Das Generationen-Duell: Was Nagelsmann bei Streich so beeindruckt
München - Als der heutige Cheftrainer des FC Bayern, Julian Nagelsmann, am 23. Juli 1987 in Landsberg am Lech das Licht der Welt erblickte, war ein gewisser Christian Streich, damals 22 Jahre jung, gerade von den Stuttgarter Kickers zu Zweitligist SC Freiburg gewechselt. Sein Trainer im Breisgau: Jörg Berger. Zwei seiner Mitspieler: Joachim Löw und Souleymane Sané. Als Nagelsmann im Februar 2016 bei der TSG Hoffenheim im ebenso zarten Alter von 28 Jahren jüngster Cheftrainer eines Bundesligisten wurde, war Streich schon etwas mehr als vier Jahre (seit Januar 2012) beim SC Freiburg in der Verantwortung.

Der ewige Streich - aktuell der dienstälteste Cheftrainer der Bundesliga. Am Samstag ist er neun Jahre, zehn Monate und acht Tage im Amt - wohlgemerkt: stets beim selben Verein, für den er seit 1995 bereits als Jugend- und Assistenztrainer arbeitete. Der jetzt 56-Jährige könnte Nagelsmanns Vater sein. Apropos: Der mit 34 Jahren aktuelle Jungspund auf der Trainerbühne des Oberhauses trainiert heute Souleymane Sanés Sohn: Leroy (25).
Starke Serie: Freiburg ist in der Liga noch ungeschlagen
In der Allianz Arena kreuzen sich am Samstag (15.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) erneut die Wege des Oldies und des Youngsters - und das in einem Spitzenspiel. "Man kann die Anführungszeichen weglassen", sagte Nagelsmann, "es ist ein wichtiges Spiel, ein Spitzenspiel. Freiburg ist Dritter, wir Erster." Der Sportclub, aktuell als einzige Mannschaft im deutschen Profi-Fußball ungeschlagen und auf Kurs Champions League, liegt nur drei Punkte hinter dem Dauermeister, könnte mit einem Sieg in München aufschließen.
Alles dank Streich, dem Tausendsassa der Freiburger, geboren in Weil am Rhein, einer südbadischen Kleinstadt im äußersten Südwesten des Landes. Dort, im Dreiländereck Deutschland-Schweiz-Frankreich, spricht man Alemannisch. Kann Streich, dann kann ihn aber kaum noch jemand verstehen.
Bei Oberbayer Nagelsmann hört man die Mundart selten heraus. Dafür zieht er seine Worte schneller (aus der Kehle) als sein Schall. Lucky, also glücklich, kann sich schätzen, wer da immer folgen kann. Beide sind sehr kommunikativ, redefreudig, schlagfertig. "Man kann sich gut mit ihm austauschen. Christian ist nicht so engstirnig, hat nicht nur den Rasen im Blick. Er ist einer, der seine Meinung hat und die auch kundtut", weiß Nagelsmann.
Nagelsmann: Streich "ist ein extrem positiver Charakterkopf"
Streich wiederum freut sich stets über "schöne Gespräche" mit seinem Kollegen. "Julian quatscht mit jedem wie mit einem Kumpel." Was Streich und den Bayern-Trainer vor dem Generationen-Duell ansonsten eint, was sie unterscheidet:
Sie sind Menschenfänger: "Christian ist ein extrem positiver Charakterkopf und ein unglaublich intelligenter Mann. Er kann Menschen begeistern. Es ist die Art, wie er mit seinen Spielern umgeht", schwärmt Nagelsmann, der wie Streich versucht, über die Sprache und die Emotionen Spieler für seine Sache und seine Spielphilosophie zu begeistern. Dem Alterspräsidenten der Bundesliga-Trainergilde imponiert besonders "Julians enormes, positives Selbstwertgefühl".

Sie sind Workaholics: Gespräche, Sitzungen, Videoanalysen. Jedes kleinste Detail zählt bei beiden. Als erste im Trainerbüro - und als letzte nach Hause. Streich über Nagelsmann: "Er ist sehr, sehr reflektiert und ein sehr intelligenter Mensch. Er versteht enorm viel vom Fußball, ist ein außergewöhnlicher Trainer."
Als Heynckes aufhörte: Hoeneß dachte an Streich-Verpflichtung
Der Konter aus München: "Christian ist ein großartiger Trainer. Gegen Freiburg sind es mit die anspruchsvollsten Spiele, weil sie permanent Dinge ändern. Sie sind schwer zu bespielen und spielen eine sehr gute Saison."
Was sie unterscheidet: In erster Linie das Alter und die Erfahrung. Für Streich wäre es mit Blick auf Nagelsmanns Job bei Bayern "vollständig undenkbar gewesen, in dem Alter vor so einer Aufgabe zu stehen. Aber das wäre bei vielen Menschen so. Er ist eine tolle Erscheinung." 2018, als Jupp Heynckes die Bayern endgültig verließ, dachte Uli Hoeneß über die Verpflichtung von Streich ("Den liebe ich") nach.
Man entschied sich für Niko Kovac. Eine Fehlentscheidung? Streich bei Bayern? Wohl nicht mehr. "Ich bin mir sicher, dass Christian auch jeden anderen Verein trainieren könnte", glaubt Nagelsmann.
Bei aller gegenseitigen Schwärmerei und Wiedersehensfreude: Um drei Punkte geht's am Samstag dennoch.