Bei Bayern und beim DFB: Kimmich ist der King
München - Robert Lewandowski, Jobprofil Torjäger, lag auf dem Rasen und lächelte sarkastisch. Aus fünf Metern hatte er einen Ball über das Tor des FC Rostow gewuchtet, physikalisch fast unmöglich. Und für einen Meister seines Faches unfassbar. Als würde Bayerns Starkoch Alfons Schuhbeck ein Spiegelei anbrennen lassen.
Drei Minuten nach dieser Szene am Dienstagabend lächelte Joshua Kimmich – ehrlich und etwas überrascht, entrückt. Der 21-Jährige, im Beruf bisher alles andere als ein Torjäger, hatte einen Flankenball von Juan Bernat so wuchtig ins Tor geköpft, mit solcher Präzision und hohem Luftstand als wäre er ein Horst. Ein Horst Hrubesch. Kimmich misst jedoch nur 1,76 Meter. Nun stand es eben 3:0, Lewandowski wird sich in dem Moment nochmal hinterfragt haben. Es war der Höhepunkt des 5:0 der Bayern zum Auftakt der Gruppenphase gegen schwache Russen.
Stimmen zum Rostow-Spiel: Ancelotti lobt Kimmich
Vier Treffer in zehn Tagen, zum Abschluss ein Doppelpack. Kimmich kimmt in Form. In Minute 53 war er in einen Pass von Douglas Costa reingelaufen und hatte vollstreckt, als wäre er ein wahrer Vollstrecker. Guter, entschlossener Laufweg, richtige Position, Fußhaltung – und drin. "In der Jugend war ich nicht so der Knipser", erklärte er und rätselte: "Ich kann’s nicht erklären, vielleicht werde ich hier besser in Szene gesetzt", sagte der Bayerns Mann der Stunde nach seinen ersten beiden Champions-League-Toren. Jedes Spiel eine Premiere. Am 4. September sein erstes Tor für die Nationalelf in Oslo beim 3:0 gegen Norwegen, letzten Freitag der Premieren-Treffer in der Bundesliga beim 2:0 gegen Schalke.
Joschua, Josch, Joe, Jo. Oder auch "Herr Kimmich"
Bei Horst ist alles klar. Horst bleibt Horst. Bei Joshua gibt es selbst im zweiten Jahr bei Bayern noch die Fragen, wie man denn nun seinen Vornamen ausspreche. Mit einem weichen "s", als gäbe es das "h" nicht. Sprachwissenschaftler Thomas Müller sprang nach Abpfiff helfend zur Seite, erklärte wie die Kollegen ihn rufen: "Joschua, Josch, Joe, Jo." Oder auch "Herr Kimmich". Ein typischer Müller-Schalk.
Dieser Kimmich ist aktuell so wertvoll fürs Bayern-Mittelfeld, dass ihn Trainer Carlo Ancelotti trotz der Pause für Kapitän Philipp Lahm nicht als Rechtsverteidiger wie in der Nationalelf aufgestellt hatte. Er brauchte ihn als Dampfmacher im Zentrum, als Balleroberer und Spielbeschleuniger. "Joshua ist in einer sehr guten Verfassung. Er kann eigentlich auf jeder Position spielen und ist sehr fokussiert", lobte Trainer Carlo Ancelotti.
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"Er hat in jedem Wettbewerb mehr Tore geschossen als ich mit Ausnahme der WM-Qualifikation, von daher zählt er jetzt zu meinen Hauptkonkurrenten", sprach Müller und witzelte: "Jetzt muss ich mich wieder an seine Sprunggelenke hängen und schauen, dass er bis Samstag nicht die Bodenhaftung verliert." Nein, nein – ein Herr Kimmich hebt nicht ab. Er müllert momentan. Vielleicht sollte er sich bald ein Social-Media-Profil namens "es kimmicht" zulegen.
Würde er natürlich nie machen. Der Herr Musterschüler.