Ehemalige FC-Bayern-Trainer als Nachfolge-Kandidaten: Läuft die Zeit von Hansi Flick beim DFB bald ab?
München - Hansi Flick (58) bleibt in der größten DFB-Krise seit der Jahrtausendwende wenig erspart – auch nicht dieser wenig schmeichelhafte Vergleich von Didi Hamann (49). "Die Erfolge bei Bayern hatte er auch, als er zunächst Interimstrainer war", sagte Hamann im "Kicker" und ergänzte: "Ich würde Flick mit Roberto di Matteo vergleichen, der mit Chelsea 2012 Champions-League-Sieger wurde." Damals in München, im Finale dahoam, auf dramatische Art und Weise gegen den FC Bayern. Unvergessen.
Di Matteo (53), so Hamann weiter, habe "davor und danach aber keine besondere Trainerkarriere hingelegt. Bei Flick war der Druck 2020 nicht so groß wie in der Nationalelf, ebenso fehlten in der Corona-Zeit die Zuschauer, und es gab diesen Turniermodus in der Champions League."
Flicks Bilanz als Bundestrainer: Kann er doch nur FC Bayern?
Äußerst kritische Aussagen über Flick, der in 18 Monaten immerhin sieben Titel mit den Münchnern gewann – während di Matteo, der spätere Schalke-Coach, nur noch den FA Cup mit Chelsea holte. Aber das Thema, das Hamann anspricht, drängt sich durchaus auf: Kann Flick nur Bayern?
Seine Zeit als Bundestrainer ist jedenfalls von Misserfolgen geprägt, Flicks Quote mit 1,79 Punkten pro Spiel die zweitschlechteste in der DFB-Trainer-Historie – knapp vor Erich Ribbeck (86), der zwischen 1998 und 2000 auf 1,5 Punkte pro Partie kam. Autsch. Bei Bayern hatte Flicks Team im Schnitt 2,53 Punkte gesammelt. Hamann würde sich daher ein Jahr vor der Heim-EM von Flick trennen: "Die Gefahr, dass das mit ihm schiefgeht, ist so groß, dass du jetzt handeln musst. Es geht im Riesentempo in die falsche Richtung."
Wie schon beim FC Bayern: Wird Julian Nagelsmann Flicks Nachfolger?
Doch wer soll als Bundestrainer auf Flick folgen? Der derzeit vereinslose Ex-Bayern-Trainer Julian Nagelsmann (35) wäre für Hamann ein Kandidat, "mit dem du als DFB reden musst", den er "mit Handkuss begrüßen" würde.
Schlimmer als aktuell "kann es nicht werden", ergänzte der Sky-Experte, der sich generell aber mal einen ausländischen Bundestrainer wünschen würde: "Wir denken in Deutschland: Wir sind die Größten, wir haben die beste Nachwuchsarbeit, die tollste Trainerausbildung. Aber nichts davon stimmt. Nichts! Dass mal ein Südamerikaner, ein Holländer kommt, vielleicht ein Zinedine Zidane aus Frankreich, der hinterfragt, was hier läuft, das wäre gut."

Neben Zidane (50/vereinslos) nannte Hamann auch Carlo Ancelotti (64/Real Madrid) als möglichen DFB-Trainer, zudem werden Jürgen Klopp (56/FC Liverpool), Matthias Sammer (55/Berater bei Borussia Dortmund) und Stefan Kuntz (60/Türkei) als Flick-Erben genannt.
Noch scheint der Bundestrainer seinen Job aber sicher zu haben – wohl auch deshalb, weil der DFB, der einst reichste Sportverband der Welt, mit finanziellen Problemen zu kämpfen hat und Flick bei einer Entlassung eine Millionen-Abfindung zahlen müsste. Der Vertrag des Bundestrainers läuft bis nach der EM 2024.
Trotz Krise der Nationalmannschaft: Rudi Völler steht hinter Bundestrainer Hansi Flick
DFB-Präsident Bernd Neuendorf berichtete von einem Telefonat mit Flick, in dem ihm dieser zugesichert habe, "dass wir im September eine Mannschaft sehen werden, die anders auftritt als zuletzt." Auch DFB-Sportdirektor Rudi Völler (63) hatte sich öffentlich hinter Flick gestellt – allein um DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke (64), der gerade im Urlaub weilt, ist es auffällig still geworden.
Watzke, der gleichzeitig Geschäftsführer von Borussia Dortmund ist, hat zwischen Ende 2019 und Mitte 2021 erlebt, zu was der Trainer Flick in der Lage ist. Beim FC Bayern formte der Nachfolger des entlassenen Niko Kovac (51) aus einer verunsicherten Truppe eine Siegmaschine, die national und international jeden Titel gewann.
Breiter Spagat zwischen FC Bayern und Nationalmannschaft
Anders als derzeit bei der Nationalmannschaft gelang es Flick in dieser Zeit, eine Achse mit Weltklassespielern zu installieren, die das Team auch in schwierigen Phasen anführte: Mit Manuel Neuer (37) im Tor, David Alaba (30) und Jérôme Boateng (34) in der Abwehr, Joshua Kimmich (28), Leon Goretzka (28) und Thiago (32) im Mittelfeld, Thomas Müller (33) und Robert Lewandowski (34) im Angriff. Ein solch überragender Stürmer wie Lewandowski geht Flick im DFB-Team ab, ebenso Top-Außenverteidiger.
Bei Bayern spielten damals Alphonso Davies (22) links sowie Benjamin Pavard (27) oder Kimmich rechts. Der Qualitätsunterschied zwischen Flicks Bayern- und der Nationalelf ist also offensichtlich – doch der Coach beging bei den Münchnern auch weniger Fehler. Er setzte konsequent auf ein 4-2-3-1-System, lag bei Aufstellungen und Auswechslungen meist richtig. Diese Klarheit, dieses Händchen hat Flick verloren. Übrigens: Das war auch schon in Flicks zweiter Bayern-Saison der Fall, als nur noch die Meisterschaft geholt wurde und die Defensive äußerst anfällig war.