Eishockey: Das Söderholm-Beben und die Folgen

Der Eishockey-Bundestrainer bittet um sofortige Auflösung des Vertrags bis 2026. Der Abschied wirft weder auf ihn noch auf den Verband ein rühmliches Licht. Auch den EHC trifft der Abgang.
Martin Wimösterer |
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Abschied in die Schweiz: Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm verlässt den Deutschen Eishockey-Bund mit sofortiger Wirkung.
Abschied in die Schweiz: Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm verlässt den Deutschen Eishockey-Bund mit sofortiger Wirkung. © Rolf Vennenbernd/dpa

Am Dienstag kam Toni Söderholm in die Zentrale des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) in Obermenzing - letztmals.

Der Bundestrainer löste auf eigenen Wunsch und mit sofortiger Wirkung seinen erst im März verlängerten Vertrag auf. Trotz fürstlichen Gehalts (Netto nach AZ-Infos rund 170.000 Euro per anno) und trotz der Perspektive, Deutschlands goldene Generation 2026 zu Olympia zu führen. Das wirft große Fragen auf.

Ist ein Angebot vom SC Bern Schuld? 

Geht es nach offizieller Sprachregelung des DEB, liegt es am Angebot des SC Bern. Der Schweizer Großklub hatte am Freitag am Rande des Deutschland Cups seine Fühler nach dem 44-jährigen Finnen, der vor 15 Jahren dort gespielt hatte, ausgestreckt. Am Sonntag, da rundete Söderholm mit dem Turniersieg seine positive Bilanz ab, bat er den DEB um Freigabe.

DEB-Sportvizepräsident Andreas Niederberger erklärte, man habe ihm keine "Steine in den Weg legen" wollen. Der Wechsel? Ganz gewöhnlich in der heutigen Sportwelt. Und Söderholms Ambitionen Richtung NHL seien bekannt gewesen, der Trainer sagte bei seiner Vorstellung in Bern, er habe als Klubtrainer arbeiten wollen.

Sportdirektor Christian Künast fand, Söderholm sei nun der zweite Bundestrainer nach Vorgänger Marco Sturm 2019, der "den nächsten Schritt macht". Das zeige, "wie gut wir Trainer ausbilden".

Der DEB, die Speerspitze des deutschen Eishockeys, als Ausbildungsbetrieb. Nicht für die glitzernde NHL, sondern die Schweiz.

DEB lässt Söderholm ohne Ablösesumme gehen

Tatsächlich ist der Abgang eine krachende Pleite für den DEB, die ein Zerwürfnis aufzeigt. Söderholm, rund um die Vertragsverlängerung vom wackelnden Verband als Heilsbringer gehypet, hatte zwar eine Ausstiegsklausel, die aber wohl erst zum Saisonende gegriffen hätte. Der DEB ließ ihn stante pede und wohl auch ohne Ablösesumme ziehen. Weil es nicht mehr ging. Der vermeintlich plötzliche Abschied hatte sich intern bereits angekündigt.

Stefan Schaidnagel hatte Söderholm einst als Bundestrainer ins Amt verholfen. Der frühere Sportdirektor des DEB (bis Ende 2020) zeigt sich der AZ gegenüber überrascht vom Abgang und verweist auf die Vertragsverlängerung im Frühjahr: "Toni ist ein Mensch, der auf Verlässlichkeit wert legt. So wie ich ihn kennengelernt habe, ist er eventuell mit der Gesamtkonstellation im Verband nicht zurechtgekommen, weshalb er sich für den Wechsel entschieden hat."

In der Tat. Schon bei den Olympischen Spielen in Peking waren nach Angaben aus der Kabine größere Differenzen offensichtlich. Zwischen Künast, Typ: hemdsärmeliger Niederbayer, und Söderholm, grübelnder Finne mit festen Zielen und feiner Klinge. Intern mischte sich der Bundestrainer, das kam nicht gut an, zudem in die Büro-Personalpolitik ein, zumindest einmal drohte er mit Rücktritt.

Rückblick auf eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit"

Vor dem Deutschland Cup vermittelte Söderholm bei Fragen zur Verbandszukunft bereits einen desinteressierten Eindruck. Beim Turnier hatten sich die DEB-Lager nur noch wenig zu sagen. Das Ende. Künast versuchte sich am Mittwoch in einer Presserunde in Schadensbegrenzung: Dreckige Wäsche? Nein. "Vertrauensvoll" habe man mit Söderholm zusammengearbeitet.

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Künast soll nun ein Anforderungsprofil für den Söderholm-Nachfolger erstellen, in Absprache mit DEB-Vize Andreas Niederberger. "Im Moment ist alles denkbar." Nur ein guter Trainer müsse es eben sein, gerne der deutschen Sprache mächtig. Man wolle gründlich suchen, als "Fixpunkt" sei das Trainingslager im Februar anvisiert. Ins Detail zum Anforderungsprofil wollte Künast nicht gehen. Die Suche beginne "am Donnerstag".

Der Zeitpunkt des Abschieds ist für den DEB insofern günstig, weil der Neue es dann selbst in der Hand hat, bei der WM im Mai noch auf die direkten Olympia-Quali-Plätze vorzustoßen. Und die Trainerkrise dann keinen Schatten auf die Bewerbung für die WM 2027 wirft, über die der Weltverband am Rande der WM entscheidet.

Mögliche Kandidaten für die Nachfolge gibt es schon

Übrigens, auch den EHC Red Bull München trifft Söderholms Wechsel: Sein laufender Vertrag bei der Red-Bull-Organisation wird nach AZ-Informationen hinfällig. Der Coach war beim EHC, neben Matt McIlvane (derzeit bei Bruderklub EC Salzburg), Anwärter auf die mittelfristige Nachfolge Don Jacksons. Auch Stéphane Julien, erster EHC-Kapitän in der DEL und nun erfolgreich als Trainer und Manager in Kanadas Nachwuchsbereich aktiv, hat Aktien, aber wohl in anderer Funktion.

Da sich McIlvane in Salzburg gut macht, dürfte die Entscheidung in der Thronfolge stehen.

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