Das sagt Ex-Bayern-Profi Thomas Hitzlsperger im AZ-Interview

Ex-England-Profi Thomas Hitzlsperger über das Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League beim FC Arsenal, über den Respekt der Premier League und über die Zukunft von Lahm an der Säbener Straße.
von  Maximilian Koch
England-Experte und Ex-Bayern-Profi: Thomas Hitzlsperger.
England-Experte und Ex-Bayern-Profi: Thomas Hitzlsperger. © GES/Augenklick

Der 34-Jährige kommt aus München und spielte in der Bayern-Jugend, ehe er nach England zu Aston Villa wechselte. Mit dem VfB Stuttgart wurde er Deutscher Meister. In der Premier League lief der Ex-Nationalspieler außerdem für West Ham United und den FC Everton auf. Mittlerweile arbeitet er beim VfB Stuttgart als Beauftragter des Vorstandes.

AZ: Herr Hitzlsperger, hat der FC Arsenal nach dem 1:5 im Hinspiel noch eine Chance gegen den FC Bayern?
THOMAS HITZLSPERGER: Theoretisch schon, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. Ich sehe nicht, wo die Stärke bei Arsenal herkommen soll. Sie haben am Wochenende gegen Liverpool verloren, Trainer Arsène Wenger steht enorm unter Druck. Ich glaube einfach nicht dran. Es würde einem Fußballwunder gleichen, wenn Arsenal das schafft.

Hat Sie das deutliche Ergebnis im Hinspiel überrascht?
Ich war eher überrascht von der Stärke der Bayern, die bis dahin ja nicht ihre beste Saison gespielt haben, als von der Schwäche Arsenals. Arsenal ist gegen Bayern in den letzten Jahren immer wieder gescheitert und hat auch in der Premier League Probleme, wenn es gegen die stärksten Teams geht.

Oder liegt es doch an der Carlo-Ancelotti-Jahreszeit, die laut Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge nun begonnen hat?
Ja, das habe ich mir in den letzten Wochen auch gedacht. Es ist nicht so wichtig, wie man die Gruppenphase übersteht, Hauptsache, man kommt durch. Jetzt kommt die entscheidende Phase und die letzten Wochen lassen darauf schließen, dass mit den Bayern bis zum Schluss zu rechnen ist. Es hat nach der Zeit mit Pep Guardiola einfach ein bisschen gedauert, bis sich die Spieler auf den neuen Trainer eingestellt haben. Jetzt sind sie voll da.

Bei Arsenal ist man gerade nicht besonders glücklich mit dem Trainer.
In der Premier League sind einige der besten Trainer der Welt, aber Arsène Wenger hat sich im taktischen Bereich nicht mehr weiterentwickelt in den letzten Jahren. Die Fans sind unzufrieden mit seiner Arbeit. Es wäre keine Überraschung, wenn am Saisonende ein neuer Trainer kommt. Und den braucht Arsenal auch, um die Premier League oder Champions League zu gewinnen.

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Zurück zu den Bayern: Sind alle drei Titel möglich in dieser Saison?
Die Chancen stehen gut. Wenn sie vom Verletzungspech verschont bleiben und besonders Franck Ribéry und Arjen Robben bis zum Saisonende fit bleiben, traue ich den Bayern sehr viel zu.

Sie haben lange in England gespielt, sind einst als 18-Jähriger aus der Bayern-Jugend zu Aston Villa gewechselt. Wie wird der FC Bayern auf der Insel gesehen?
Der Respekt vor Bayern und dem deutschen Fußball insgesamt ist enorm groß. Gerade die letzten Jahre, als die Bayern in der Champions League stets mindestens das Halbfinale erreicht haben, haben Eindruck hinterlassen. Die Klubs aus der Premier League haben das lange nicht mehr geschafft und blicken dementsprechend respektvoll auf die Bayern.

