Pagé erklärt sich: Mit Celine Dion und Boris auf den Mars

Red-Bull-Trainer Pierre Pagé beim AZ-Besuch: Der neue Coach verrät, wie er sein Motto („Anders sein und Erfolg haben”) beim EHC umsetzen will – und was Kennedy und Messi damit zu tun haben
Gunnar Jans, Matthias Kerber |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
EHC-Trainer Pierre Pagé beim Redaktionsbesuch in der AZ, hier mit Sportchef Gunnar Jans (l.) und Eishockeyreporter Matthias Kerber.
Sofianos Wagner EHC-Trainer Pierre Pagé beim Redaktionsbesuch in der AZ, hier mit Sportchef Gunnar Jans (l.) und Eishockeyreporter Matthias Kerber.

Red-Bull-Trainer Pierre Pagé beim AZ-Besuch: Der neue Coach verrät, wie er sein Motto („Anders sein und Erfolg haben”) beim EHC umsetzen will – und was Kennedy und Messi damit zu tun haben.

AZ: Herr Pagé, Sie wollten mit dem EHC Red Bull München die Eishockey-Welt verändern und sich auf die Reise in andere Sphären machen. Bisher gab's aber keinen Höhenflug, im Gegenteil: Sie sind nach der 0:9-Klatsche in Mannheim, der höchsten Pleite der Vereinsgeschichte, mehr als nur hart gelandet.

PIERRE PAGE: Als ich vor vielen Jahren als Assistenzcoach angefangen habe, sagte mir der Cheftrainer: „Pierre, deine Aufgabe ist es, mein Feuerlöscher zu werden. Du musst sie löschen, bevor sie zu groß werden.” Wir sind jetzt in einer Position, in der es viele kleine Feuer gibt. Das Schwierigste ist es im Moment, den Spielern klarzumachen, dass unser Weg der richtige ist.

Wie man so hört, haben Sie im Team mindestens so viele Zweifler wie unter den Fans – die das Team auspfiffen oder dem Stadion fernbleiben...

Als ich in Salzburg tätig war, sind die Spieler eine Woche vor den Playoffs zu meinem Chef gegangen und haben gefordert, dass ich entlassen werde, weil ich zu hart trainieren würde. Sie wollten weniger Arbeit, aber mehr Geld. Ein interessantes Konzept. Mein Boss sprach mit mir und ich sagte ihm: „Du musst tun, was du tun musst, aber ich bin mir sicher, dass wir die richtigen Leute zusammengeholt haben, um Erfolg zu haben.” John F. Kennedy hatte den Traum, zum Mond zu fliegen. Aber er fand in Amerika keinen Experten, der ihm das ermöglichen konnte. Also sah er sich um, und fand den Deutschen Wernher von Braun. Er war der richtige Mann, und Kennedy schaffte es, den ersten Menschen auf den Mond zu bringen. Ich denke, wir haben die Wernher von Brauns versammelt, um hier Erfolg zu haben. Aber klar ist, der Weg ist hart. Einige werden mitziehen, andere werden aufgeben. So ist der Lauf der Dinge.

Sie haben den Weg nicht leichter gemacht, als Sie gleich vollmundig davon sprachen, dass Sie den Titel holen wollten.

Meine Erfahrung sagt mir, dass man drei Jahre braucht, um ein Projekt dieser Größe erfolgreich zu gestalten. Man muss anfangs immer investieren. In Berlin haben wir in sechs Jahren zwei Mal den Titel geholt. Die Fans standen immer zu uns, die Spieler zu überzeugen, war schwieriger. In Salzburg hatten wir gleich sportlichen Erfolg, da war es schwieriger die Fans zu überzeugen. Und München? Mein Ziel ist es, sozusagen zum Mars zu fliegen. Dafür setze ich drei Jahre an, aber es ist keine Lüge, wenn ich sage, dass ich es in dieser Saison schaffen möchte. Wir haben das Team, das es erreichen kann. War das Extra-Druck? Ja, aber wir sind hier im Herrschaftsbereich des FC Bayern. Vor vielen Jahren hätten wir alle jeden Preis gezahlt, um eine Karte für ein Spiel der Brasilianer zu kriegen. Danach war es für den FC Barcelona, jetzt sind es die Bayern. Das ist eine extreme Konkurrenz. Da dachte ich, dass man vielleicht mehr trommeln muss. Haben wir zu viel gesagt, zu sehr aufgetrumpft? Vielleicht. Okay, wahrscheinlich schon.

Drei Jahre also bis zum Mondflug: Wird Red Bull Ihnen so lange Zeit geben, wenn das Münchner Publikum das Produkt nicht akzeptiert?

