Besser als Schumi? Einer wie Senna?
SUZUKA So hatte man Sebastian Vettel lange nicht mehr gesehen. Reichlich angefressen sprang er am Freitag aus seinem havarierten Boliden und brüllte die japanischen Streckenposten an. Eben war der designierte Doppelweltmeister in seiner letzten Runde beim Vormittagstraining heftig abgeflogen. Ein Fahrfehler. Vettel wird doch nicht ausgerechnet vor seinem Krönungswochenende nervös werden? Das wohl nicht. „Es war ein unnötiger Fehler. Das war ein ganz gutes Wachrütteln für das Wochenende”, sagte er später lapidar.
Einen Punkt muss sich der Heppenheimer am Sonntag in Japan sichern (8 Uhr, RTL und Sky live), um jüngster Doppelweltmeister aller Zeiten zu werden. Heißt: Platz 10 reicht ihm. Und wenn sein letzter Verfolger, Jenson Button, nicht gewinnt, kann er sogar ausfallen. Eine „Mission possible”, wie Vettel sagt.
Top Ten: Die jüngsten Doppelweltmeister - gehört Sebastian Vettel bald dazu?
Überhaupt geht der Blick längst nach vorn. Zu dominant war der 24-Jährige in dieser Saison, zu perfekt seine Rennen. Vettel ist jetzt schon dabei, eine Ära zu begründen.
Nicht nur für Niki Lauda, den dreimaligen Weltmeister und heutigen RTL-Experten, wird Vettel in absehbarer Zeit der beste Formel-1-Fahrer aller Zeiten sein. „Mit seiner Kaltschnäuzigkeit und gutem Gerät” werde Vettel die Rekorde des siebenmaligen Champions Michael Schumacher brechen, glaubt er. Schon jetzt bezeichnet er ihn als „außerirdisch”. Vettels Killerinstinkt sei „einmalig”, so Lauda. Die bayerische Rennfahrerlegende Strietzel Stuck sieht’s ähnlich. Er nennt Vettel schon jetzt in einem Atemzug mit einem, der als noch besserer Rennfahrer als Michael Schumacher galt: Ayrton Senna. „In seiner Arbeitsweise erinnert mich Vettel sehr stark an den jungen Senna oder Niki Lauda. Die haben die Formel 1 gelebt, nicht nur im Rennauto. Und alle diese Eigenschaften erkenne ich jetzt bei Vettel”, so Stuck.
Tatsächlich ist Vettel schon jetzt nahe dran an der Perfektion. Die AZ zeigt auf, was ihm noch fehlt, um der Beste aller Zeiten zu sein.
Die Eleganz des Juan-Manuel Fangio
: Der 1995 gestorbene Argentinier war die prägende Figur der ersten Formel-1-Jahre. Fünf Weltmeisterschaften holte er zwischen 1950 und 1958 – beim ersten Titel 1951 war er schon 40 Jahre alt. Seine Siegquote von 24 Siegen bei 51 Starts wird wohl für immer unerreichbar sein. Fangio war auf und neben der Rennstrecke eine Stilikone, ein Botschafter des guten Geschmacks. Nie rastete er aus, nie gab es von ihm ein böses Wort. Selbst als er 1958 kurzzeitig von Fidel Castro und seinen Guerilleros entführt wurde, beschwerte er sich nicht. Im Gegenteil: Nach seiner Freilassung nach zwei Tagen lobte er die guten Manieren der Revolutionäre – und setzte sich für ihre Sache ein. Fangio fuhr während seiner Karriere für die besten Teams jener Zeit: Seine Titel holte er mit Alfa Romeo, Maserati, Ferrari und Mercedes. Die Faszination der Marken Ferrari und Mercedes spürt Vettel zwar mittlerweile mehr als früher. Dennoch kann es gut sein, dass er seine Karriere irgendwann einmal beim Markting-Spielzeug Red Bull beenden wird. Eine baldige Vertragsverlängerung bis 2016 wird erwartet.
