"Es geht uns um die Wahrheit"
Für den Erhalt der Fankultur, gegen die DFL: Bayern-Fans machen mit FCA-Anhängern gemeinsame Sache und gehen in Augsburg auf die Straße. Die AZ war dabei.
Augsburg - Gerade als der Demonstrationszug der Bayernfans durchs Augsburger Vogeltor gelaufen war, stieg roter Rauch auf. Ein einzelner Unverbesserlicher hatte eine kleine Rauchbombe gezündet und bekam sofort die Quittung dafür. "Welches A...loch war das?", schrie der Zugführer der Bayern-Fans nach hinten. Dann setzte sich der Tross wieder in Bewegung.
Fußballfans aus ganz Deutschland machen dieser Tage vehement auf sich und ihre Belange aufmerksam, stellen sich gegen das Diskussionspapier der Deutschen Fußball Liga (DFL) mit dem Thema "Sicheres Stadionerlebnis" und die dadurch befürchteten Maßnahmen, die am 12.12. auf der DFL-Mitgliederversammlung von den Profi-Klubs beschlossen werden sollen.
"Für den Erhalt der Fankultur" setzen sich Ultras und andere Fans ein, die Initiative "Ohne Stimme keine Stimmung" sorgten am 14., 15. Spieltag und nun auch 16. Spieltag der ersten und zweiten Liga für einen Stimmungsboykott zu Spielbeginn (mehr zum Stimmungsboykott hier).
"Eure Repressionen halten uns nicht auf"
Am Samstag trugen die Fans den Protest nun aus den Stadien hinaus in die Innenstädte. Vor dem Spiel des FC Bayern beim FC Augsburg versammelten sich rund 800 Ultras und Fans beider Lager am Hauptbahnhof, zogen dann eineinhalb Stunden durch die Stadt.
"Für heut' und alle Zeit', wir sind immer hier - Eure Repressionen halten uns nicht auf", sangen beide Lager immer wieder - gemeinsam. Schließlich versammelten sich die Demonstrierenden an der Maximilianstraße zu einer Abschlusskundgebung.
Dort ergriff unter anderem Alexander Süßmair von der Partei Die Linke, gleichsam FCA-Mitglied mit der Nummer 1401, das Wort. "Es geht uns ganz einfach um die Wahrheit", sagte Süßmaier. Er forderte einen realistischeren Umgang mit Zahlen rund um die Fanszene, "99 Prozent von uns werden einfach gemeinsam in einen Topf geworden" - und das gehe so natürlich nicht.
Süßmair stellte unter anderem Opfer- und Täterstatistiken der "Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze" (ZIS) in Frage, die ein falsches Bild auf die Fußballfans werfen würden. Dazu seien einige der von der DFL vorgeschlagenen Maßnahmen aktionistisch und vor allem unnötig.
Gegen kollektive Stadionverbote
Stein des Anstoßes ist aus Sicht der Fans eine gewisse Willkür der Behörden und Polizei, gipfelnd in sogenannten "Nacktzelten", in denen rund um Fußballspiele Ganzkörperkontrollen möglich sein sollen. "Das ist gegen die Menschenwürde", sagte auch Tobias Thalhammer, FDP, Bayern-Mitglied mit der Nummer 6428, auf der Demo.
"Wir wollen nicht, dass die Politik nur ÜBER uns redet, wir wollen mitreden", so sein Anliegen im Namen aller Fans. "Kollektive Stadionverbote sind in einem Rechtsstaat nicht denkbar" - werden aktuell aber so ausgesprochen, ein Unding, wie Thalhammer findet: "Solche Pauschalurteile lehnen wir ab."
In der Sache vereint, der FDP- und der Linken-Politiker, so auch die Fans aus Augsburg und München. In zwei Gruppen im Abstand von knapp 50 Metern waren beide Fangruppen friedlich durch die Stadt gezogen, dazwischen ein Auto mit einem Anhänger und Soundsystem, "Get Up, Stand Up", der Bob-Marley-Klassiker, lief in Dauerschleife.
Besuch in der Bürgerkriegszone
"Die Öffentlichkeit muss hinsehen", forderte Süßmair von der Linken. "Es stimmt einfach nicht, dass wir gewaltbereite Chaoten sind." Anhand der Aussagen von DFL und Behörden könne man fast meinen, ein Stadionbesuch gleiche einem Besuch "in einer Bürgerkriegszone". Doch Fakt sei: "An einem Tag Oktoberfest gibt es mehr Verletzte als in einem Jahr Fußball."
Den Eindruck, einen chaotischen Haufen vor sich zu haben, konnte auch Bernhard Pliefke, Polizeidirektor in Augsburg und Einsatzleiter während der Demo, nicht bestätigen. "Es lief alles problemlos und friedlich ab", sagte er der AZ: "Bis auf den kleineren Rauchkörper war sonst nichts. Wir hatten vergleichsweise wenig Beamte im Einsatz, haben eigentlich nur den Verkehr geregelt."
Gegen 13.10 Uhr löste sich die Demonstration dann auf. Sonderstraßenbahnen fuhren die Fans direkt zum Stadion. Dort blieben beide Lager dann wieder für zwölf Minuten und zwölf Sekunden still, ehe man die Spieler nach einem Countdown wieder ganz normal anfeuerte.