Bayerns Energieproblem: Inter wird ähnlich spielen wie Union
München - Berlin ist immer eine Reise wert. Gilt für den FC Bayern und seine Trips zum Pokalfinale im Olympiastadion, aber nicht für die Reise nach Köpenick zu den Unionern.
Hier an der Wuhlheide zeigt sich die Hauptstadt von einer anderen Seite. "Man spielt da pauschal nicht gerne", hatte Thomas Müller vor einer Woche gesagt. Der klassische Fall einer selbsterfüllenden Prophezeiung.
FC Bayern: Vor dem CL-Auftakt in Mailand haben sich Fehler eingeschlichen
Auf das 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach folgte nun das 1:1 bei Union Berlin. Die Tabellenführung für den Abo-Meister ist passé, ein möglicher Start-Ziel-Sieg in der 60. Bundesliga-Saison dahin. Nur Künstlerpech oder schon ein Trend nach den überzeugenden (Kanter-)Siegen zuvor?
Kurz vor dem Start in die Champions-League-Gruppenphase mit dem Duell bei Inter Mailand am Mittwoch (21 Uhr, DAZN und im AZ-Liveticker) haben sich Fehler ins zuvor so reibungslos funktionierende 4-2-2-2-System Deutschlands bester Mannschaft eingeschlichen.
Oder hat es eben Union am besten entschlüsselt? "Wir haben ordentlich gespielt, aber nicht gut, was allerdings auch an Union lag", sagte Müller, der erstmals in dieser Saison zunächst auf der Bank saß.
Man muss Prioritäten setzen
Schonung für Inter. Das galt auch für die anderen Fast-Immer-Durchspieler wie Abwehrrecke Lucas Hernández und Mittelfeld-Chef Joshua Kimmich, der nach gut einer Stunde ausgewechselt wurde.
Der Verzicht auf Wucht und Klasse als richtiges Signal von der Bank in einem Bundesliga-Spitzenduell?
Man muss eben Prioritäten setzen. Union Berlin besinnt sich auf seine Tugenden, beschwört diese im Einklang mit den frenetischen Anhängern.
Nirgendwo in der Liga ist es so eng, so laut, so intensiv, was die Beschallung von den Tribünen betrifft – und nirgendwo passen weniger Leute in ein Bundesliga-Stadion.
Rund 22.000 Zuschauer in der Alten Försterei
Mit der Moral eines im finanziellen Vergleich deutlich limitierten Widerstandskämpfer-Vereins (Trainer Urs Fischer: "Es war das Duell David gegen Goliath") bearbeiten sie hier ihre Gegner. Die Union-Fans unter den 22.012 Zuschauern in der Alten Försterei hatten zur Vorab-Choreographie über die drei Stehplatztribünen des Stadions plakatiert: "Wir werden siegen oder verlieren, das ist egal. Wir stehen zu dir. Wir sind vor lauter Liebe so krank, dem Fußballclub Union Berlin sei Dank."
So viel Energie von außen beflügelte. "Unser Matchplan ist wieder total aufgegangen", erklärte Union-Kapitän Christopher Trimmel, "wir haben ihnen wenig Räume gelassen, haben uns in der Kette nicht locken lassen."
Julian Nagelsmann: "Energieniveau nicht so hoch"
Die Bayern wirkten genervt, fahrig, spielten "unsauber" (Müller), teils ein "bisschen schlampig" und waren "nicht in allen Situationen 100-prozentig wach", wie ein kurz angebundener Julian Nagelsmann zu Protokoll gab.
"Insgesamt war das Energieniveau nicht so, wie wir es bis jetzt hatten", sagte der Bayern-Trainer genervt und fügte hinzu: "Letzte Woche haben wir zwei Punkte verschenkt, diesmal zwei verloren." Kaum sind fünf Spieltage vorbei, ist sie schon da: die erste, kleine Energiekrise der Bayern.
Bayern und das Prinzip Hoffnung gegen Inter Mailand
Kehrt die Energie beim Flug am Dienstagnachmittag über die Alpen und mit der Aufgabe in der Königsklasse zurück? Mit Inter wartet ein ähnlich unangenehmer Gegner, Trainer Simone Inzaghi lässt Fußball arbeiten. Nationaltorhüter Manuel Neuer sieht Parallelen zu Union: "Inter ist auch eine clevere Mannschaft, die sehr gut verteidigen kann." Trotzdem erhofft sich Bayern mehr Räume, "weil Inter versucht, mehr zu spielen". Prinzip Hoffnung.
Warum so kurz angebunden, wurde Nagelsmann kurz vor der Abreise gefragt. "Weil ich immer gewinnen will." Rückfrage: Platz drei nervt, gell? "Ganz ehrlich: Platz drei am fünften Spieltag ist mir sch***egal. Fragen Sie nach dem 25. Spieltag noch einmal." Am Ende stimmte der 35-Jährige versöhnliche Worte als Fazit an: "Cooles Stadion, coole Fans, cooler Klub, cooler Urs."
Rechts von ihm lächelte Fischer, der passionierte Angler. Er hatte die Bayern am Haken.