Drei Spiele ohne Sieg - FC Bayern kriselt: Was kann Kovac (dafür)?

Nach dem 1:1 gegen Ajax, der dritten Partie ohne Sieg, kriselt es bei den Bayern leicht. "Ich muss das erstmal verarbeiten", sagt der Trainer, dessen Rotation mal wieder nicht aufgeht.
von  Julian Buhl
Niko Kovac hast fast auf allen Positionen die Qual der Wahl.
Niko Kovac hast fast auf allen Positionen die Qual der Wahl. © Sebastian Gollnow/dpa

München – Drei Spiele ohne Sieg, mickrige zwei Tore. Als der FC Bayern letztmals drei Partien ohne Erfolg geblieben war, kam Jupp Heynckes zurück. Das war vor einem Jahr. Am 9. Oktober 2017 leitete er sein erstes Training. Und als die Mannschaft ihrem Coach zum Abschied im Mai eine Collage mit Bildern und Sprüchen schenkte, schrieb Thomas Müller: "Danke Trainer... Wir sehen uns im Oktober – Thomas". Ein Spaß. Ob man im Hause Heynckes darüber lächeln kann? Jedes Mal, wenn dieser Tage das Festnetz-Telefon läutet?

Nein, so weit ist es noch nicht auf der von Uli Hoeneß bemessenen Notruf-Skala. Obwohl die Krise durch das 1:1 gegen Ajax Amsterdam im zweiten Gruppenspiel der Champions-League-Vorrunde von Mini- auf Normal-Maß anwuchs. Kein Wort von den Bossen nach dem Spiel, Hoeneß presste die Lippen fest aufeinander.

Der FC Bayern diese Saison: Starker Start, schwacher Abgang

Das 1:1 war ein Spiegelbild der bisherigen Saison. Schwung- und druckvoll angefangen, durch den Kopfball von Mats Hummels ein Führungstor erzielt (4.) – und dann? Schneckenhaus, Schneckentempo.

Noten: Drei Mal die Fünf und viele Vieren für die Bayern

Mit dem Ausgleich durch Noussair Mazraoui (22.) wurde der Stecker gezogen. Letzte Woche waren es die Augsburger mit ihrem 1:1. Sie machten vor, wie man das Angriffsspiel der Bayern träge und statisch erscheinen lässt: Durch eine offensive Verteidigung, durch "hohes Abfangen" wie es Ajax-Trainer Erik ten Hag nannte. "Wir haben den Gegner aufgebaut und uns letzten Endes abgebaut", befand Kovac. Doppelt kontraproduktiv, seine Bayern.

Ist der Kovac-Code geknackt? Bereits im zehnten Pflichtspiel? Moment – welcher Code? "Der FC Bayern spielt seit Hitzfeld und van Gaal ein fixes, funktionierendes System", erklärte der Neue zuletzt öfter. Also Ballbesitzfußball zum Zwecke der Dominanz. Sein USP (unique selling point) – so bezeichnet man in der Wirtschaft ein spezifisches Alleinstellungsmerkmal – sei die Konzentration auf Defensive und Umschaltspiel, neudeutsch für: schnelles Hinter-den-Ball-Kommen nach Ballverlust und überfallartige Konter nach Ballgewinn.

Bayern fehlt das Tempo - psychisch und physisch

Klappte in den ersten sieben Spielen: sieben Siege. Dafür müssen alle mitmachen. Wenn nicht, gibt’s Lücken. Und die nutzt eine Speed-Mannschaft wie das junge Ajax. Den Bayern hingegen fehlt Tempo, gedanken- und handlungsschnelles Spiel. Joshua Kimmich, in letzter Zeit als Kritiker mit auffallend deutlichen Worten: "Wir hatten fast schon Glück mit dem einen Punkt. Ajax hatte sowohl mit als auch gegen den Ball einen Plan." So mancher fragt sich in München: Was kann Kovac (dafür)?

Der wirkte leicht angeschossen, ratlos. Was er auch – Punkt für ihn – ehrlich zugab. "Ich muss das erstmal verarbeiten, die Gedanken sortieren. Nicht nur ich bin überrascht", sagte er, dies sei "von der Art und Weise und der Form" her nicht zu erwarten gewesen. Im Spiel hatte er keine Lösungen für den Systemabsturz parat, keine taktischen Umstellungen, die den Gegner überraschen. Er wechselte positionsbezogen.

Wird zu viel rotiert?

Überhaupt, das viele Startelf-Wechseln, die Rotation: Sie wirkt wie auf dem Reißbrett entworfen, von langer Hand geplant. Spieler müssen geschont werden – ja, richtig. Aber Rotation als Selbstzweck? "Der Rhythmus ist nach dem Augsburg-Spiel verlorengegangen", sagte Präsident Uli Hoeneß am Mittwoch. "Wir haben viel rotiert, seitdem ist ein bisschen der Wurm drin. Aber das ist Sache des Trainers, er muss am Ende den Kopf dafür hinhalten."

Am Samstag geht es in der Bundesliga gegen Borussia Mönchengladbach, gegen eine Mannschaft, die offensiv verteidigt, mit Tempo kommt. Ein Knackpunktspiel. "Wir brauchen einen Sieg, um in die Spur zu kommen", sagt Arjen Robben. Und um in Stimmung zu kommen. Für den Wiesn-Ausflug mit Kalle, Kind und Kegel am Tag darauf. Sonst schmeckt’s nicht.

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