Extremsportler Felix Baumgartner: "Ich bin ein ewig Lernender"
AZ-Interview mit Felix Baumgartner: Der Österreicher absolvierte am 14. Oktober 2012 den legendären Stratosphärensprung aus 39 km Höhe.
AZ: Herr Baumgartner, wie oft springen Sie im Traum noch mal aus dem All?
FELIX BAUMGARTNER: Ehrlich gesagt: gar nicht. Ich bin ein Mensch, der zwar von vielen Dingen träumt, aber von Dingen, die in der Zukunft liegen. Wenn Dinge gemacht sind, träume ich nicht mehr davon. Mit Stratos werde ich immer wieder konfrontiert und fast jeden Tag darauf angesprochen. Diesen Sprung kann ich nicht abschütteln, der folgt mir wie ein Schatten. Aber dieses konstante Feedback der Menschen freut mich ja. Das zeigt einem ja, dass man damals in Roswell, in der Wüste von New Mexico etwas richtig gemacht hat.

"Bei Stratos hatten wir 40 oder 50 Leute im Team"
Was am Projekt Stratos macht Sie im Nachhinein besonders stolz?
Die Zeit der Vorbereitung. Als Base-Jumper sind das sehr einfache Verhältnisse: Es gibt einen Fallschirm und ein Objekt, von dem du springen willst - und du entscheidest gewisse Dinge. Das sind schwierige Prozesse, aber nicht sehr groß. Bei Stratos hatten wir dagegen 40 oder 50 Leute im Team, alles eigene Charaktere. Wissenschaftler, Männer aus der Air Force, die RedBull-Marketing-Abteilung: Die alle unter einen Hut zu bringen und einen gemeinsamen Teamspirit zu entwickeln, das war sehr schwierig. Ich war ja in allen möglichen Punkten involviert - das war alles schon sehr aufwändig. Keine Doppel-Belastung, sondern fast schon eine Zehnfach-Belastung. Das macht mich am meisten stolz, dass ich dem gewachsen war. Ich habe da sehr viel fürs Leben gelernt und fürchte mich seitdem auch vor keiner großen Aufgabe mehr.

Stratos war auch aus wissenschaftlicher und medizinischer Sicht ein Leuchtturmprojekt. Haben es Stratos-Elemente es seitdem sozusagen zur Serienreife gebracht?
Anscheinend ja, aber da ist unser Objektleiter Art Thompson besser im Thema drin als ich. Was den Raumanzug und sonstige Daten, die ja für jedermann zugänglich sind, betrifft, ist wohl schon einiges in den sogenannten Space-Tourismus eingeflossen. Die Unternehmen von Jeff Bezos und Richard Branson haben schon einige unserer Erkenntnisse genutzt.
Was macht Felix Baumgartner heute?
Dass ein Sprung aus dem Weltall nicht mehr zu toppen sein würde, war klar. Was ist seitdem in Ihrem Leben passiert?
Nach dem Sprung bin ich zunächst einmal gefühlt drei Mal um die Welt gereist, um in Shows aufzutreten. Das war ein sehr schöner Teil des Projekts. Ich habe mit Morgan Freeman, Tim Cruise, Gerard Butler und James Cameron gute Gespräche geführt. Das war spannend, dass solche Leute plötzlich zur dir kommen und sagen: 'Felix, erzähl doch mal, wie das da oben war!'
Wie war später die Erfahrung als Teilnehmer des 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring?
Auch ein sehr schönes Projekt! Da war Audi auf mich zugekommen. Ich kann zwar sehr gut Auto fahren und verstehe die Technik, bin aber kein Rennfahrer. Der Nürburgring ist ja eine der gefährlichsten Rennstrecken der Welt: sehr viele Kurven, schwierig zu merken, keine Auslaufzonen - da bin ich schon in der höchsten Klasse eingestiegen. Aber ich bekam einen guten Trainer zur Seite, sie haben die Rennstrecke für mich abgesperrt, damit ich trainieren konnte, sie haben mich Vorbereitungsrennen fahren lassen, den Winter über war ich viel am Simulator, um mir die Strecke einzuprägen, und dann sind wir im Rennen letztlich Zehnter geworden. Und mir ist es gelungen, dort auf der Strecke zu bleiben! Es hat mir aber auch gezeigt, wie schwierig der Rennsport eigentlich ist.
Ausbildung als Akrobatik-Helikopterpiloten abgeschlossen
Und sonst so?
Helikopter fliegen! Großer Kindheitstraum. Den hatte ich ja schon vor meinem Sprung aus dem All verwirklicht, ich habe mich nun aber auch noch zum Akrobatik-Helikopterpiloten ausbilden lassen - das war dann noch mal was ganz Neues. Heute bin ich weltweit, vor allem in Amerika und Europa, auf Air Shows unterwegs, zeige da meine Künste und versuche die Menschen für das Fliegen zu begeistern. Ich bin eigentlich genau dort angekommen, wo ich immer hin wollte. Es hat sozusagen den ersten Traum gebraucht, um den zweiten auch umsetzen zu können. Sich im Leben zwei Kindheitsträume zu erfüllen, ist nicht selbstverständlich und gelingt wahrscheinlich auch nur wenigen Menschen.
Stimmt es, dass ein Asteroid nach Ihnen benannt ist?
Das höre ich zum ersten Mal. Aber mich fragen Journalisten auch, wie es meinem Fußballteam geht. Oder ob meine Restaurants erfolgreich laufen. Interessant, wo das alles immer her kommt.
Was Sie aber sicher wissen: Was war Ihr letzter Sprung aus größerer Höhe? Im Schwimmbad vom Fünfer?
Neulich in Arizona, ein Fallschirmsprung aus rund 3.500 Metern. Ich war zur Hubschrauberausbildung da, wie auch die Fallschirmspringertruppe von Red Bull, und die meinten: 'Felix, spring' halt mal mit!' Ich hatte gar keinen Fallschirm dabei, aber sie haben mir einen geliehen - und dann war das mein erster Sprung seit dem aus dem Weltall. Statt 39.000 Metern nur 3.500 Meter: eine ganz andere Optik, war aber mal wieder lustig zwischendrin.
Vermissen Sie die Springerei?
Ich fokussiere mich jetzt mehr aufs Hubschrauberfliegen. Fallschirmspringen habe ich mein halbes Leben gemacht. Das war schön, hat mir viele Türen geöffnet und mich auch dort hin gebracht, wo ich heute bin, aber jetzt gebe ich Vollgas mit dem Heli. Das bockt mich jetzt richtig. Ich bin halt ein ewig Lernender. Das hört nie auf.
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