Bayern-Schreck Madjer: Die Hacke Gottes

München - Zwölf Tore in 17 Spielen: So lautet Rabah Madjers Bilanz im Europapokal der Landesmeister. Sein erstes erzielte er im September 1986 beim 9:0 gegen Rabat Ajax, die Underdogs aus Malta, sein letztes vier Jahre später beim 8:1 gegen die Dänen vom Portadown FC. Da traf er sogar vier Mal. In fünf Jahren schoss er 50 Tore für den FC Porto, doch kein Treffer ist so im kollektiven Bewusstsein verankert wie sein 1:1 gegen den FC Bayern am 27. Mai 1987 im Wiener Praterstadion, im Endspiel der Königsklasse.
Nach 78 Minuten zauberte er den Ball mit der Hacke ins Netz, vorbei am verdutzten Welttorhüter Jean-Marie Pfaff, vorbei am heutigen DFB-Sportdirektor Hansi Flick, mittenrein ins Herz der schon so siegessicheren Bayern. Damit nicht genug: Zwei Minuten später bereitete er auch noch den 2:1-Siegtreffer seines Klubs vor – das Desaster für den FC Ruhmreich war perfekt. Und Madjer? War weltberühmt. Als der Mann mit der Hacke. Oder in Anlehnung an Zauberkicker Diego Maradona, die Hand Gottes, ist Madjer eben die Hacke Gottes.
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Schon fünf Jahre zuvor war der nur 1,79 Meter große Mittelstürmer auffällig geworden: als Torschütze beim 1:2 der DFB-Elf um Breitner, Briegel, Hrubesch und Rummenigge. Per Rechtsschuss bereitete Madjer in Minute 54 dem Vize-Weltmeister bei der WM in Spanien so einiges Kopfzerbrechen. Dass er für seinen Treffer nicht belohnt wurde, lag wenig später an der „Schande von Gijon“, dem Nichtangriffspakt zwischen dem deutschen und dem österreichischen Team, die gemeinsam die Mannschaft Algeriens aus dem Wettbewerb beförderten. Insgesamt traf Madjer in 87 Länderspielen 29 Mal, saß später auch einige Male auf der Trainerbank des Nationalteams, jedoch mit mäßigem Erfolg. Sein letzter Trainerjob endete 2006 in Katar, beim Al-Rayyan Sport-Club.
Begonnen hatte seine Karriere bei Nasr Athlétique de Hussein Dey, im Südosten der Hauptstadt Algier, wo Madjer auch zur Welt kam. Nach der WM 1982 wechselte er nach Frankreich, zunächst zu Racing Paris, später zum FC Tours, bevor 1985 der FC Porto rief. Dort erlebte er seine beste Zeit, mit dem Höhepunkt im Jahr 1987: Europapokalsieger, Weltpokalsieger, Uefa-Super-Cup-Sieger, Afrikas Fußballer des Jahres. Und dann war da ja noch das Angebot des FC Bayern. Uli Hoeneß besuchte ihn in Porto, Madjer kam mit Frau und Tochter zum Gegenbesuch nach München und unterschrieb im Haus von Hoeneß im Beisein von Trainer Jupp Heynckes für drei Jahre. In Lederhose, Trachtenhemd und Janker posierte der Algerier schon für die Fotografen. Doch eine Verletzung verhinderte schließlich den Wechsel. Madjer sagt heute: „Uli Hoeneß kann nichts dafür. Er ist ein Super-Typ, ein wunderbarer Mensch. Sehr schade, dass es am Ende nicht geklappt hat. Bayern war und ist ja immer noch eine der ganz großen Adressen im Weltfußball, ein absoluter Traumverein.“
Starke Worte von einem, der den Bayern-Fans den ein oder anderen Albtraum bereitete. 28 Jahre später denkt Madjer schon wieder an ein Hackentor. Seinem algerischen Landsmann Yacine Brahimi traut er gegen den FC Bayern ein ähnliches Tor zu, wie es ihm selbst einst gelang: „Die Qualität hat Brahimi ganz sicher.“ Der 56-Jährige schränkt jedoch ein: „Für den FC Bayern wird auch dieses Duell zu einer Revanche für Wien. Ein großer Klub vergisst so etwas nicht.“
Da dürfte er recht haben. Der Albtraum von Wien wird den Bayern von 2015 eine Warnung sein. „Wir haben alle das Spiel von 1987 in Erinnerung“, sagte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge vor dem Duell in Porto: „Wir müssen es besser machen, als die Mannschaft, die damals gespielt hat. Die hat es vielleicht, nachdem sie 1:0 geführt hat, etwas locker genommen und hat einen hohen Preis gezahlt.“ Und nicht mit Rabah Madjer gerechnet. Er hat damals gezeigt, dass im Fußball nichts unmöglich ist. Nicht mal ein Finaltor mit der Hacke.