Deutscher entschlüsselte Boll - Trainer "Made in Germany" gefragt

Boris Becker ist der Bekannteste, doch sein Schützling schwächelte. Trainer "Made in Germany" haben im Ausland dennoch einen exzellenten Ruf.
von  SID
Für Tischtennis-Star Timo Boll sind die Olympischen Spiele im Einzelwettbewerb bereits beendet.
Für Tischtennis-Star Timo Boll sind die Olympischen Spiele im Einzelwettbewerb bereits beendet. © dpa

Rio de Janeiro - Martin Adomeit aus Lippstadt-Bökenförde bejubelte den sensationellen Coup seines Schützlings auf der heimischen Couch. Als Quadri Aruna aus Nigeria den deutschen Fahnenträger und "Mr. Tischtennis" Timo Boll von der Platte putzte, konnte Adomeit nur vor dem Fernseher mitfiebern. "Im fünften Satz war Quadri so katastrophal, dass ich erst mal ausgeflippt bin. Am Ende bin ich jubelnd rumgesprungen", sagte er dem SID. Nach Rio reisen konnte der frühere Damen-Bundestrainer nicht: Das zuständige Ministerium verweigerte ihm einen Platz auf der Betreuerliste.

Doch Aruna zerstörte Bolls Traum von einer olympischen Einzelmedaille auch ohne seinen deutschen Honorartrainer. Wobei: Adomeit, 53, gab dem Weltranglisten-40. per Telefon (Whatsapp) Tipps, wie Boll zu knacken sei. Und Aruna schlug beim 4:2 im Achtelfinale eiskalt zu. Für Adomeit, der seinen Schützling 2014 kennenlernte und als "technischer Berater" für Nigeria arbeitet, nicht gänzlich unerwartet. "Er hatte Respekt vor Timo, aber er glaubt ständig an seine Chance", sagte er.

Trainer "Made in Germany" sehr beliebt

Die Afrikaner, behauptet er, seien zudem "sehr coachgläubig". Anscheinend nicht nur sie: Wie Aruna auf Adomeit schwören in Rio zahlreiche Olympioniken auf Know-how aus Germany. Prominentester deutscher Übungsleiter am Zuckerhut ist ein gewisser Boris Franz Becker, Serbia. Sichtlich stolz trug der dreimalige Wimbledonsieger seine Akkreditierung durch das olympische Tenniszentrum - Novak Djokovic konnte er aber nicht helfen. Der Weltranglistenerste verlor in der ersten Runde völlig überraschend gegen den Argentinier Juan Martin del Potro, im Doppel war auch schon im Achtelfinale Schluss.

Ex-Weltmeisterin Bettina Hoy bringt ungeachtet des Staatsdopings in Russland den Vielseitigkeitsreiter Alexander Markow auf Trab, sie spricht von einer "Privatinitiative", die "mit dem Verband nichts zu tun" habe. Dieter Kollark verhilft der chinesischen Kugelstoßerin Gong Lijiao zu großen Weiten, und Jürgen Grobler hält die britischen Ruderer auf Erfolgskurs. Die Beweggründe für ein Engagement im Ausland ähneln sich: Fehlende Jobs in der Heimat, lukrative Angebote aus der Ferne.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat mit einer 2005 gestarteten Traineroffensive versucht, Ansehen und Einkommen der Coaches zu verbessern. Dennoch folgten viele Übungsleiter dem Lockruf aus anderen Ländern. "Seit der Wende bin ich ja nicht mehr so programmiert, dass Sport 'Kalter Krieg' ist. Heute ist Sport global und Business", sagte Kollark, der Astrid Kumbernuss zu drei WM-Titeln führte und nun die größte Gold-Konkurrentin von Christina Schwanitz betreut.

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Deutsche Trainer weltweit aktiv

Die Chinesen greifen gerne auf westliches Wissen zurück. Jutta Lau, die deutsche Ruderinnen zu großen Erfolgen bei Olympia und Weltmeisterschaften führte, hat im Reich der Mitte ihr Glück gefunden. "Durch Jutta Lau hat sich unser Training deutlich verändert", sagte die WM-Dritte Duan Jingli.

Grobler hat es zu einer führenden Ruder-Nation verschlagen. Er ist Chef des britischen Männerteams und führte den Achter in den vergangenen drei Jahren zum WM-Titel vor dem deutschen Paradeboot.

Heiko Salzwedel kümmert sich vor allem um Radstar Bradley Wiggins. Im Sprint trainiert Jan van Eijden die Briten, die Niederländer hören auf die Tipps von René Wolff. Doch der größte Coup gelang (zunächst) Martin Adomeit.

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