Bayern-Frust wegen Schiri Aytekin: "Das ist eine Rote Karte"

Dortmund/München - Der Klassiker zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund hatte am Samstagabend so ziemlich alles zu bieten, was ein Spitzenspiel bieten sollte: (Last-Second-)Tore, hart geführte Zweikämpfe, Torchancen, sogar eine Rote Karte. Was es bei einem solchen Topspiel eigentlich nicht braucht, sind (schwere) Verletzungen, doch auch diese gab es leider.
Für Bayern-Trainer Julian Nagelsmann gab es beim Tritt des Dortmunders Jude Bellingham an den Kopf von Alphonso Davies keine zwei Meinungen. "Wir hatten vor vier Monaten eine Schulung. Wenn du einen Spieler mit rohem Fuß ins Gesicht triffst, ist es glatt Rot. Das haben sie uns erzählt. Da gibt es nicht viel zu diskutieren. Er tritt ihm volle Kanne ins Gesicht. Das ist nicht Gelb, das ist eine Rote Karte", echauffierte sich der Coach nach dem 2:2 (1:0) bei Borussia Dortmund beim TV-Sender Sky.

So erklärt Schiri Aytekin den nicht gegebenen Platzverweis
Davies musste mit Verdacht auf eine Gehirnerschütterung ins Krankenhaus. Schiedsrichter Deniz Aytekin hatte die Aktion als unabsichtlich bewertet und weiterlaufen lassen. "In der Szene hat mir die letzte Überzeugung gefehlt, da auf Gelb-Rot zu gehen und so ein Spiel zu entscheiden", sagte der Referee und merkte an, dass die erste Verwarnung gegen Bellingham eine "Kann-Gelbe-Karte" gewesen sei. "Ich kann jeden verstehen, der die Szene anders auslegt. Es gibt Situationen, die sind nicht Schwarz und Weiß", ergänzte Aytekin.
Wenige Stunden später legte der Unparteiische nochmal nach – und konterte Nagelsmanns Aussagen: "Von einer klaren Rote Karte zu sprechen, sehe ich nicht so", sagte Aytekin im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF.
Gegenüber "Sport1" verwies Aytekin am Tag nach dem Spiel auf seinen Ermessensspielraum bei bestimmten Entscheidungen. "Jude macht es nicht absichtlich, auch wenn es zum Kontakt kommt. Als Schiri überlegst du: Habe ich noch einen Restspielraum? Der war für mich vorhanden", erklärte der "Schiedsrichter des Jahres". "Einzeln ist das rein theoretisch eine Karte, aber im Spiel mit der Gesamtsituation" gebe es Spielräume, die "man auch ab und zu mal nutzen" müsse, sagte der 44-Jährige.
Nationaltorhüter Manuel Neuer sprach von einer spielentscheidenden Szene. "Meiner Meinung nach ist der Kopf nicht zu tief. Anfang der Saison wurde uns von den Schiedsrichtern erklärt, dass Kopftreffer eher geahndet werden mit einer Roten Karte. Das muss der Schiedsrichter abwägen. (...) Wir fordern da jetzt keine Rote Karte", sagte der Keeper.

Rummenigge hat Verständnis für Schiri Aytekin
Von einer spielentscheidenden Szene sprach auch der ehemalige Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge, "weil Bellingham ein Schlüsselspieler im Spiel von Borussia Dortmund" sei, wie er am Sonntag gegenüber "Bild" erklärte. "Regelgerecht hätte man sicherlich Gelb-Rot geben können. Glatt Rot wäre mir in dieser Szene zu viel gewesen, weil Bellingham sicher nicht den Kopf von ihm (Davies, d. Red.) treffen wollte. Aber ich glaube Bellingham hätte sich auch nicht beschweren dürfen, wenn er Gelb-Rot bekommen hätte", sagte Rummenigge weiter.
Besonders interessant: Rummenigge deutet zumindest leicht an, dass die Entscheidung bei einem Spiel in der Allianz Arena womöglich anders hätte ausfallen können. "Der Schiedsrichter hat das glaube ich erklärt, wenn ich das heute Morgen richtig gelesen habe, dass er ihm auch nicht Gelb-Rot geben wollte. Das ist dann auch so eine sensible Geschmacksfrage und wenn ich ehrlich bin, bin ich auch so ein bisschen beim Schiedsrichter und habe Verständnis dafür, dass er dann auch nicht das Stadion endgültig zum Kochen bringen wollte."
Kahn mit Wut-Tweet in Richtung Aytekin
Rummenigges Nachfolger beim FC Bayern, Oliver Kahn, hatte sich auch am Tag nach dem Unentschieden noch nicht wirklich beruhigt. "Wo war denn die Empathie von Dennis Aytekin bei der gelb-roten Karte für Kingsley Coman?", twitterte der Bayern-Boss am Sonntagvormittag – und spielte damit eben auch auf die beiden Gelben Karten des Franzosen an.
Auslöser war eine Aussage von Aytekin im "Doppelpass" am Sonntag: "Von uns Schiedsrichtern wird ja auch immer eine gewisse Empathie und ein Gefühl für die Situation erwartet. (...) Vielleicht war es ein Tick zu viel Empathie", erklärte der Schiri seine Entscheidung, mit der er Kahn vollends auf die Palme brachte.
Ohnehin war der Bayern-Boss beim Last-Second-Gegentor mehr als bedient, wie sein Ausraster auf der Tribüne deutlich machte.