AZ-Interview: Das sagt Jupp Heynckes über Bayern-Kapitän Philipp Lahm

München - Der 71-Jährige trainierte drei Mal den FC Bayern und holte mit dem Klub 2013 das Triple – einmalig im deutschen Fußball. Philipp Lahm war der Kapitän dieser legendären Mannschaft.
AZ: Herr Heynckes, Philipp Lahm, Kapitän Ihrer Triple-Mannschaft von 2013, beendet nach dieser Saison seine große Karriere. Sind Sie schon mit ihm in Kontakt getreten?
JUPP HEYNCKES: Nein, noch nicht. Aber wenn es so weit ist, dass er sein letztes Spiel für Bayern macht, werde ich ihn vorher anrufen oder selbst nach München kommen.
Sie waren zwei Mal Lahms Trainer beim FC Bayern. 2009, als Sie interimsmäßig zum Saisonende für Jürgen Klinsmann einsprangen, und dann von 2011 bis 2013. Was hat ihn besonders ausgezeichnet?
Philipp war ein Vorbild an Kontinuität, er hat über Jahre auf sehr hohem Niveau gespielt. Mehr als 500 Pflichtspiele sind es jetzt schon für die Bayern, und es gibt nur ganz wenige, die nicht gut waren von ihm. Er war überragend im Training, fleißig, pflichtbewusst, professionell. Das Bindeglied zwischen Mannschaft und Trainer. Ich konnte mit ihm über alle Dinge sprechen, über Taktik, aber auch über das Mannschaftsgefüge.
Lesen Sie auch: Robben - "Wir sind da, wenn es darauf ankommt"
Wie haben Sie Lahms Führungsstil wahrgenommen? Er ist ja ein ganz anderer Typ als etwa Oliver Kahn oder Stefan Effenberg.
Philipp hat immer den Konsens gesucht, innerhalb der Mannschaft aber auch eine klare Meinung vertreten und mir gegenüber angesprochen, wenn ihm etwas aufgefallen ist. Das war seine Aufgabe als Kapitän und das hat er immer sehr gut gelöst. Grundsätzlich ist es so, dass alle Spieler bei Bayern professionell sind. Aber es braucht trotzdem einen Kapitän, der eine Mannschaft anführt.
"Er ist ein Vorbild auf und neben dem Platz für alle jungen Spieler"
Welchen Platz nimmt Lahm ein in der deutschen Fußballgeschichte?
Er war immer ein Ausnahmespieler, er gehört zu den ganz großen Spielern der Bundesliga-Geschichte, in einer Reihe mit Fritz Walter, Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Uwe Seeler, Lothar Matthäus. Aber nicht nur das zeichnet ihn aus.
Was noch?
Philipp ist ein Vorbild auf und neben dem Platz für alle jungen Spieler. Es gehört mehr dazu als Talent, man muss mit voller Hingabe für sein Ziel kämpfen. Das hat Philipp immer getan.
Glauben Sie, dass Lahm nach seinem Abschied im Sommer irgendwann zum FC Bayern zurückkehren wird?
Man darf nicht vergessen, dass die Karriere als Fußballer eine ungeheure Beanspruchung bedeutet. Man hat wenig Freizeit, ist viel auf Reisen, schläft die Hälfte des Jahres im Hotel. Körper und Geist sind nach einer solchen Karriere müde. Philipp hat das rechtzeitig erkannt und sich wahrscheinlich gedacht: Jetzt schnaufe ich erstmal durch und entdecke etwas Neues. Es beginnt ein ganz neuer Lebensabschnitt für ihn. Danach, wenn er dazu bereit ist, wird er zum FC Bayern zurückkehren und eine Position in der sportlichen Führung übernehmen.
Lesen Sie hier: Kehrt Doc Müller-Wohlfahrt zum FC Bayern zurück?
Trauen Sie Bastian Schweinsteiger auch eine Rolle im Management der Bayern zu?
Ich weiß nicht, was er für Pläne hat. Spieler haben eben unterschiedliche Ideen und Ziele, er spielt ja aktuell noch bei Manchester United. Wir hatten zuletzt keinen Kontakt.
Gehen den Bayern so langsam die Identifikationsfiguren aus?
Im Moment ist das Problem vielleicht noch nicht so groß, aber mittelfristig muss man sehen, dass Figuren nachrücken, die für Identifikation sorgen. Das war immer so bei Bayern mit Spielern wie Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Paul Breitner, Karl-Heinz Rummenigge später dann mit Stefan Effenberg, Bixente Lizarazu oder Oliver Kahn. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Historie des FC Bayern, es gab immer populäre Spieler. Es ist auch wichtig, dass deutsche Spieler nachrücken. Das Jugendkonzept wurde jetzt überarbeitet, es gibt bald ein neues Nachwuchsleistungszentrum. Aber Spieler wie Lahm, Schweinsteiger, Thomas Müller oder Manuel Neuer sind rar gesät. Sie haben sich in ihrer Karriere zu besonderen Persönlichkeiten entwickelt. Neuer ist ein super Typ, unabhängig von seiner Schalker Vergangenheit und eine absolute Führungskraft innerhalb der Mannschaft.