Die Statistik besagt, dass in Nordamerika ein Trainer im Schnitt nach 1,7 Jahren entlassen wird. Also: 95 Prozent aller Trainer haben gar nicht die Chance zu zeigen, ob sie Recht hätten. Die Zukunft nicht nur der Sportwelt ist das Handy. Im Internet kann man Millionen Klicks generieren. Man muss also das Spiel so interessant machen, dass die Menschen es auch auf ihrem Handy aufrufen wollen. Sie werden in Zukunft am Parkplatz anhalten und sich Spiele auf dem Handy ansehen können – oder das Bild per Beamer irgendwohin produzieren und es anschauen. Aber all das wird über das Handy laufen. Das ist die Zukunft.

Es gibt ja außer Red-Bull-Chef Didi Mateschitz gar niemanden, der Sie feuern kann.

Daran denke ich nicht. Es wurde schon sehr lange an Konzepten gearbeitet, die wir im Eishockey umsetzen wollen. Was wir verändern wollen, um den Sport groß zu machen. Mateschitz hat ein Gespür. Er hat sich entschieden, dass München der richtige Ort ist, um diese Vorstellungen umzusetzen. Deutschland ist der perfekte Ort. Deutschland, Österreich und die Schweiz sind für mich – und ich war fast überall – die drei lebenswertesten Länder der Welt. Ist Rom besser als München? Nein. Kalifornien ist wärmer, aber nicht besser. Wir wollen Dinge ändern, aber wir planen auch keine Welt-Revolution. Dass in Spanien 50 Prozent der Jugendlichen arbeitslos sind, dass in Amerika 40 Prozent aller Familien pleite sind, das ist der Nährboden für Revolutionen. Wir wollen nur Dinge ändern. Und wissen Sie was? Deutschland war immer ein guter Platz für Wandel.

Wie meinen Sie das?

Nehmen Sie die Beatles oder die Rolling Stones. Zwei der größten Bands aller Zeiten. Aber als sie anfingen, konnten sie in ihrer Heimat England nichts erreichen, man hat ihnen keine Chance gegeben, sich zu entfalten, sich zu entwickeln. Aber Deutschland war offen genug, ihnen den Platz zu geben, um die Beatles und Rolling Stones zu werden, denen dann alle zujubelten.

Das Konzept besteht schlicht darin, „anders zu sein”?

Anders zu sein und Erfolg zu haben! Es gibt im Moment zwei Entwicklungen. Man bestreitet etwa Käfigkämpfe, Menschen, die sich im Käfig verprügeln. Das ist wie das alte Rom, nur ohne Löwen. Dafür gibt es einen Markt, einige Leute wollen das sehen. Aber genauso muss es den Weg in die diametral entgegengesetzte Richtung geben. Nicht zurück in die Vergangenheit, sondern direkt in die Zukunft. Das ist unser Weg.

Und wie sieht diese Zukunft aus?

Man muss den Menschen mehr bieten als sie bisher kennen. Warum sollten sie zum Eishockey kommen, wenn wir ihnen sagen, wir machen alles wie immer? München hat mit Fußball, mit den vielen Freizeitangeboten so viel Alternativen, da muss man etwas anders machen. Ich habe die Sängerin Celine Dion getroffen, als sie 24 Jahre alt war. Sie hat sich damals geweigert, englisch zu singen. Glauben Sie, dass sie diese Celine Dion geworden wäre, dieser Superstar, wenn sie das durchgezogen hätte? Sie hat sich geändert, sie holte sich den Mann, der „My Way”, das von Frank Sinatra zum Welthit gemacht wurde, geschrieben hat – und sie war dann anders.

Und erfolgreich.

Genau.

Wie definiert Red-Bull-BossMateschitz Erfolg? Allein über Titel, über Trophäen? Und wie lange schaut er zu, wenn kein Erfolg da ist?

Red Bull hat Vettel geholt, als der zwölf war. Er hatte auch in der Formel 1 nicht sofort Erfolg, es hat gedauert, Red Bull hätte sogar fast das Team verkauft, aber man hat das durchgezogen. Fakt ist, wir wollen etwas entwickeln, wir wollen einen Boris Becker, einen Lionel Messi fürs Eishockey finden und sie entwickeln. Das aber wird etwa acht Jahre dauern. Bis dahin müssen wir mit dem arbeiten, was wir haben und es besser machen. Red Bull steht für Sport-Entertainment. Man will anders sein, Erfolg haben, etwas entwickeln. Salzburg hatte im Fußball fünf Trainer in sechs Jahren. Erfolgreiche Trainer wie Huub Stevens oder Giovanni Trapattoni. Sie waren erfolgreich, aber sie wollten nicht so sehr entwickeln...

Lassen Sie uns in die Glaskugel schauen, ein Jahr in die Zukunft springen. Wie nahe werden Sie dem Mars dann sein?

Ich hoffe, dass wir dann wieder zusammensitzen und Sie sagen können, der Mann hat doch eine Ahnung, vielleicht war die Vision richtig. Das Kind, das hier entsteht, ist gerade erst zwei Monate alt, – gebt ihm Zeit, zu wachsen. Das ist in München nicht leicht. Es gibt Fußball, Basketball. Es geht darum, einen Teil vom Kuchen abzubekommen.

Sportlich? Wirtschaftlich?

Sowohl als auch.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.