Bayern gegen Atlético: "So einen Abend vergisst du nie!"
München - Am Mittwoch wird es ernst für den FC Bayern: Im Halbfinal-Hinspiel müssen die Münchner nach Madrid zu Atlético reisen (20.45 Uhr, Sky, ZDF und im AZ-Liveticker). Die AZ sprach mit einem ehemaligen FCB-Spieler, der gegen die "Rojiblancos" das wichtigste Tor seiner Karriere erzielte und mit seinem Treffer die "goldene Ära" des FC Bayern einleitete.
AZ: Herr Schwarzenbeck, gegen Atlético Madrid haben Sie vor 42 Jahren das Tor Ihres Lebens geschossen, mit jenem 1:1 kurz vor Ende der Verlängerung des Finals im Europapokal der Landesmeister ein Wiederholungsspiel erzwungen. Da gaben Sie auf Jahre den zuverlässigen, zweikampfstarken Vorstopper, als Adjutant von Franz Beckenbauer – und jeder spricht Sie auf diesen Weitschuss an.
Hans-Georg Schwarzenbeck: Ja mei, die Leute erinnern sich halt gerne daran. Es war ja auch ein herrlicher Augenblick. So einen Abend vergisst du dein ganzes Leben lang nicht. Du schießt nicht oft so ein Tor. Und ich war ja jetzt auch nicht unbedingt der geborene Vollstrecker.
Haben Sie nun, nachdem die Bayern erstmals wieder seit den Finals von 1974 auf Atlético Madrid treffen, das Tor wieder häufiger gesehen?
Irgendwo neulich mal, ja. Aber ich habe eine DVD mit dem ganzen Spiel daheim, vielleicht schaue ich sie mir mal wieder an. Danach reicht’s aber dann auch wieder.
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Sie mussten das Tor schon hunderte, tausende Male schildern – klar. Ihr damaliger Trainer Udo Lattek, der schon deprimiert auf dem Weg in die Kabine war, sah es nur über die Schultern und meinte später: "Der Katsche wusste gar nicht, wohin mit dem Ball, da hat er einfach draufgehalten."
Der Ball kam vom Franz, dann habe ich nicht lange nachgedacht. Das war purer Instinkt. Ich hab aufs Tor draufgehalten und auf einmal war der Ball drin.
Eines von zwei Toren in Ihrer Europapokal-Karriere. Und zugleich die Szene, die in der Geschichte des FC Bayern den Beginn der großen Ära der 70er Jahre einleitete.
Bei unserem 4:0 zwei Tage später war ich einfach froh, dass wir durch mein Tor dieses Wiederholungsspiel erreicht hatten. Da hat dann alles gepasst.
Nach der Auslosung vor zehn Tagen meinte Thomas Müller euphorisch: "Katsche Schwarzenbeck muss uns nach Madrid begleiten!" Als Glücksbringer. Fliegen Sie mit?
Das war nett gemeint vom Thomas, dass er da an mich denkt, obwohl er das Tor wohl nur aus Geschichtsbüchern kennt. Aber nein, der Stress wäre mir zu groß. Das ist mir zu hektisch und zu aufregend. Da muss ich nicht zwei Tage lang rumsitzen, die brauchen mich wirklich nicht. Auch nicht als Glücksbringer. Die Mannschaft ist zu stabil und selbstsicher.
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Wie groß war denn der Rummel um Ihre Person in den letzten Tagen?
Mei, einige Presseanfragen gab’s schon – sogar aus Spanien. Ich erzähl dann ja auch immer wieder das Gleiche. Aber es sind ja schöne Erinnerungen.
Wie schätzen Sie denn die Chancen auf den Finaleinzug ein?
Atlético war damals schon eine sehr harte Nuss, heute auch. Dennoch: Das klappt schon, das sagt mir mein Gefühl. Dass die Bayern das Double holen, da bin ich mir sicher, auch wenn die Dortmunder wieder ein sehr starker Gegner geworden sind. Auch für Atlético habe ich ein gutes Gefühl.
Dann geht es nach dem Pokalfinale auch noch um die Champions-League-Krone.
Ein Endspiel gegen Real Madrid wäre natürlich toll, aber man darf auch Manchester City nicht abwerten. Ich bin gespannt, wie die Engländer sich präsentieren. Im Finale entscheidet die Tagesform und du brauchst das Quäntchen Glück.
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Fußball hat sich stark verändert. Innenverteidiger haben heutzutage ganz andere Aufgaben als Vorstopper. Dennoch: Wie beurteilen Sie Ihre Nachfolger?
Es wäre natürlich sehr schön und wichtig, wenn Jérôme Boateng rechtzeitig für die Madrid-Spiele fit wird. Das hoffe ich stark. Er war ja seit Januar verletzt, das ist eine lange Zeit. Wenn Boateng wieder auf dem Platz ist, gibt er der Mannschaft allein durch seine Präsenz Sicherheit. Er ist der ruhende Pol hinten drin und vereint alles, was ein moderner Verteidiger haben muss. Seine Erfolge belegen das.
Wie gefällt Ihnen Javi Martínez, der ja ein sehr bulliger Spielertyp ist?
Boateng und Javi passen gut zusammen, bilden ein gutes Gespann. Sie sind beide kopfballstark und gut im Spielaufbau. Wenn beide spielen, kann David Alaba auf die Linksverteidiger-Position gehen, da gefällt er mir am besten, da kann er seine Stärken am besten ausspielen.
Sie sind Rentner, haben 2008 Ihren Schreibwarenladen in der Au aufgegeben, beliefern den FC Bayern aber immer noch mit Büroartikeln?
Richtig. Mir geht’s gut, ich bin zufrieden. Ich gehe regelmäßig zu den Heimspielen. Im Rückspiel bin ich dabei und drücke dann live im Stadion die Daumen.
Schwarzenbeck (Mitte) jubelt über den 4:0-Triumph im Rückspiel. Foto: dpa