"Ich bleibe beim bayerischen Essen"

Was macht den Reiz der Premier League aus?
Ich blicke gerne auf die Zeit in England zurück. Die Stimmung in den Stadien war einzigartig. Dazu die Leidenschaft, Herzlichkeit und der Humor der Engländer haben es mir angetan. Die Bundesliga hat sich in den letzten Jahren aber sehr gut entwickelt und das Geld viel besser eingesetzt als die Premier-League-Vereine das getan haben. Taktisch hat sich in der Premier League nicht so viel verändert wie in Deutschland, das ist nicht zuletzt ein Verdienst von Pep Guardiola beim FC Bayern.

Hat Sie das englische Essen auch überzeugt?
Nein, meine Heimat ist Bayern, ich bleibe beim bayerischen Essen.

Sie sind in München geboren, arbeiten inzwischen im Management des VfB Stuttgart, wurden mit dem Verein 2007 deutscher Meister. Sind Sie nicht halber Schwabe?
So einfach geht das nicht. Ich bin in Forstinning aufgewachsen, habe dort meine Familie. Bayern ist meine Heimat - und wird es auch immer bleiben. Da ich aber viele Jahre in Stuttgart gespielt habe, habe ich ein besonderes Verhältnis zu den Schwaben. Die Entscheidung, wieder für den VfB Stuttgart zu arbeiten, fiel mir daher nicht schwer.

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Können Sie erklären, wie Ihre Aufgabe beim VfB genau aussieht?
Ich bringe meine Erfahrung aus 13 Jahren Profifußball ein. Ich beobachte, schaue mir Spiele, Trainingseinheiten und den Nachwuchs an und stehe in ständigem Austausch mit dem Vorstand und den sportlich Verantwortlichen.

Eine ähnliche Rolle hätte auch Philipp Lahm beim FC Bayern spielen sollen. Sie kennen ihn gut, haben Sie verstanden, dass er das Angebot als Sportdirektor abgelehnt hat?
Philipp hat stets davon profitiert, einen klaren Plan zu haben. Wenn die Rolle des Sportdirektors nicht in diesen Plan passt, dann hat er nun die Möglichkeit, sich auf anderen Gebieten weiterzubilden. Es wird ihm aber auch guttun, für bestimmte Zeit Abstand zu gewinnen vom Fußballgeschäft. Nach so einer langen, intensiven und erfolgreichen Karriere ist ein ausgedehnter Urlaub ratsam.

"Kimmich schreckt vor keiner Aufgabe zurück"

Glauben Sie an eine Rückkehr von Lahm zum FC Bayern?
Das kann ich mir schon vorstellen. Er hat nie im Ausland gespielt, weil er lieber mit dem FC Bayern Titel gewinnen wollte. Er kennt den Verein wie kaum ein anderer und verkörpert alles, was den FC Bayern ausmacht.

Halten Sie Joshua Kimmich, den Ex-Stuttgarter, für Lahms Erben als Rechtsverteidiger?
Er hat sich in den letzten zwei Jahren extrem weiterentwickelt. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass er seine Fähigkeiten besser im Mittelfeld einbringen kann.

Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß haben sich zuletzt allerdings für Kimmich als Lahm-Nachfolger ausgesprochen.
Kimmichs Vorteil ist, dass er schnell dazulernt und vor keiner Aufgabe zurückschreckt. Wenn die Bayern keinen Außenverteidiger verpflichten, dann wird er wohl die Position von Lahm übernehmen. Bislang hat Carlo Ancelotti Kimmich kaum als Rechtsverteidiger eingesetzt, vielleicht gibt es darüber intern noch Diskussionen bei den Bayern.

Sehen wir Sie irgendwann eigentlich als Trainer oder bleiben Sie im Management?
Das möchte ich nicht ausschließen. Der Fußball bietet so viele Facetten, die spannend sind. Mittlerweile habe ich Erfahrung im Management und als Fußball-Experte sammeln können. Jede Beschäftigung im Fußball hilft mir, das Geschäft besser zu verstehen.

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