Eine Reizfigur namens Leroy Sané: Die erste große Prüfung für Julian Nagelsmann

Die eigenen Fans pfeifen den Bayern-Star in der Allianz Arena nach dessen schwachem Auftritt gegen Köln aus. "Das wollen wir nicht", sagt Thomas Müller - und Karl-Heinz Rummenigge empfindet "Mitleid".
von  Patrick Strasser
Leroy Sané wurde gegen Köln von den Bayern-Fans ausgepfiffen.
Leroy Sané wurde gegen Köln von den Bayern-Fans ausgepfiffen. © imago images/ActionPictures

München - Das Schlimmste an den Pfiffen der eigenen Fans gegen Leroy Sané am Sonntag in der Allianz Arena war: Für den Bayern-Profi war es ein Déjà-vu-Erlebnis. Im Juni war dies dem Flügelstürmer an Ort und Stelle schon einmal widerfahren: Beim 2:2 der DFB-Auswahl im letzten EM-Gruppenspiel gegen Ungarn wurde der Nationalspieler nach einem missglückten Dribbling, Fehlpässen und einem schwachen Freistoß von den deutschen Fans ausgepfiffen - eine verzichtbare Erfahrung, und das bei seinem einzigen (!) Startelf-Einsatz während des Turniers, einer EM zum Vergessen.

Für die Nationalelf und für Hoffnungsträger Sané. Von maximal 360 kam er lediglich 112 Minuten zum Einsatz. Er blieb ohne Tor, ohne Vorlage. Noch bitterer nun das Echo auf seine sehr schwache Leistung als Rechtsaußen mit Defensivaufgaben (lediglich 25 Prozent gewonnene Zweikämpfe, mit 37 Prozent die höchste Fehlpassquote aller Bayern-Profis) beim 3:2 gegen den 1. FC Köln: Als seine Auswechslung zur Halbzeit verkündet wird, gibt es Applaus, ja sogar Jubel im Stadion.

Sané zeigt seine Weltklasse viel zu selten

Verhöhnt zu werden - für einen Spieler die Höchststrafe. An Supertalent Sané, der letzten Sommer von Manchester City für 45 Millionen zum FC Bayern kam, haben sich die Fans schon immer gerieben. Er ist eine Reizfigur. In Sané schlummert Weltklasse, er zeigt sie nur viel zu selten.

Eine Frage der Einstellung, der Mentalität? Sanés erste Saison bei Bayern (44 Einsätze, zehn Tore, zwölf Vorlagen) war ordentlich bis okay, die Bosse erwarten sich aber eine deutliche Leistungssteigerung. Unter Neu-Trainer Julian Nagelsmann erhofft man sich einen Neuanfang - nun der Rückschlag. Erst die Pfiffe, dann noch Mitleid von Bayerns ehemaligem Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge bei "Bild": "Erstmal hat es mir nicht gefallen. Ich habe Mitleid mit ihm. Er bemüht sich, hat aber kein Selbstvertrauen. Er hat keine gute EM gespielt. Mit seiner Ablöse und Gehalt kommt die Kritik der Fans langsam hoch."

Dann zog Rummenigge einen Vergleich mit Bayern-Legende Arjen Robben. "Ich fühlte mich an das Jahr 2012 erinnert." Robben wurde damals bei einem Teil der Fans zum Buhmann, nachdem er im verlorenen Champions-League-Finale dahoam gegen Chelsea einen Elfer verschossen hatte. In einem Spiel der Bayern gegen das niederländische Nationalteam wurde Robben dann von den Fans ausgepfiffen. Der "todtraurige" Robben sei damals fast so weit gewesen, um seine Freigabe zu bitten, so Rummenigge. Robben blieb und wurde beim Champions-Legue-Finale 2013 zum Helden. Ein gutes Vorbild für Sané. Trainer Nagelsmann meinte zu den Pfiffen: "Es gehört sich eigentlich, dass die eigenen Fans die Spieler unterstützen. Besonders zu Hause ist die Unterstützung der richtige Weg."

Nagelsmann: "Du wirst nicht überall freudig empfangen"

Aber er verteidigte Sané nicht wirklich, als es darum ging, wie er den Geschmähten nun aufbauen will: "Wir werden ganz normal mit ihm arbeiten und die Dinge besprechen, die wir besser machen wollen." Doch was, wenn Sané in ein Formloch fällt? "Es gibt keinen Spieler auf der Welt, der nicht am liebsten Top-Leistung abruft. Aber nun demotiviert aufzutreten, würde gar keinen Sinn ergeben. Dann hätten die Pfiffe ja nichts bewirkt." Klingt fast, als wäre die Kritik der Fans Nagelsmann nicht so unrecht gekommen.

Am Montag stellte sich der Bayern-Chefcoach deutlicher hinter seinen gedemütigten Spieler: "Viele Leute, die auf der Tribüne sitzen, haben auch schon mal einen Fehler gemacht in ihrer Arbeitsstelle - da kommt der Leroy auch nicht und pfeift, wenn irgendwas nicht passt." Wobei dieser Vergleich schon immer hinkte. Nagelsmann bei Sport1 weiter: "Es gibt im Leistungssport natürlich auch immer ein paar Dinge, die du auch aushalten musst - leider. Das ist für Trainer wie Spieler nicht anders. Du wirst nicht überall freudig empfangen."

Sanés Laissez-faire-Haltung kommt bei einigen Mitspielern nicht gut an

Auch in der Mannschaft kommt Sanés zeitweise Laissez-faire-Haltung bei einigen Mitspielern nicht gut an. Zu den Pfiffen sagte Vize-Kapitän Müller: "Das wollen wir nicht. Da erwarte ich von den Fans mehr Unterstützung für uns Spieler. Leroy hat auf jeden Fall die absolute Unterstützung von uns im Team, und ich hoffe, dass das auf die Ränge übertragen werden kann." Joshua Kimmich fand die Reaktion der Fans "schon echt frech und bitter".

Und der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn meinte: "Für Leroy geht es darum, das wegzustecken. Als Klub ist es unsere Aufgabe, ihn dabei zu unterstützen. Wir sind jederzeit dazu bereit, ihm zu jedem Moment zu helfen."

Das wird nicht einfach - und zugleich die erste größere Prüfung in Mitarbeiterführung für den neuen Coach. . .

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