Deutschlands größtes Talent: Die NHL ruft EHC-Star Julian Lutz
München - Auf jede Aktion von Julian Lutz unten auf dem Eis folgt seit Jahren Kugelschreiberklicken oben auf den Tribünen.
Der 18-Jährige vom EHC Red Bull München gilt als größte Sturmhoffnung Deutschlands, das hat die Talentspäher aus Nordamerika angelockt. Sie haben Vorzüge und Baustellen notiert. Bei Lutz überwiegen die Vorzüge, denn nun passiert das, wo er "träumt, seit ich mit fünf Jahren mit dem Eishockey angefangen habe": Die beste Liga der Welt, die NHL, ruft.
Julian Lutz: Im Maßanzug zum NHL Entry Draft 2022
Am Wochenende bestieg der Stürmer zusammen mit seinen Eltern und Brüdern das Flugzeug. Ziel: Montreal, Kanada. Dort findet am Donnerstag und Freitag der NHL Entry Draft 2022 statt. Dabei wählen die 32 Mannschaften aus den USA und Kanada die vielversprechendsten Spieler aus aller Welt aus, die zwischen dem 1. Januar 2002 und dem 15. September 2004 geboren sind. Lutz gehört sicher zu dieser elitären Gruppe. Er hat sich für den ersten Eindruck, den sich die große Eishockeywelt von ihm machen wird, in seiner Heimat Ravensburg einen Maßanzug schneidern lassen.
Julian Lutz war lange verletzt: "Das hat bei einigen Scouts Zweifel gesät"
"In den meisten Rankings werde ich als Pick für die zweite Runde gesehen", sagt Lutz im Gespräch mit der AZ. Die Teams sehen ihn also unter den besten 64 Spielern des Draft-Jahrgangs. Ihm wird damit mittelfristig eine sehr gute NHL-Karriere zugetraut. Ein großer Erfolg für den Absolventen der Red-Bull-Nachwuchsschmiede.
Zumal er in der Vorsaison, in dem die Scouts sich einen finalen Eindruck bilden, wegen einer Verletzung fünf Monate ausfiel. "Das hat bei einigen Scouts Zweifel gesät", gibt er Einblick: "Aber ich bin wieder bei 100 Prozent."
Christian Künast lobt Lutz' "unheimlichen Spielwitz"
Christian Künast traut Lutz eine Menge zu. Der Sportdirektor des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) schätzt ihn im Gespräch mit der AZ für seine Technik und "unheimlichen Spielwitz", zu arbeiten habe er noch an taktischen Dingen.
Lutz stößt voraussichtlich bald zu einer goldenen Generation, die den Sprung von Deutschland nach Übersee genommen hat. Leon Draisaitl, einer der besten Scorer der NHL, Top-Verteidiger Moritz Seider, Stanley-Cup-Sieger Nico Sturm und Torwart-Ass Philipp Grubauer haben sich bewährt. Dazu kommen Talente wie JJ Peterka und Lukas Reichel nach.
Künast: "Von drüben ist die Aufmerksamkeit auf das deutsche Eishockey größer geworden. Da merken sie: In Deutschland kommen Spieler raus. Unser Ziel muss sein, dass wir dahin kommen, künftig jedes Jahr einen Spieler zu haben, der in der ersten oder zweiten Runde ausgewählt wird." Dann bildet sich eine Art Tutor-System heraus.
Beim Münchner Peterka, der schon erste NHL-Erfahrung gesammelt hat, hat sich Lutz telefonisch und zuletzt direkt beim gemeinsamen Training an der Red-Bull-Akademie erkundigt. "Er hat mir einige Tipps gegeben", erzählt Lutz. Etwa, was den Draft an sich angeht. Denn schon Monate vorher schwappt da einiger Aufwand auf die Talente ein.
Bei den Teams im Interview: Wie schlagfertig, reif und druckresistent ist Julian Lutz?
Die Teams interviewen die interessantesten Kandidaten im Vorfeld - teilweise derselbe Klub zehnmal. Lutz war mit fast allen Franchises in Gesprächen. Dazu gibt es auch dicke Fragebögen, bei denen die Teams ihn nach sportlichen und persönlichen Dingen befragen und prüfen, wie schlagfertig, reif und druckresistent der Kandidat ist. Wie Lutz erzählt, kam gar die Frage, was er täte, wenn er und sein bester Kumpel in einem Raum wären und nur einer der beiden überleben könnte. Lutz' Antwort? Geheim.

Für Lutz freilich ist der Draft "ein schöner erster Schritt. Ich habe ein höheres Ziel: In der NHL dann auch zu spielen." Er hat seine Eishockey-Ausrüstung nach Montreal mitgenommen. Die meisten Teams veranstalten zeitnah bei sich Trainingslager für ihre Talente, Lutz will dabei sein. Wo dann auch immer.
Julian Lutz: Abitur via Online-Schule
Wer ihn letztlich draftet - es kümmert ihn nicht, er kann es nicht beeinflussen. Ein Faible hat er für die Washington Capitals um Torjäger Alexander Owetschkin. "Da war ich schon mal bei einem Spiel, meinem einzigen NHL-Livespiel bisher." Als Fan. Das soll bald anders sein.
In der kommenden Saison wird er wohl noch für den EHC auflaufen. "So wie es bei JJ war", denkt der Stürmer. Je nach Absprache mit seinem NHL-Team wäre auch der Feinschliff an einer nordamerikanischen Ausbildungsliga denkbar. Sein Abitur fertigmachen will der 18-Jährige aber so oder so. Er macht es über eine Online-Schule und ist damit unabhängig davon, wo es für ihn in Zukunft weitergeht. Klar ist bis Donnerstag nur: Die NHL ruft Lutz!
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