Fall Hoeneß: Der 18-Millionen-Hammer

Sein eigener Anwalt enthüllt: Er hat noch 15 weitere Millionen hinterzogen: Der Bayern-Präsident wagt den Befreiungsschlag: „Mein eigenes Fehlverhalten bedaure ich zutiefst.“ Das geschah am ersten Prozesstag.
Georg Thanscheidt |
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Der Angeklagte im Gerichtssaal: Der Präsident des FC Bayern München Uli Hoeneß am Eingang zum Gerichtssaal im Landgericht München II.
dpa Der Angeklagte im Gerichtssaal: Der Präsident des FC Bayern München Uli Hoeneß am Eingang zum Gerichtssaal im Landgericht München II.

München - Die Mundwinkel zucken. Uli Hoeneß wirkt sichtlich angefasst. Ein paar Stunden ist der Prozess erst alt und längst ist klar: Es ist alles noch viel schlimmer. Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft Uli Hoeneß nicht nur vor, zwischen 2003 und 2009 mehr als 3,5 Millionen Steuern hinterzogen zu haben. Diese wären auf Spekulationsgeschäfte und Kapitalerträge in der Schweiz fällig gewesen. Dort hatte er 33,5 Millionen Euro Einkommen generiert.

Hier können Sie den Liveticker vom ersten Prozesstag nachlesen!

Zudem hat er Verluste angemeldet, um seine Steuerlast zu drücken. Die Anklage schreibt von 5,5 Millionen Euro. Hoeneß wird von Richter Rupert Heindl hart befragt. Sogar sein eigener Anwalt, Hanns W. Feigen, attackiert ihn. Der hatte in seinem ersten Statement die eigentliche Bombe platzen lassen: Aus nun nachgereichten Unterlagen werde deutlich, „dass sich der Hinterziehungsbetrag deutlich auf über 15 Millionen erhöht". Das kommt zu den 3,5 Millionen oben drauf.

Außerdem kommt heraus, dass Hoeneß bei Vontobel noch ein weiteres Konto hatte. Die Akten aus der Vontobel-Bank, die Hoeneß dem Gericht erst kurz vor Prozessbeginn hat zukommen lassen, umfassen 70000 Seiten.

Die Verteidigung versucht mit dieser Strategie einen Befreiungsschlag - Anwalt Feigen setzte seinen Mandanten demonstrativ unter Druck, als er sich unwillig zeigte, weitere Vorwürfe zuzugeben. „Herr Hoeneß, erzählen Sie doch nichts vom Pferd", blaffte er den FC Bayern-Präsidenten an, als der behauptete, der Anruf des Stern-Journalisten bei Vontobel habe ihn nicht beunruhigt. „Jetzt machen Sie doch mal einen Punkt!" rief er aus – sichtlich bemüht, Hoeneß auf der „Brücke zur Steuerehrlichkeit" ein paar Meter weiter nach vorne zu treiben - aufs rettende Ufer der Bewährungsstrafe.

Hoeneß und sein dreiköpfiges Verteidiger-Team hatten gut angefangen: Lässig betrat der 62-Jährige den Sitzungssaal 134. Weißes Hemd, schwarzer Anzug, weinrote Krawatte mit weißen Punkten. Geduldig stellte er sich mehr als fünf Minuten hinter der Anklagebank dem Blitzlichtgewitter. Sogar ein Lächeln zwang er im Gespräch mit seinem Anwälten in sein Gesicht. Ehefrau Susi huscht kurz vor Prozessbeginn noch in den Saal und nimmt auf der Zeugenbank Platz.

