Doch nicht Sportdirektor? Hoeneß plant die Lahm-Wende

München - Philipp Lahm als neuer Sportdirektor des FC Bayern? Das schien am Freitagabend im Audi Dome so sicher wie die Wahl von Uli Hoeneß zum Präsidenten.
Dazu musste man nur Karl-Heinz Rummenigge lauschen, der sich erst gar keine Mühe gab, das Thema zu dementieren oder kleinzuhalten. Man werde die derzeit vakante Position „in nicht allzu ferner Zukunft“ wieder besetzen, sagte Rummenigge. Und weiter: „Wir haben da einen im Hinterkopf. Den Namen haben Sie sicher schon gehört. Den werden wir auch holen, aber der muss im Moment noch Fußball spielen.“
Wen Rummenigge meinte? Lahm, na klar, der in den Wochen zuvor öffentlich mit der Nachfolge-Rolle von Matthias Sammer kokettiert hatte – mit dem Zusatz, dass er dafür womöglich bereit sei, seine Karriere schon ein Jahr früher, also im Sommer 2017, zu beenden.
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Wenige Tage nach den scheinbar aufdeckenden Sätzen von Rummenigge ist die Zukunft von Lahm wieder offen. Sie ist sogar ungewisser denn je. Und das hat mit Hoeneß zu tun. In der „Sport Bild“ erklärte der Präsidenten-Rückkehrer, dass er sich Lahm „am liebsten“ noch bis 2018 als Spieler wünsche – und eben nicht in leitender Funktion neben dem Platz: „Er ist immer noch ein überragender Spieler, den wir auf dem Spielfeld brauchen. Derzeit können wir ihn weder als Spieler noch als Persönlichkeit ersetzen. Er ist ja nicht umsonst unser Kapitän.“
Aussage mit Sprengkraft
Sätze, die freundlich klingen, die nachvollziehbar und richtig sind. Die aber jede Menge Sprengstoff in sich tragen. Hatte nicht Hoeneß am Sonntag beim Fanklubbesuch in Wunsiedel erklärt, dass Bayern „bis spätestens zum 1. Juli 2017“ einen neuen Sportdirektor präsentieren wolle? Hatte nicht Rummenigge ziemlich klar zu verstehen gegeben, dass er sich dafür Lahm wünsche? Hoeneß’ Aussagen zeigen, dass sich die beiden Alphatiere in dieser wichtigen Frage uneinig sind. Die Lahm-Wende. Lehnt der Präsident den Kapitän als Sportdirektor grundsätzlich ab?
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Über diesen Posten entscheide der Vorstand, so Hoeneß zur „Sport Bild“: „Ich werde mich da nicht einmischen.“ Rummenigge wisse, „dass ich immer für einen Rat zur Verfügung stehe“. Wie dieser in Bezug auf Lahms Zukunft aussehen werde, verriet Hoeneß auch gleich: „Bis 2018 hätten wir genug Zeit, um in aller Ruhe zu schauen, in welcher Form Philipp bei uns im Klub tätig wird.“ Ein Satz, der alles möglich erscheinen lässt: Lahm in einer wichtigen Position bei den Bayern. Aber eben auch: Lahm in einer nicht ganz so wichtigen Position.
Schlechte Erfahrungen
Hoeneß hat schlechte Erfahrungen damit gemacht, einen Ex-Spieler, der noch keine Erfahrung im Fußball-Management hatte, zum Sportdirektor zu ernennen. 2009 löste der Ex-Bayern-Profi Christian Nerlinger Hoeneß ab, der ins Präsidentenamt wechselte. 2012 war das erfolglose Experiment beendet, Matthias Sammer folgte. Zweifelt Hoeneß nun auch an Lahm, der wie Nerlinger auf keinen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann wie etwa der Gladbacher Max Eberl, dessen Name immer wieder fällt und der laut „Sport Bild“ gegen eine Ablöse nach München wechseln dürfte? Gut möglich.
Auch über eine Doppelspitze in der sportlichen Leitung mit dem Ex- Bayern-Spieler und Hoeneß-Vertrauten Eberl und Lahm wird spekuliert. „Ich glaube, dass Philipp ein guter Kandidat ist. Er ist sehr intelligent, kennt den FC Bayern und die Funktionäre“, sagte Franck Ribéry bei Sky Sport News HD.
Eberl blockt derweil: „Ich habe mich dazu schon im Sommer geäußert, und es gibt auch keinen neuen Stand. Ich habe einen Vertrag bis 2020, fühle mich in Gladbach total wohl, will hier etwas erreichen, alles andere ist kein Thema für mich.“
Schwieriges Verhältnis zu Lahm
Hoeneß äußert sich zu Lahm defensiv. Wohl auch wegen dessen Verhalten in der Vergangenheit. Und wegen dessen Berater. Roman Grill, der in München eine Agentur führt und dessen Klienten, auch Lahm, täglich Yoga machen – während Hoeneß laut eigener Aussage gerade gelernt hat, SMS zu schreiben –, war Spieler und Jugendtrainer bei Bayern, stand ständig mit Hoeneß in Kontakt.
Schwierig wurde das Verhältnis 2009, als Lahm – ohne den Verein zu informieren – ein Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ gab, in dem er eine klare „Spielphilosophie“ forderte und die Klubführung für Transfers kritisierte. Hoeneß’ Reaktion damals: „Sie können sicher sein, dass er dieses Interview noch bereuen wird.“
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Ein inniges Verhältnis, wie es Hoeneß zu vielen Ex-Spielern pflegt, zu Scholl oder Salihamidzic, hat er zu Lahm nicht. Gemeinsame Abende mit Wein und Kartenspielen, wie es im Hause Hoeneß oft der Fall ist? Lahm wird man dort nicht antreffen.
Sie sind so unterschiedliche Typen. Der Bauchmensch Hoeneß und der Kopfmensch Lahm, sie wählen andere Wege, um ihre Ziele zu erreichen: Der eine (Hoeneß) immer geradeaus, direkt, hart, aber herzlich. Der andere (Lahm) eher durchdacht, mit der Vorliebe fürs Strippenziehen im Hintergrund. Es ist kein Geheimnis, dass Hoeneß seinen Weg bevorzugt. „Wenn Lahm nur einmal bei mir gewesen wäre, hätte ich mich mit ihm auseinandergesetzt“, sagte Hoeneß nach dem brisanten SZ-Interview, „wir wollen mündige Spieler! Aber er war nie da.“