Nach Playoff-Aus des EHC: Umbruch beim erlegten Drachen

München - Tatort Ingolstadt, Saturn-Arena, südliche Ringstraße 64. "Wir fühlen uns, als hätten wir gerade einen Drachen erlegt", sagte ERC-Coach Doug Shedden mit Tränen in den Augen: "Wir hatten nicht unser bestes Spiel, aber wie wir nach dem 2:4 im letzten Drittel zurückgekommen sind, beweist unser Herz."
Das Herz von Drachentötern. Die Ingolstadt Panther haben am Donnerstagabend die Red Bulls aus München, Meister der Jahre 2016, 2017, 2018, in einem dramatischen zweiten Spiel der Viertelfinale-Serie mit 5:4 nach Verlängerung erlegt - Brandon DeFazio versenkte nach 120 Sekunden der Overtime die Scheibe im Tor des EHC.
Münchner war großer Titel-Favorit
Eine Sensation, schließlich war München nach der Siegesserie zum Ende der Hauptrunde, als das Team von Coach Don Jackson elf der letzten zwölf Spiele gewinnen konnte, einer der großen Favoriten auf den Titelgewinn.
In der Kabine der erlegten Drachen herrschte Totenstille. Wutschreie? Gefühlsausbrüche? Fehlanzeige. Zu groß der Schock, das innere Nichts. "Momentan herrscht nur brutale Leere. Man weiß eigentlich nicht, wie man sich fühlen soll", sagte Verteidiger Konrad Abeltshauser, "wir hatten es selber in der Hand."
Doch sie haben es eben aus der Hand gegeben. "Wir haben uns alle etwas anderes vorgestellt. Meiner Meinung nach haben wir es auch nicht verdient, zu verlieren", sagte Stürmer Philip Gogulla, der statt des verletzten Patrick Hager als Kapitän auf dem Eis stand. "Es ist sehr ernüchternd für alle, und alle sind sehr, sehr traurig."
Jungstar J.J. Peterka legte noch mal den Finger in die klaffende Wunde: "Wenn du nach zwei Dritteln 4:2 führst, darfst du so eine Partie einfach nicht verlieren. Wir waren fast das ganze Spiel überlegen. Ein paar dumme Strafen haben uns dann aus dem Spiel gebracht, das darf nicht passieren."
Umbruch: Etliche EHC-Verträge laufen aus
Gegen 23.15 Uhr verließ der EHC im Mannschaftsbus den Tatort - es war eine Fahrt in eine etwas ungewisse Zukunft für viele Spieler, denn etliche Verträge laufen aus. "Wir müssen zurück ans Reißbrett. Wir müssen einige Stellen besetzen, müssen Entscheidungen treffen, die werden nicht alle leicht sein", sagte Trainer Don Jackson.
In den kommenden Tagen werden sich er und Christian Winkler, Managing Director Sports bei Red Bull Eishockey, sich mit den Spielern zusammensetzen und den Kader für die kommende Saison angehen.

"Ich bin mir sicher, dass es einen gewissen Umbruch geben wird. Man muss auch sagen, dass sich in diesen Viertelfinalspielen nicht viele Münchner Akteure in den Vordergrund gespielt haben, wenn es um die Frage der Vertragsverlängerung geht", sagte Ex-DEL-Torwart Patrick Ehelechner, der jetzt als Experte beim übertragenden TV-Sender "Magenta Sport" tätig ist, der AZ: "Wenn man gerade die Overtime selbst gesehen hat: Es hat irgendwie etwas gefehlt."
Und zwar das, was den EHC immer ausgezeichnet hat: das Wissen, dass man jede Partie noch drehen kann, der unbedingte Glaube an sich selbst, die Gewinnermentalität. Spätestens nach dem 4:3-Anschlusstreffer durch Wayne Simpson - dem ein Fehler von Chris Bourque vorausging und bei dem Goalie Danny aus den Birken ganz schlecht aussah - nahmen die Ingolstädter den Münchnern plötzlich das Heft aus der Hand. "Da hat man richtig gespürt, wie München die Zitterhände kriegt. Da habe ich mir gedacht, die verlieren das noch", sagte Ehelechner.
Namhafte Abgänge stehen bei den Münchnern an
Und so wird es wohl auch einige namhafte Spieler treffen, wenn es um Abgänge geht. Bourque, nicht gerade der Defensivarbeiter vor dem Herrn, Derek Roy, aber auch Goalie aus den Birken könnten dazu gehören. "Danny hatte nicht seine besten Spiele. Ich weiß nicht, wie sehr es ihn mitgenommen hat, dass Jackson ihn im ersten Spiel nach 30 Minuten vom Eis genommen hat", sagte Ehelechner, "keiner spricht über so was, aber ich kann aus eigener Erfahrung als Torhüter sagen: Das nimmt dich mental mit. Ich weiß nicht, ob das immer so gut ist."
Es war Jacksons Entscheidung. Vielleicht eine Fehlentscheidung des erfolgreichsten Trainers der DEL-Historie. "Vielleicht war es ein Fehler, ja. Aber auch Jackson darf mal Fehler machen", so Ehelechner: "Er wird auf jeden Fall daraus lernen. Er denkt schon in die Zukunft."
Die Zeit für einen Umbruch, eine Neuausrichtung ist da. Wer in der Zukunft Erfolg haben will, muss aus der Vergangenheit, aus deren Fehlern lernen, sonst ist man bald kein Drache mehr, den man erlegen kann – man ist nicht mal mehr ein Drache.