Ex-Handballer Stefan Kretzschmar im AZ-Interview: "FC Bayern muss Leipzig ernst nehmen"
München - Im Interview mit der AZ spricht Stefan Kretzschmar unter anderem über die aktuelle Situation von Bundesliga-Tabellenführer RB Leipzig .Der 43-Jährige holte 2004 Olympia-Silber mit den deutschen Handballer. Heute sitzt der gebürtige Leipziger im Aufsichtsrat des Bundesligisten SC DHfK Leipzig.
AZ: Herr Kretzschmar, hat Sie die Fußballbegeisterung nach dem tollen Saisonstart von RB Leipzig auch gepackt?
STEFAN KRETZSCHMAR: Wenn man hier lebt, kommt man da natürlich nicht vorbei. RB Leipzig dominiert unsere regionalen Medien, deshalb verfolge ich das natürlich. Als Lokalpatriot, als Stadtpatriot sowieso.
Gehen Sie auch ins Stadion?
Gegen Dortmund war ich im Stadion, als es den ersten Heimsieg gab, das 1:0. Ansonsten bin ich beruflich selbst viel unterwegs am Wochenende, deshalb kann ich nicht so viele Spiele sehen.
Gibt es Kontakt zum RB-Team, von Handballer zu Fußballer?
Ich habe mit Ralph Hasenhüttl im Juni bei einem Golfturnier gespielt. Da sind wir mal 18 Loch zusammen gegangen und hatten Zeit, uns zu unterhalten. Seitdem schreibe ich ihm nach jedem RB-Sieg meine Glückwunsch-SMS. Wobei das langsam inflationär wird, jetzt muss ich nach jedem Spiel eine schreiben, so wahnsinnig, wie sich das entwickelt. (lacht)
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Wie haben Sie sich mit Hasenhüttl verstanden? Was ist er für ein Typ?
Er ist ganz entspannt und spielt übrigens auch sehr gut Golf. Ich glaube, er ist sehr ehrgeizig, ganz egal, was er macht. Er wusste schon vor der Saison genau, was er will, was er von seinem Team erwartet, wie die Voraussetzungen sind. Er hat einen sehr professionellen Eindruck gemacht.
Würden Sie sich inzwischen als Fan von RB bezeichnen?
Ich bin Fan vom 1. FC Union Berlin, schon lange, bin da auch im Stiftungsrat. Seit Ewigkeiten halte ich zu Union.
Es gibt keinen Platz für einen zweiten Verein?
Ich war bislang nie Fan von einem Bundesliga-Verein. Aber wenn man in Leipzig lebt, dann sieht man das mit Wohlwollen, was gerade hier passiert.
Parallelen zwischen Leipzig und Leicester City
Wie kann man sich die Stimmung in der Stadt aktuell vorstellen?
Die Menschen Freude sich sehr für den Verein, sie entwickeln ein Wir-Gefühl, ein stolzes Gefühl. Für die Stadt und die Region ist das großartig. Wenn man durch die Stadt läuft, sieht man auch ganz viele kleine Kinder mit Trikots, die Identifikation wächst ungemein. Seitdem Leipzig Tabellenführer ist, merkt man, dass die Leute am Montagmorgen mit stolzer Brust zur Arbeit gehen und erzählen, was RB am Wochenende wieder geleistet hat.
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Glauben Sie, dass RB sogar den FC Bayern gefährden und Meister werden kann?
Ein gutes Beispiel ist Leicester City vergangene Saison in England. Da kann man schon Parallelen sehen. Ich habe nicht das Gefühl, dass RB einbricht, dass sie eine Schwächeperiode haben müssten. Sie sind ernst zu nehmen, auch vom FC Bayern, die Experten sagen das ja auch. Sie spielen auf eine sehr erfrischende Art Fußball, sind schwer auszurechnen. Momentan gibt es ja das Argument, dass RB nur gegen Mannschaften gewinnt, die in der Tabelle dahinter stehen. Aber als Tabellenführer findet man natürlich wenige Gegner, die vor dir stehen. (lacht)
In Leipzig haben nicht nur die Fußballer Erfolg, sondern auch die Handballer. Sie sind Aufsichtsrat beim SC DHfK Leipzig, letztes Jahr ist Ihr Klub aufgestiegen, jetzt liegt er überraschend auf Platz fünf in der Bundesliga.
Das ist natürlich nicht zu vergleichen, vor allem finanziell. Unser Jahresbudget entspricht dem Gehalt eines Spielers von RB. Wir haben uns aber auch sehr rasant entwickelt. Aber man darf im Handball nie den Fehler machen und sich mit dem Fußball vergleichen.
Würde sich Ihr Verein dagegen wehren, sollte Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz Interesse zeigen?
Den Verein möchte ich sehen, der sich dagegen wehrt. Diese ganzen Behauptungen und Beleidigungen, Kommerzverein und so weiter, das ist alles Heuchelei. Wer sich im Sport-Business auskennt, der weiß, dass der Erfolg auch vom Budget abhängig ist. Niemand wird sagen: Tut mir leid, Herr Mateschitz, wir nehmen Ihre Millionen nicht.