Der Wirkungstreffer: Bayerns Suche nach der Souveränität

Bayern verspielt ein 2:0 bei Erzrivale Dortmund. Nach dem 2:2 in der 95. Minute rastet Oliver Kahn auf der Tribüne aus - und wird danach sehr deutlich. "Wir müssen jetzt schnell auf Platz eins", fordert er.
Patrick Strasser |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
1  Kommentar
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
"Es regt uns sehr auf", sagt Bayerns Leon Goretzka nach dem 2:2-Ausgleich der Dortmunder durch Antony Modeste (l.) in der 95. Minute.
"Es regt uns sehr auf", sagt Bayerns Leon Goretzka nach dem 2:2-Ausgleich der Dortmunder durch Antony Modeste (l.) in der 95. Minute. © imago/Jan Huebner

Dortmund/München - Die Bayern-Welt, sie war wieder so was von in Ordnung Mitte der zweiten Halbzeit. Eine verdiente 2:0-Führung bei Borussia Dortmund durch die Tore von Leon Goretzka und Leroy Sané, den beiden Ex-Schalkern. Ein ruhig gespielter Hexenkessel, ein resignierender Rivale. Das 3:0 lag in der Luft, leichtfüßig tänzelten Sané und Jamal Musiala über den Rasen, dem neunten Pflichtspiel-Erfolg in Serie gegen den BVB entgegen.

Urknall auf den Tribünen

Die fünfte von vier Minuten Nachspielzeit war gerade angebrochen, da zerplatzte der bereits fest verbuchte Münchner Statement-Sieg. Anthony Modeste köpfte das Dortmunder 2:2 in letzter Sekunde, verursachte einen Urknall auf den Tribünen des Signal-Iduna-Parks. Es regnete Emotionen, Bier und Konfetti, während bei Bayerns Vorstandsboss Oliver Kahn der Zornesblitz einschlug.

Schmerzhafter Punktverlust

Er hätte wohl am liebsten in seinen Sitz gebissen. Die Sitznachbarn Herbert Hainer, der Präsident, und Jan-Christian Dreesen, der Finanzvorstand, blieben unverletzt. Bayerns Seele dagegen erhielt eine neue Wunde. Die zwei verdaddelten Punkte tun mehr weh als der eher peinliche 0:1-Ausrutscher vor drei Wochen beim FC Augsburg.

Lesen Sie auch

Sechs Spiele, ein Sieg

Ein bitterer Wirkungstreffer. Lediglich ein Sieg in den letzten sechs Ligaspielen. Der Serienmeister hat seine dank der beiden Kantersiege gegen Leverkusen (4:0) und Pilsen (5:0) zurückgewonnen geglaubte Souveränität wieder eingebüßt.

"Wir haben die Dortmunder wieder ins Spiel gebracht, müssen einfach das Spiel entscheiden", sagte ein völlig bedienter Kahn eine Stunde nach Abpfiff vor dem Teambus und sinnierte mit leerem Blick an den Reportern vorbei: "Es ist eine erstaunliche Saison, wie wir es immer wieder hinbekommen, uns um den verdienten Lohn zu bringen - das ist..." Er rang nach Worten, denn es brodelte im Vul-Kahn.

"Wir müssen jetzt schnell in die Puschen kommen"

"Da muss ich mich schon lange zurückerinnern." Trotz der Gedächtnissuche fand er keinen Vergleich. Seine unmissverständliche Forderung folgte: "Wir müssen jetzt schnell in die Puschen kommen. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Mannschaften, die über uns stehen, immer nur unentschieden spielen oder verlieren."

Der Auftrag: "Wir müssen jetzt schnell auf Platz eins." Das aber kann dauern. Kahn verlangte, "eine gewisse Ergebnisstabilität" reinzubringen, dann mache er "sich überhaupt keine Sorgen". Kann klappen - oder auch nicht.

Lesen Sie auch

Kritik von Neuer und Goretzka

"Es lag ganz klar an uns - und nicht an Dortmund. Wir hätten den Sack zumachen müssen mit einem dritten Tor", mäkelte Kapitän Manuel Neuer. Und Leon Goretzka schimpfte: "Es regt uns sehr auf. Wir haben ein gutes Spiel gemacht, nur aber die letzte Konsequenz vermissen lassen. Das passiert uns in letzter Zeit ein bisschen zu oft." Für Neuer "sind in letzter Zeit einfach zu viele kleine Fehler passiert".

Auch beim 2:2 gegen den VfB Stuttgart verspielte Bayern eine Führung, nach 1:0 und 2:1. Schon damals sprach der wegen Corona-Nachwehen fehlende Thomas Müller von "fehlender Gier und Galligkeit".

Das war nicht "Bayern-like"

"Das ist eigentlich nicht Bayern-like, wenn man 2:0 führt, dann sollte man das Spiel gewinnen", sagte Ehrenpräsident Uli Hoeneß in der Sendung "Der Sonntags-Stammtisch" im BR und erklärte "Bayern-like" so: "Mia san mia. Einfach großes Selbstvertrauen und den anderen sagen: Jetzt kommt's mal schön - und dann haut man ihnen das dritte rein."

Angst? Entsetzen? Bayern-Coach Nagelsmann.
Angst? Entsetzen? Bayern-Coach Nagelsmann. © GES/Augenklick

Was kann da ein Trainer wie Julian Nagelsmann machen, den zuletzt in engen Spielen das (Ergebnis-)Pech verfolgt? Für eine Trainerdiskussion sei "überhaupt kein Grund vorhanden", versuchte Hoeneß genau diese sogleich wieder einzufangen.

Lesen Sie auch

Ergebniskrise oder miese Entwicklung?

Ist es wirklich nur eine Ergebniskrise? Oder sind nicht die schwachen Ergebnisse vielmehr immer das Resultat einer sportlichen Entwicklung? Hoeneß fügte in Mia-san-mia-Rhetorik hinzu: "Ich bin überzeugt, wenn sich alles normalisiert, dass wir bald wieder Tabellenführer sind." Eben: Wenn... Und wenn überhaupt: Wann? Nächsten Sonntag kommt der SC Freiburg, zu denen Bayern in der Tabelle aufschaut. Bis dahin brodelt es weiter...

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
1 Kommentar
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Südstern7 am 10.10.2022 13:18 Uhr / Bewertung:

    Natürlich läuft es nicht rund. Von den Ergebnissen her. Das 2:2 gegen Stuttgart und den BVB in der Nachspielzeit gegen Dortmund. Das ist ärgerlich, das darf nicht passieren.

    Aber lassen wir die Kirche doch mal im Dorf und rekapitulieren wir das Spiel gegen den BVB09:

    Bayern fährt als Tabellendritter zum punktgleichen Tabellennachbarn und spielt dort souverän auf. Führt 2:0 und und so um die 70. ist es mucksmäuschenstill im Stadion, weil Bayern klar dominiert. Dortmund, mit so viel Hoffnung ins Spiel gegangen, ist taktisch und technisch unterlegen, hat eigentlich das Spiel verloren

    Dann kommt der Anschlusstreffer aus heiterem Himmel und Dortmund tut das was man erwartet: Man kämpft und hängt sich voll rein! Die Schwarz-Gelben stemmen sich mit allem was sie haben gegen die Niederlage. Und sie erreichen tatsächlich noch das Unentschieden. "Nicht unverdient -" wie es im Fachjargon in solchen Momenten heißt, "aber dennoch sehr glücklich".

    Dieser Aspekt wird mir zu wenig gewürdigt.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.