Der Paris-Kracher wird für den FC Bayern zum Schicksalsspiel

In Paris steht für den Rekordmeister weit mehr als nur das Weiterkommen auf dem Spiel: Bei einer Niederlage geht es dann auch um die Zukunft von Trainer Hansi Flick, den Kader und die Finanzen.
von  Patrick Strasser
"Ein ganz, ganz enges Ding": Das erwarten die Bayern am Dienstag beim Viertelfinale II in Paris.
"Ein ganz, ganz enges Ding": Das erwarten die Bayern am Dienstag beim Viertelfinale II in Paris. © picture alliance/dpa/AFP

München - Thomas Müller holte weit aus, bemühte am Montagnachmittag an der Säbener Straße sogar die Evolutionsgeschichte der Menschheit. Um deren Existenz geht es dann doch nicht vor dem Viertelfinal-Rückspiel des FC Bayern bei Paris Saint-Germain, wenngleich der Champions-League-Titelverteidiger nach dem 2:3 im Hinspiel mit dem Rücken zur Wand steht.

Müller vermutet gegen Paris Saint-Germain "ein ganz, ganz enges Ding"

Auf jeden Fall erwartet Müller am Dienstag im "Parc des Princes" (21 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) ein "Riesenspiel", "ein ganz, ganz enges Ding". Daher bediente sich der 31-Jährige mit Blick auf die bayerische Zwangsaufholjagd der Psychologie: "Wenn wir ein Tor in Führung sein sollten, dann ist es ganz menschlich, dass beim Gegner die Alarmglocken losgehen. Da können wir weit zurückgehen in die Evolution: Etwas zu verlieren ist für einen Menschen ganz schlimm." Damit es für PSG am Ende der Partie heißt: Rien ne vas plus – nichts geht mehr.

Und wenn nicht? Noch nie sind die Bayern nach einer Heimniederlage im Hinspiel einer K.o.-Runde der Champions League weitergekommen. "Im Fußball kann alles passieren", beschwor Müller den Gedanken ans Wunder und räumte mit Blick auf das drohende Aus ein: "Ich wäre sehr enttäuscht."

Trainer Hansi Flick, der zum Glück mit den wieder genesenen Leon Goretzka und Lucas Hernández planen kann, meinte: "Wir wissen, dass wir mindestens zwei Tore schießen müssen. Es wird eine toughe Aufgabe, aber für solche Spiele spielt man Fußball. Wir wollen eine kleine Überraschung in Paris schaffen."

Hängt vom Bayern-Spiel die Zukunft von Flick ab?

Niedlich formuliert für ein Schicksalsspiel, das wegweisend sein wird für die Gesamtsituation des Vereins in den kommenden Wochen. Denn: Scheidet der Titelverteidiger aus der Champions League aus, drohen dem Verein und dem Kader einschneidende Konsequenzen.

Als da wären: Die Zukunft von Cheftrainer Hansi Flick: Gerüchten zufolge, die auch dem gut vernetzten Rekordnationalspieler und Bayerns Ex-Kapitän Lothar Matthäus zu Ohren gekommen sind, soll Flick nach dem Rückspiel in Paris "einen Termin bei Vorstand Oliver Kahn im Büro an der Säbener Straße" haben. Um seine persönliche Exit-Strategie trotz Vertrag bis 2023 mit Blick auf den nach der EM freiwerdenden Posten des Bundestrainers auszuloten?

Nachdem der FC Hollywood ohnehin schon ein Comeback gegeben hat, würde eine möglicherweise anstehende Trainersuche (dann rückt Leipzigs Julian Nagelsmann in den Fokus!) für weitere Turbulenzen sorgen. Müller gab zu: "Ein Weiterkommen wäre für die Stimmung enorm wichtig, das würde der ganzen Geschichte rund um den Verein guttun."

Die Zusammenstellung des Kaders: Sollte sich Flick vorzeitig verabschieden, könnten darüber unzufriedene Spieler, die dem Coach viel zu verdanken haben und gerne gemeinsam weitergearbeitet hätten, in der Frage der eigenen Vertragsgespräche erst einmal abwarten, wer der Nachfolger wird. Das beträfe wohl weniger Leon Goretzka (Vertrag bis 2022), der bereits bekundet hat, die Tendenz gehe "klar zu Bayern".

FC Bayern verdiente durch Gewinn der Champions League 130 Millionen Euro

Dafür jedoch Niklas Süle (bis 2022 gebunden) sowie das Trio Joshua Kimmich, Serge Gnabry und Kingsley Coman (jeweils bis 2023), das der Verein gerne halten möchte.

Die finanziellen Einbußen: Letzte Saison strich der FC Bayern durch den Triumph in der Königsklasse mindestens 130 Millionen Euro ein. Zusammengesetzt aus dem Startgeld, den einzelnen Siegprämien, dem TV-Marktpool und Zuschauer-Einnahmen (ja, die gab es noch in der Gruppenphase der Saison 2019/20).

In einer - selbst für den deutschen Branchenprimus - durch die Corona-Pandemie ohnehin schon wirtschaftlich schwierigen Zeit würde man diese Summe auch bei einer Wiederholung des Coups nicht erreichen können. Verpasst man das Halbfinale (UEFA-Prämie zwölf Millionen) und mögliche Finale (15 Millionen) plus Folgeeinnahmen (Supercup, Klub-WM) fehlen also mindestens 27 Millionen.

Weitere Großtransfers wie der von Gladbachs Nationalspieler Florian Neuhaus (24), einer der Wunschkandidaten fürs Mittelfeld, werden dann schwieriger. Neuhaus' für diesen Sommer festgeschriebene Ablösesumme per Ausstiegsklausel aus dem Vertrag bis 2024 beträgt 40 Millionen Euro. Kein Kleingeld.

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