Der Wiener Unternehmersohn war einer der prägendsten Figuren in der gefährlichsten, aber auch schillerndsten Zeit in der Formel 1. Zwischen 1971 und 1979 und 1982 bis 1985 gelangen ihm 25 Siege, drei Mal gewann er die WM. Zur Legende wurde Lauda, als er den Feuerunfall am Nürburgring 1976 erst wie durch ein Wunder überlebte, dann bereits 42 Tage später sein Comeback gab, um schließlich beim letzten Saisonrennen im verregneten Fuji freiwillig aus dem Auto zu steigen und so seinem Kumpel James Hunt zum Titel zu verhelfen. Lauda gehört zu den wenigen, die Freundschaften in der Formel 1 für möglich halten. Er gründete schon während der Karriere seine Fluglinie, bis heute vermarktet er sein legendäres Kapperl. 1,2 Millionen Euro kassiert er vom abudhabischen Staatsfond Aaber derzeit – pro Jahr. Vettel macht sich eher wenig aus Werbung. Er wirbt lediglich für ein Antischuppenschampoo und die Sponsoren seines Rennstalls. In Sachen Gehalt fährt er einigen hinterher. Fernando Alonso (28 Millionen) und Michael Schumacher (21) kassieren mehr als Vettel (15).
Der Brasilianer war eine Naturgewalt. Keiner hatte so viel Talent wie er, keiner konnte mit so viel Hingabe seinen Beruf und seine Passion beschreiben. Der 1994 beim Rennen in Imola viel zu früh verstorbene Senna war wie Vettel besonders gut, wenn die Bedingungen auf der Strecke widrig waren und wenn es darum ging, im Qualifying eine perfekte Runde in den Asphalt zu knallen. Senna galt als Magier am Lenkrad, der selbst mit unterlegenen Autos gewinnen konnte. Eine Parallele zu Vettel, der seinen ersten Sieg 2008 im Toro Rosso holte. Zwischen 1984 und 1994 gewann Senna drei Titel, schaffte 41 Siege und 65 Pole-Positions. Mit Alain Prost fuhr sein härtester Rivale lange im gleichen Team. Der jahrelange Psychokrieg zwischen den beiden gipfelte in den gegenseitigen Abschüssen während der WM-Finals 1989 und 1990 in Suzuka. Vettel gilt als Harmoniebedürftig.
Das Verhältnis zu seinem Teamkollegen Mark Webber hat sich in dieser Saison deutlich entspannt – jedoch erst, nachdem Red Bull den Australier zur Nummer 2 degradiert hat.
Der Rekordchampion ist Vettels Idol, sie bezeichnen sich sogar als Freunde. Sie eint der kompromisslose Fahrstil, der Fleiß und das technische Verständnis. Beide sind zudem schlechte Verlierer. Auch ihre Siegquote ist vergleichbar: Schumacher schaffte 91 Siege in 282 Rennen, Vettel 19 Siege bei 76 Starts. Vettel kann diese Saison noch Schumis Rekord von 13 Siegen in einem Jahr knacken (bisher neun) – was der ihm gönnen würde. Vorbild ist Schumacher für Vettel auch in Bezug auf den Umgang mit der Öffentlichkeit. Noch konsequenter als Schumacher schottet der 24-Jährige sein Privatleben ab; seine Freundin Hanna war seit Jahren nicht mehr an der Rennstrecke. Doch ein Schumi-Klon ist Vettel nicht. „Ich bin kein zweiter Michael Schumacher, sondern der erste Sebastian Vettel“, sagt er gerne. Tatsächlich gibt sich Vettel oft lockerer als der Rekordchampion, im Gegensatz zu dem will er seine Rivalen nicht demütigen auf der Strecke. Dass er, wie einst Schumi, einen Rivalen absichtlich von der Strecke rammen würde, ist bei Vettel eher unwahrscheinlich.
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