„Ich wurde geboren, um Eishockey zu spielen“

AZ: Herr Joslin, den Freitag haben Sie wahrscheinlich schon länger im Kopf, da geht es für Sie mit dem EHC Red Bull München gegen Ihren alten Klub, die Nürnberger Eistiger.
DEREK JOSLIN: (lacht) Klar, es geht hier schließlich um das Recht, den alten Kollegen für die nächste Zeit bei jeder Gelegenheit einen Spruch reinzudrücken. Das will man sich gegen seinen Ex-Klub nie entgehen lassen. In dieser Partie ist es mir persönlich noch wichtiger als sonst, das Eis als Sieger zu verlassen, da können Sie sicher sein. Aber ich habe nur Gutes über Nürnberg zu sagen. Ich wurde da sehr, sehr gut behandelt, die Leute waren freundlich, herzlich und die Stadt ist wirklich schön.
Sie kennen es ja aus der Warte des Gegners: Was macht die Münchner so stark?
Oh Gott, als Gegner ist es echt kein Spaß, gegen München anzutreten, mit ihnen zu spielen ist hingegen sehr spaßig. Sie machen dir als Gegner das Leben auf dem Eis zur Hölle, lassen dir kaum Zeit zum Atmen. Sie greifen dich ständig an, du kannst dich nie zurücklehnen und Kräfte schöpfen. Was die Münchner schon in der Meistersaison ausgezeichnet hat, war die enorme Ausgeglichenheit. Sie haben vier Sturmreihen, die alle punkten. Bei Nürnberg haben sich alle darauf konzentriert, Topstürmer Patrick Reimer aus dem Spiel zu nehmen, aber wen willst du bei München ausschalten? Wenn der eine nicht durchkommt, macht es halt ein anderer. Und ich denke, in dieser Saison sind wir sogar noch stärker.
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Ist es schwer, als Neuzugang zu einer so verschworenen Gemeinschaft hinzuzustoßen?
Ganz ehrlich?
Lügen würden mit einer Spieldauer-Strafe geahndet.
(lacht) Also ehrlich. Ich war echt nervös, wie ich aufgenommen werde, wie ich reinpassen würde. Eine Truppe, die einen Titel geholt hat, ist eine ganz enge Gemeinschaft. Da greift ein Rädchen ins andere. Aber meine Sorgen waren total unbegründet. Sie haben es mir echt leicht gemacht. Und am Ende ist es sowieso alles Eishockey. Also alles gut.
Sie sind mit Eishockey groß geworden.
Absolut. So, wie ich das sehe, wurde ich geboren, um Eishockey zu spielen. In der Schule wird man als Kind ja immer gefragt, was man werden will, wen man groß ist. Für mich gab es nur eine Antwort: Ich will Eishockeyspieler werden. Ich habe es auch meiner Familie zu Weihnachten immer ganz einfach gemacht. Ich war immer glücklich, solange ich irgendwas erhalten habe, das mit Eishockey zu tun hatte. Ein Fahrrad? Nein! Ich will einen Eishockeyschläger! (lacht)
Ihr erster Coach war dann auch Ihr Vater.
Stimmt. Er ist mein größter Fan und Förderer und hat mir das Eishockeyspielen beigebracht. Er hat selber gespielt, nicht professionell, aber er war gut. Bis ich so zehn Jahre alt war, hat er mich trainiert, dann hat er mich in die große Eishockey-Welt entlassen. Ich war immer eishockeyverrückt. Ich habe als Knirps mit Mini-Schlägern gespielt, habe in den Jerseys der Teams geschlafen.
Eines Tages wurde Ihr Traum wahr, Sie spielten in der NHL!
Nur der Gedanke an mein erstes Spiel – es war mit San Jose gegen die New York Islanders – verursacht schon wieder Gänsehaut. Ich kann das nicht groß in Worte fassen. Aber nicht nur das, ich spielte in einer Mannschaft mit meinem großen Idol Rob Blake, der immer mein Vorbild war. Aber die Ehrfurcht ist zum Glück recht schnell vergangen. Wenn die Jungs mit einem wie mit einem Kumpel reden, verliert man die Scheu, die Angst. Aber das erste Mal war schon so, dass ich dachte: Hey, Rob Blake redet mit mir!
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Nach Ihrem ersten Spiel in der NHL haben Sie auch noch einen ganz speziellen Brief erhalten.
Ja, das war ein weiterer dieser besonderen Momente. Willie O’Ree, der erste Schwarze, der jemals in der NHL gespielt hat, hat mir einen persönlichen Brief geschrieben und mir dazu gratuliert, dass ich es in die NHL geschafft habe. Den habe ich auch aufbewahrt, er ist bei meinen Eltern daheim.
Sie haben ja einen afro-kanadischen Hintergrund.
Das stimmt. Daher fand ich die Geste toll. Es war besonders, dass überhaupt ein ehemaliger NHL-Spieler sich für mich interessiert hat, dass es dann O’Ree war, der ja für die schwarze Gemeinde eine besondere Bedeutung hat.
In der Football-Profiliga NFL sorgt Colin Kaepernick, der Quarterback der San Francisco 49ers, für Aufsehen, indem er sich bei den Spielen weigert, bei der Nationalhymne aufzustehen und so gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze protestiert. Wie stehen Sie zu der Aktion?
Ich bin mir nicht sicher. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das kommentieren sollte, die Umstände in den USA sind anders als in Kanada. Es ist sicher so, dass es fürchterlich ist, wenn wir wirklich noch immer in Zeiten leben, in denen Menschen ausschließlich deswegen diskriminiert werden, weil sie eine bestimmte Hautfarbe haben. Das darf nicht sein. Ich kann für mich zum Glück sagen, dass ich in meinem Leben nie echten Rassismus erfahren habe. Das zeigt, dass die Welt nicht immer nur schlecht ist, dass sie aber noch besser werden kann, steht außer Frage. Ich konzentriere mich lieber auf die positiven Dinge.
Zum Beispiel Ihre Hochzeit im vergangenen Sommer.
(lacht) Genau! Wir haben in Toronto geheiratet und die Flitterwochen dann in Hawaii verbracht. Wow! Was für ein Ort. Das ist ein Paradies, der für mich schönste Ort der Welt.
Sogar schöner als die Eishalle?
(lacht) Definitiv schöner. Und er riecht auch besser.