Pünktlich eröffnet Rupert Heindl das Verfahren, Staatsanwalt Achim von Engel verliest die Anklage. Hoeneß hat die Hände glatt auf die Tischplatte gelegt, sein Blick geht nach oben, wo ein Fresko die Entwicklung der Rechtsgeschichte nachbildet. Dann hat sein Anwalt das Wort. Er betont die aktive Rolle seines Mandanten : „Wir stehen hier, weil Uli Hoeneß eine Selbstanzeige gemacht hat.“

Dann hat der Bayern-Präsident das Wort: „Ich bin froh, dass jetzt alles auf dem Tisch liegt. Ich werde alles dafür tun, dass dieses für mich bedrückende Ereignis abgeschlossen wird“, sagt er „Ich habe Steuern hinterzogen. Daran ändert auch die Selbstanzeige nichts". Auch geschäftlich hätten sich die Spekulationen in der Schweiz nicht gelohnt: „Ich habe sie mit Millionen-Verlusten abgeschlossen", sagt er: „Mein Fehlverhalten bedaure ich zutiefst."

Lesen Sie hier: Hoeneß-Prozess: Fragen und Antworten zu Tag 1

Das Konto bei Vontobel hatte er seit 1975 - vier Jahre, bevor er sich in der Schweiz ein Haus gekauft hat. Damals habe er als Bayern-Profi 200000 Euro verdient. Die Haus-Finanzierung sei über ein anderes Konto in Chur gelaufen. Einen Großteil der Geldgeschäfte hat ein befreundeter Chefdevisenhändler der Bank abgewickelt. Nach dem Börsencrash 1999 geriet das Konto erstmals in Turbulenzen. „Es wurde richtig eng", erinnert sich Hoeneß. Ein weiterer guter Freund, Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus lieh ihm 20 Millionen. Die kann Hoeneß schnell zurückzahlen – weil er weiterzockt, diesmal mit Erfolg. Das waren „extreme Beträge. Das war der Kick, es war pures Adrenalin", sagte er. „Die Wahnsinns-Geschäfte waren in den Jahren 2002 bis 2006.“

2008 beobachtet er „den rapiden Verfall meines Vermögens". Es begann eine „Spirale der Unglücksseligkeit".

Richter Heindl hakt stets nach, wenn Hoeneß sagt, er habe nicht bis ins Detail von den Millionengeschäften gewusst und nur Bank vertraut. „Sie können mit Ihrem Geld machen, was Sie wollen“, entgegnet Heindl. „Aber ich kann nicht nachvollziehen, dass um Millionen gezockt wird – und da gibt es kein Gespräch darüber.“ An einem Tag habe Hoeneß 18 Millionen verzockt, hält der Richter ihm vor. Er habe „nie einen Kontoauszug angeschaut“, so Hoeneß.

Lesen Sie dazu auch: Hoeneß: Sein Hammer-Geständnis im Wortlaut

Bei aller Reue betont der Bayern-Boss: „Ich bin kein Sozialschmarotzer!“ Er malt noch einmal das Selbstbildnis vom Wohltäter, der Millionen für soziale Zwecke gespendet und im fraglichen Zeitraum 50 Millionen an Steuern in Deutschland gezahlt habe.

Dass seine Selbstanzeige nicht gültig sein soll, habe ihn „total geschockt.“ Der Steuerfahnder, der ihm bei der Anzeige half, hat ein Disziplinarverfahren am Hals. Dessen Aussage wurde gestern verlesen. Demnach habe Hoeneß sich angezeigt, weil er von Recherchen des „Stern“ über das Vontobel-Konto wusste - laut Aussage hatte Hoeneß sogar zwei Tage vor Erscheinen des Magazins einen „Vorwegabdruck“ des Artikels. Die Verteidigung will hingegen belegen, dass die Tat da noch nicht entdeckt war – eine von zwei Bedingungen für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige.

Lesen Sie dazu auch: Dokumentation: Das ist die Anklageschrift

Zehn Millionen Euro hat Hoeneß schon dem Fiskus überwiesen. Auf freiem Fuß ist er nur, weil er eine Kaution von fünf Millionen hinterlegte. Er spricht von Morddrohungen gegen sich. „Ich will hier aber nicht jammern“, sagt er. Denn wäre er „steuerehrlich“ gewesen, „wäre das alles nicht passiert“.

 

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