Auf Kollisionskurs: Wie Kovac sein Team gegen sich aufbringt

München - Angriff ist manchmal eben die beste Verteidigung. Das dachte sich zumindest Niko Kovac, als sich der Trainer des FC Bayern am Freitagmittag nach einigen kritischen Fragen an ihn schon wieder in die Defensive gedrängt fühlte.
Kovac: "Das hat nicht viel mit Respekt zu tun"
"Es gibt gerade genügend andere Mannschaften, bei denen man nach acht Spieltagen anfängt, alles in Frage zu stellen", begann Kovac und redete sich in einem flammenden Appell in Rage: "Dass man so schnell auf Trainer losgeht, ist eine Tendenz – und zwar keine gute." Das habe "nicht viel mit Respekt zu tun".
Kovac nannte seinen Kollegen von Borussia Dortmund als Beispiel. "Lucien Favre ist genauso wie wir mit 15 Punkten Vierter – und auf einmal ist alles schlecht", führte er aus: "Da werden gleich Namen gehandelt, das verstehe ich nicht. Warum immer auf Kosten des Trainers? Es ist komisch, wenn alles immer nur auf eine Person projiziert wird." Kovacs Credo: "Man kann nicht alles in Frage stellen, wenn man mal ein Spiel verliert."
Kovac: "Die Defensive gelingt uns im Moment nicht"
Sein Team hatte sich am Dienstag in der Champions League bei Olympiakos Piräus zu einem 3:2-Sieg gemüht. "Alles muss besser werden", erklärte Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidzic anschließend. "Brazzo hat schon recht, wenn er sagt, dass wir in bestimmten Bereichen besser werden können", sagte Kovac und gab den Auftrag direkt an seine Spieler weiter: "Das, was uns im Moment nicht gelingt, ist die Defensive. Wir machen zu viele individuelle Fehler."
Auch die Kritik, die Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge beim Mitternachtsbankett in Athen geäußert hatte, leitete Kovac direkt an die Profis weiter. "Er sprach von Sorglosigkeit", sagte Kovac, "da weiß man, wer damit gemeint ist." Später ergänzte er noch: "Der Trainer leitet es, aber die Spieler müssen es umsetzen." Kovac wollte in die Offensive gehen, mit seinen Worten steuerte er aber auch auf direkten Kollisionskurs mit seiner Mannschaft. Denn eigene Fehler sieht der Coach weiter nicht.
Kovac: "Wir haben die Aufgabe, Spiele zu gewinnen"
Von wachsendem Druck für ihn vonseiten der Vereinsverantwortlichen wollte Kovac nichts wissen. Obwohl Bayern nach der Heimniederlage gegen Hoffenheim (1:2), dem Remis in Augsburg (2:2) und dem Zittersieg bei Piräus ja durchaus auf stürmische Herbsttage zusteuert. "Ich bin mit meinen Chefs in Kontakt und glaube, dass der Sturm eher von draußen reingeweht wird", sagte er: "Von daher bin ich da entspannt." Der 48-Jährige ist sich aber durchaus bewusst, dass "wir alle die Aufgabe haben, Spiele zu gewinnen. Es werden auch schöne Spiele erwartet. Wir müssen aber erst mal erfolgreich sein".
Erschwert wird all das nun durch die langfristigen Ausfälle von Niklas Süle (Kreuzbandriss) und Lucas Hernández (Knöchel-OP). Deshalb ist Innenverteidiger Jérôme Boateng nun, wie Kovac sagt, plötzlich "wieder gefragt". Dem Weltmeister von 2014 stellte er gleich die höchsten Perspektiven in Aussicht. "Sollte er sehr gut spielen, wird er vielleicht auch wieder eine Alternative für ganz andere Aufgaben", sagte Kovac und spielte damit auf ein mögliches EM-Comeback in der Nationalmannschaft an.
Kovac stellt Reservisten Spielzeit in Aussicht
In den Englischen Wochen, die nun zunächst am Samstag (15.30 Uhr/Sky und im AZ-Liveticker) mit dem Heimspiel gegen Union Berlin weitergehen, "brauchen wir jeden Spieler", befand Kovac und stellte auch den anderen Reservisten Spielzeit in Aussicht.
Nach all den Grundsatzdebatten hatte er dann auch noch einen sportlichen und sogar kaiserlichen Rat an seine Spieler: "Geht’s raus und spielt’s Fußball."