Mittelmaß. Über den jungen Rummenigge meint der Kaiser noch devot: "Er könnte vom Talent her ein guter Spieler werden. Aber er ist noch jung und weiß nicht immer, was er zu tun hat."
Der Kaiser weiß das schon, er macht den Abflug – zu Cosmos nach New York.
Beckenbauer sorgt bei Hoeneß und Rummenigge für chronische Schnappatmung
14 Jahre später wird das Trio wieder zusammenfinden. 1991, als Beckenbauer mit Rummenigge die Vizepräsidentschaft hinter dem farblosen Vereinsboss Fritz Scherer übernimmt – und mit Manager Hoeneß de facto auch die Macht. Doch auch diese Zeit wird gekennzeichnet sein von Querelen. Beckenbauer, ab 1994 dann selbst Präsident, ist in seiner medialen Omnipräsenz bei "Bild", Premiere und RTL ein Franz Dampf in allen Gassen. Er mosert gegen Gott und die Welt und vor allem den FC Bayern und erzeugt beim immer enger verwobenen Zweigestirn Hoeneß/Rummenigge für chronische Schnappatmung.
Auch Beckenbauers private Werbeverträge irritieren und brüskieren die offiziellen Klubsponsoren. Werben die Bayern für Erdinger, greift der Franz zum Warsteiner, fahren die Spieler auf Opel ab, sitzt der Kaiser bei Mitsubishi am Steuer, und als der Verein mit Viag Interkom telefoniert, fragt Beckenbauer bei E-Plus: "Ja, is denn heut scho Weihnachten."
Und dann ist Franz der Präsident der Klötzerlschieber
Gerade mit der Ausgliederung der Profikickerabteilung aus dem Verein und der Gründung der FC Bayern AG 2001 verdrängen die neuen Klubbosse Hoeneß und Rummenigge Beckenbauer schließlich immer mehr aus dem operativen Geschäft.
Bezeichnend jene Episode aus dem Jahr 2002, als Beckenbauer mit seinem Manager Robert Schwan vor dem Abschluss eines Millionendeals mit der Deutschen Post als neuem Hauptsponsor des Klubs steht – bevor Hoeneß und Rummenigge stattdessen die Telekom an Land ziehen. "Sponsoren zu holen, ist doch gar nicht seine Aufgabe, verdammt nochmal", schimpft Hoeneß über den Franz.
Beckenbauer ist jetzt noch Präsident der Unterabteilungen wie Kegeln und Seniorenfußball. Und der Klötzerlschieber, wie er die Schachspieler einmal nennt. Und wenn er sich einmischt wie bei Trainerdebatten oder TV-Verträgen, dann sprechen ihm Rummenigge und Hoeneß immer wieder die Kompetenz ab und erklären meist, dass der Franz "nicht mehr nah genug dran" sei, um die Dinge richtig beurteilen zu können.
Hoeneß und Rummenigge staunen über Beckenbauers Ribéry-Aussage
Den letzten Affront, kurz vor dem Ende von Beckenbauers Präsidentschaft 2009, nehmen sie schon gar nicht mehr ernst, als Beckenbauer zum Neuzugang Franck Ribéry erklärt: "Des is a Franzos. Dem is München doch wurscht" – und Uli und Kalle über die Aussage nur entspannt ihr "Erstaunen" zum Ausdruck bringen.
Und doch bleibt eine unzertrennliche Bindung. Immer wieder besuchen Rummenigge und Hoeneß den bereits schwer kranken Beckenbauer in Salzburg, und wie tief sie der Tod ihres Freundes und Mitstreiters trifft, hat man am Mittwoch gesehen, als sie sich sichtlich bewegt in der Hofkapelle der Residenz ins Kondolenzbuch eintragen und mit den Tränen kämpfen.
Bei allen Differenzen, die sie in all der Zeit austrugen, tief im Inneren ging es ihnen eigentlich nur um das Beste für den FC Bayern. Das hat sie immer verbunden. Das wird sie immer verbinden. In unendlicher Freundschaft.